Sumach ließ einen leichten Ausruf vernehmen, worauf Johnson sofort stillstand, ein Beispiel, dem die andern folgten, auch Michael.
»Was gibt's, Sumach?«
»Athoree muß sehen,« sagte die Alte und deutete auf die Erde.
Sie ließ einen leisen, aber sehr durchdringenden Pfiff vernehmen, wie ihn das Eichhorn oftmals hören läßt, der sofort von vornher erwidert wurde. Johnson trat näher und richtete seine Augen auf den Boden: »Das ist die Spur eines Weißen, Sumach, die wir da kreuzen.«
»Weißer Mann, ja. Athoree sehen.«
Eilig schritt dieser schon heran. Seine Mutter unterrichtete ihn von der Entdeckung. Er beugte sich nieder, betrachtete die Spur, welche Edgar und Heinrich nur undeutlich erkannten und über welche [210] sie achtlos hinweggegangen sein würden, selbst wenn sie mit dem Vorsatz ausgezogen wären, sie zu suchen. Der Indianer richtete sich auf und sagte lakonisch, auf die Spur deutend: »Iltis!«
»Iltis? Und dort Burton ermordet? So wirst du wohl recht haben, daß dieser seinen Gefährten meuchlerisch überfallen hat.«
»Er allein, nicht gefährlich. Müssen weiter gehen.«
Er schritt wieder davon und der Zug setzte sich von neuem in Bewegung.
»Diese Spitzbuben vom Muskegon scheinen sich hier ein Stelldichein gegeben zu haben, Heinrich,« sagte Edgar zu diesem. »Die andern Herren werden nicht weit sein.«
»Nun,« entgegnete der Jäger, »begegne ich einem derselben, so will ich ihn die Angst, welche ich bei dem Prairiebrande ausgestanden habe, büßen lassen.«
»Unrecht geschieht ja allem Vernehmen nach keinem von diesen Gesellen, wenn eine Kugel ihn niederstreckt, indessen ist es doch besser, mir gehen ihnen aus dem Wege, wir haben andre Dinge zu tun. Ich muß gestehen, ich habe mir diesen Zug zu den Ottawas leichter vorgestellt, die Leute am Muskegon und der freundliche Mister Baring hatten doch recht, als sie mir einige Gefahr in Aussicht stellten, ob ich gleich keine Ahnung habe, woher sie kommen soll. Welch ein Glück, daß wir Johnson gefunden haben, der in diesen Wäldern zu Hause ist.«
»Es ist ein wildes Land, Herr Graf, und wilde Menschen bewohnen es, rote und weiße. Ich habe mich mehr als einmal mit Wilddieben herumgeschossen, aber das ist doch kein Vergleich gegen ein Feuergefecht in diesen Wäldern. Kommt aber meine Zündnadel in Tätigkeit, so sollen sie auch erfahren, was eine preußische Jägerbüchse leistet.«
»Du hast doch noch Patronen genug?«
»Zwanzig habe ich bei mir und zweihundertfünfzig trägt das Maultier, damit muß ich auskommen.«
Sie schritten schweigend weiter. Dann blieb der Graf etwas zurück, um dem guten Michael, der unfreiwillig schweigend und sich gelegentlich mit dem Maultier veruneinigend einherzog, einige freundliche Worte zu sagen. Mit behaglichem Grinsen nahte sich ihm der Sohn Erins.
»Nun, Michael, wie geht es mit dem Tiere?«
»Es ist eine störrische Bestie, Ew. Gnaden, und ich wollte, ich dürfte ein wenig fluchen, dann sollte es schon besser gehen. Nichts erleichtert die Seele mehr, als ein kräftiges Wort, Ew. Gnaden dürfen mir glauben.« [211]
»Nun, zu Zeiten,« lächelte der Graf, »mag das ja sein. Aber wir dürfen kein Geräusch verursachen; Vorsicht ist geboten, Michael.«
»Aber warum denn nur, Ew. Gnaden? Wir sind doch ganz friedliche Leute und bringen den braunen Menschen Geschenke; wer will uns denn was anhaben?«
»Ich weiß nicht, ob uns eine wirkliche Gefahr bedroht, Michael, obgleich Johnson und dein Freund Athoree nicht ganz ruhig zu sein scheinen. Gleichviel. Tritt etwas Störendes ein, so laß augenblicklich das Maultier laufen und komm zu uns oder wirf dich zu Boden. Es ist bedauerlich, daß du keine Büchse führst.«
»Ach, Ew. Gnaden meinen, weil so ein paar Schufte etwa auf uns schießen könnten? Meiner Mutter Sohn fürchtet sich nicht, vor niemand, auch wenn er kein solch Schießeisen hat, und wenn sie herankommen, so wird mein Shilallah[Shillalah] mit sechsen fertig, darauf können sich Ew. Gnaden verlassen.«
»Das glaube ich dir, Michael, nach der Probe, welche du mit der Bärin abgelegt hast. Hätte ich übrigens gewußt, welche Gefahren uns hier bedrohen könnten, so würde ich dich, der du der Waffen und des Waldes unkundig bist, denselben nicht ausgesetzt haben.«
Michael mißverstand ihn und sagte ganz treuherzig: »Ich werde Ew. Gnaden nicht verlassen und wenn hundert Stück von solchen Strolchen kommen, das tut Michael O'Donnel nicht. Und ich werde, wenn's not tut, für Ew. Gnaden fechten, wie nur der beste Bursche aus Leitrim fechten kann.«
»Nun, es ist recht, mein braver Michael, wir müssen jetzt schon zusammenhalten und uns gegebenen Falles unsrer Haut wehren.«
»Darauf dürfen Ew. Gnaden rechnen,« und der kräftige Paddy schwang seinen schweren Stock, »meiner Mutter Sohn stellt seinen Mann. Nur daß man gar nicht reden darf, ist sehr unangenehm.«
»Es darf nicht sein, Michael.« Auch diese Unterredung wurde in leisem Tone geführt. »Hoffentlich sind wir noch vor Nacht im Fort, da wirst du wohl Gelegenheit finden, deinem irischen Herzen Luft zu machen.«
Der Graf ging wieder an die Spitze des Zuges, als Athoree zurückkehrte und Johnson anredete. Er deutete nach der Seite hin, nach welcher ihr Weg führte, und sagte: »Dort Fluß, tief, wie hinüber kommen?«
»Liegt dort kein Baum quer über das Wasser?« fragte Johnson erstaunt.
»Nicht Baum dort.« [212]
»Sollte ich den Weg verfehlt haben?« Er sah sich aufmerksam um. »Es kann nicht sein,« sagte er dann, »einige Hundert Schritt oberhalb oder unterhalb unsrer Marschlinie muß ein Baum das Wasser überbrücken, ich habe ihn selbst im verflossenen Jahre gefällt.«
»Komm und sieh.«
Beide gingen rasch voran und die andern folgten ihnen in gleichem Schritte. In wenigen Minuten hatten sie das Ufer eines kleinen Flusses erreicht, der, ohne starke Strömung zu haben, ziemlich tief zu sein schien und wohl dreißig Schritt breit sein mochte.
Johnson prüfte die Gegend und sagte dann, stromab deutend, mit Bestimmtheit: »Dort lag der Baum, nicht hundert Schritt von hier.«
»Ihn Frühjahrswasser wegschwemmen? He?«
»Nein, ich bin noch vor drei Monaten hier gewesen, und habe auf ihm den Fluß überschritten, das kann nicht sein.«
Sie gingen das Flußufer hinab.
»Hier lag der Baum,« und Johnson deutete auf eine Stelle, einige Schritte vor sich, wo deutlich der tiefe Eindruck zu bemerken war, den der schwere Stamm des Baumes im Erdreich hinterlassen hatte.
»Was bedeutet das?« sagte Johnson besorgt.
Athoree war einige Schritte vorausgegangen und stieß einen leisen Ruf jäher Ue-berraschung aus. Augenblicklich stand Johnson ihm zur Seite. Beide starrten ernst zu Boden. Auch der Graf und Heinrich kamen heran. Des Indianers Augen funkelten und durchforschten mit den Blicken eines Raubtieres das gegenüberliegende Ufer.
»Was gibt's?« fragte leise Graf Edgar.
Johnson deutete auf tief in dem weichen Boden ausgetretene Spuren, ähnlich denen, welche im Schnee zurückbleiben, wenn zwei hintereinander gehen, und der Folgende sorgfältig in die Fußstapfen des Vorangehenden tritt.
»Was ist es?«
»Die Ottawas sind auf dem Kriegspfade, Herr,« sagte Johnson mit tiefem Ernste.
»Woraus schließen Sie das?«
»Weil sie in indianischer Ordnung marschiert sind, das heißt einer in die Spur des andern tretend. Wenn sie in friedlicher Absicht durch die Wälder ziehen, tun sie das nicht. Gerechter Gott, die Roten auf dem Kriegspfade? das bedeutet Unheil für mancher Mutter Sohn.«
Der Graf betrachtete die tiefe Spur, nicht ohne Besorgnisse aufsteigen zu fühlen, und übertrug Heinrich dann die Worte Johnsons.
Athoree hatte den Boden ringsum durchforscht.
[213]
»Was meinst du, Wyandot?«
»Ottawa Streitaxt ausgraben.«
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