»Gerade vor uns, wir können sie nicht direkt sehen, sie ist gedeckt von einer Palli-sadenreihe.«
»Nun dunkel genug, denken, gehen rasch nach Fort.«
Er rief seine Mutter zu sich, spannte den Hahn seiner Büchse, worin ihm die Männer folgten, und trat aus dem Walde hinaus. Hinter ihm folgte Johnson, dann Edgar und Heinrich, und mit seinem Maultier Michael.
Bis zum Fort hatten sie etwa zweihundert Schritt zurückzulegen.
Der dritte Teil dieser kleinen Entfernung lag hinter ihnen, als das Maultier stehen blieb und ängstlich nach rechts hin schnoberte. Der Mann aus Leitrim unterdrückte mit Mühe einen Fluch.
Gleichzeitig lösten sich vom Walde, auf der Seite, von welcher dem Tier die Witterung herkam, wohl ein Dutzend Gestalten ab, welche, schattenhaft nur wahrnehmbar, eilig herbeihuschten.
»Der Wilde!« schrie Johnson bei diesem Anblick mit mächtiger Stimme. - »Vorwärts! Lauft ums Leben!«
Von rechts her krachte ein Schuß, dem zwei andre folgten. [221]
Blitzschnell hatten die beiden preußischen Soldaten bei diesem Klang die Büchsen an die Wangen gerissen und donnernd entluden sich die Gewehre.
Mit gleicher Schnelligkeit folgten die Schüsse von Johnson und Athoree.
Zwei Schmerzensschreie ertönten, denen ein wildes Geheul folgte.
»Was ist das? Heiliger Michael!« schrie der Irländer, »die Halunken haben mir das Maultier erschossen.« Es war in der Tat niedergefallen und wälzte sich in Schmerzen am Boden.
Bei dem raschen Feuer der so unerwartet Angegriffenen waren die eben noch heranspringenden Gestalten plötzlich verschwunden.
»Zum Fort!« schrie Johnson von neuem, »sie kommen im Grase heran,« faßte die alte Sumach, nahm sie, wie er einen Säugling gehoben hätte, auf einen Arm und lief nach dem Eingang zu. Zu seiner Seite Athoree, welcher im Laufen zu laden versuchte.
»Michael, hierher, rasch, es geht ums Leben!« rief der Graf.
»Ja, ja, Ew. Gnaden,« schallte es zurück, »ich komme. Die Kanaillen haben das Tier zusammengeschossen,« und Michael rannte mit großer Eile vorwärts.
Heinrich hatte bereits wieder eine Patrone im Laufe und lief jetzt ebenfalls nach dem Fort hin.
Da tauchten vor ihnen und zu ihrer Rechten von neuem die unbekannten Angreifer auf, stürzten mit wildem Geschrei auf sie ein und suchten ihnen den Weg abzuschneiden.
Alsbald krachte Heinrichs Büchse. Ein Todesschrei, der mitten aus dem wilden Angriffsgeheul herausklang, war das Echo.
Johnson war den Pallisaden, welche das Tor verdeckten, am nächsten, er stieß einem Indianer, welcher mit geschwungenem Tomahawk auf ihn losstürzte, den Büchsenkolben vor die Brust, so daß dieser sofort am Boden lag, und sprang dahinter, dem zweiten fuhr Athorees Axt in die Schulter, Heinrich hieb mit dem Kolben darein, der Mann aus Leitrim aber ließ ein gellendes Juchzen hören, wie es bei den Kirchweihfesten der Irländer vernommen wird, wenn der Jubel am wildesten tobt, und sein Shillalah traf mit unvergleichlicher Schnelligkeit zwei heulende Wilde, die wie vom Blitze getroffen mit zerschmetterten Schädeln zu Boden sanken, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben.
Die Angreifer standen bei diesem Anblick still. Im selben Augenblicke brach Johnson, welcher Sumach abgesetzt hatte, wieder hervor. Michael aber, in dem der gäli-sche Kampfeszorn erwacht war, wiederholte [222] seinen Jubelschrei und stürzte, den Stock schwingend, auf die Angreifer los.
Uebel hätte ihm dies bekommen können, doch jene hatten ihre Büchsen entladen und sprangen, entsetzt von den vernichtenden Streichen des Mannes, in wildester Flucht davon.
Ihnen nach krachte von neuem Heinrichs Hinterlader.
»Zurück, Michael, zurück!« rief der Graf und gehorsam wandte sich der tapfere Ire um.
Johnson und Athoree waren vorgestürmt, um Michael Hilfe zu leisten, als in wildem Sprunge ein Indianer an ihnen vorübersetzte, der sich in des Irländers Rücken zu weit vorgewagt hatte.
Johnson führte einen Stoß mit der langen Büchse nach ihm, unter dessen gewaltiger Wucht der Mann, in die Seite getroffen, zusammenbrach.
Mit einem Satze war Johnson, der ebensoviel Gewandtheit als Kraft zu besitzen schien, bei ihm. Die eiserne Hand faßte das Genick des Liegenden, und als ob er ein junger Hund wäre, den er im Nacken gefaßt hatte, hob er den stöhnenden Mann empor, reichte dem neben ihm stehenden Athoree die Büchse, faßte die Arme seines Opfers auf dessen Rücken zusammen, warf ihn über die Schulter und sprang nach den Pallisaden zurück, wo Michael eben anlangte.
»Das waren Hiebe aus Leitrim, Ew. Gnaden!« rief der erregte Mann.
»Hinein! Hinein!« rief Johnson.
Sumach war bereits im Fort, dessen Pforte offengestanden hatte, der Graf Edgar folgte mit Michael.
Von neuem erhob sich draußen Geheul, Johnson sprang durch die Türe ins Innere und warf seine Last zu Boden - Athoree ihm nach - Johnson schlug die schwere Türe zu und schob den Riegel vor.
Ein wütender Anprall draußen, dann herrschte Totenstille.
»Laden!« rief Johnson. Es geschah.
Schon sprang Heinrich zum Wall empor, legte sein Gewehr in eine der Schießscharten und feuerte auf schattenhafte Gestalten, welche höllischen Dämonen gleich draußen herumsprangen.
Nachdem Athoree geladen, fesselte er rasch mit Hirschriemen, wie sie jeder Jäger in den Wäldern und besonders jeder Indianer bei sich trägt, den Gefangenen, welcher übrigens bewußtlos dalag, indem er ihm die Arme fest an den Körper band.
Ein Augenblick der Abspannung trat nach der furchtbaren [223]
Erregung, welche der so unerwartete heimtückische Ueberfall hervorgerufen hatte, ein, und auch draußen herrschte nach Heinrichs Schusse tiefes Schweigen. Die wilden Angreifer waren verschwunden.
»Was war das, Johnson?« fragte Graf Edgar leise.
»Blutgierige Wilde, Herr,« entgegnete dieser mit seiner gewöhnlichen sanften Ruhe. »Sie sind zum Morden ausgezogen; Gott sei jeder Menschenseele gnädig, welche in ihre Hände fällt.«
»Aber was ist hier geschehen? Die Türe offen und das Schweigen des Todes über dieser Stätte?«
Ringsum lagen die Leichen der Soldaten zerstreut, aber die tiefe Dunkelheit, verstärkt durch aufgezogene Wolken, verbarg den schaudervollen Anblick und hüllte die Toten in den Schleier der Nacht.
Heinrich kam vom Wall zurück und stolperte über einen in seinem Weg liegenden Gegenstand, er bückte sich, um nach dem Hindernisse in seinem Weg zu sehen, und fuhr zurück, als er zwei Soldatenleichen vor sich sah.
»Hier liegen Tote, Herr Graf.«
Edgar und Johnson traten näher.
»Was ist hier geschehen?« fragte der Graf, von dem Anblick erschüttert.
»Das Fort ist überfallen, ich fürchte, wir werden noch mehr zu sehen bekommen.«
»Sind wir hier vor einem Uebelfall gesichert, Johnson?«
Dieser, der durch seine öfteren Besuche das Fort gut kannte, entgegnete: »Es befindet sich noch eine Pforte am See.« Und rasch schritt er dorthin, der Graf und Heinrich folgten ihm. Sie fanden schon Athoree dort, welcher rasch und vorsichtig den Wall umschritten hatte.
»Tür offen, kommen Ottawas hier herein.«
Trotz des schwachen Lichtes nahmen sie doch die Leichen wahr, welche in wilder Zerstreuung dort übereinander lagen. Auf dem Wasser sahen sie die Boote des Forts und die Kanoes der Indianer schimmern.
»Kommen im Kanoe,« sagte der Indianer, auf die dunklen Punkte im Wasser deutend.
»Wir müssen die Bucht und die Türe verschließen.« Und Johnson begab sich auf der schmalen von Pallisaden eingefaßten Plattform nach dem See zu. Hier war, und Johnson wußte das, ein Verschluß angebracht, welcher den kleinen Hafen von dem See trennte. Dieser Verschluß bestand in einem schwimmenden dicken Balken, dessen obere Seite mit starken und hohen Eisenstacheln versehen war. Als am Morgen dem Kanoe zu landen gestattet wurde, war er geöffnet [224] worden und seitdem nicht wieder verschlossen. Johnson gelang es trotz der Dunkelheit, den Balken in die Lage zu bringen, wo er den Hafen und die darin liegenden Boote sicherte. Er fügte ihn in die dafür bestimmten eisernen Krampen, und da an diesen noch das Schloß hing, bediente er sich desselben, den Balken vollständig fest zu legen.
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