Die Offiziere ließen sich neben dem kleinen Kommandantenhause nieder, in dessen Schatten die Sergeantin mit Hilfe einer Ordonnanz einen Frühstückstisch hergerichtet hatte. Davis und sein Leutnant sprachen herzhaft dem nach amerikanischer Sitte reichlichen Frühmahle zu.
Seit der an Peschewa und seinen roten Gefährten vollstreckten Exekution waren fast vier Wochen vergangen.
Als der gallige Zorn des Kapitäns sich gelegt hatte, sah er wohl ein, daß er nicht nur seine Befugnisse weit überschritten, sondern einen Akt roher Gewalt begangen hatte. Er schämte sich dessen innerlich aufrichtig, und war auch nicht ohne Besorgnis, daß ihm die über das Haupt der Ottawas, welches von der Regierung als solches anerkannt war, verhängte Strafe, da ja auch nicht der Schatten eines Beweises gegen ihn vorlag, an dem Diebstahl der Kühe beteiligt zu sein, erhebliche Unannehmlichkeiten bereiten könnte, wenn sie im Kriegsdepartement bekannt wurde. Er hatte sich von seinem heißen Kreolenblut hinreißen lassen, jene Tat zu begehen, die, bei der Verachtung des Südstaatenmannes gegen alles, was farbig ist, ihm im ersten Augenblick keineswegs unstatthaft erschienen war.
Denn fünfundzwanzig wohlgezählte Peitschenhiebe auf den Rücken dieses roten Gesindels bedeuteten an und für sich nicht viel, und hielten andre sicher ab, sich wiederum dem Fort in diebischer Absicht zu nähern.
Als er aber mit ruhigem Blute den Vorgang betrachtete, sah er nicht nur ein, daß er unrecht getan, sondern auch bei der bekannten Rachsucht der Eingeborenen einen Ausbruch indianischen Zornes gewärtigen könne, den veranlaßt zu haben, eine schwer[e] Verantwortung auf seine Schultern lud.
Seine Besorgnisse wurden durch die offen geäußerten Ansichten seines Leutnants und des alten Sergeanten, welche beide die Indianer besser kannten als er, keineswegs zerstreut.
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Mr. Sounders hatte ihm gesagt, daß er nach dieser Beschimpfung ihres ersten Häuptlings durchaus nicht verwundert sein werde, wenn binnen acht Tagen fünfhundert heulende Wilde das Fort angriffen, um blutige Rache zu nehmen. Der Sergeant hatte ihn ernstlich gewarnt, die Wälle des Forts zu verlassen, da er fest überzeugt sei, daß seit dem Tage der Exekution mehr als eine indianische Büchse auf ihn lauere, daß es unmöglich sei, ihn gegen solch meuchlerische Kugel zu schützen und höchst wahrscheinlich, daß der Mörder sogar entkommen werde, da ihn in diesen Wäldern zu verfolgen für reguläre Soldaten unmöglich sei.
Nicht die seinem Leben drohende Gefahr, denn Kapitän Davis war ein mutiger Mann, aber die, wie er jetzt einsah, nicht fern liegende Möglichkeit, einen Indianerkrieg hervorgerufen zu haben, hatte sehr ernstliche Besorgnisse bei ihm geweckt, die er nicht immer seiner Umgebung zu verbergen vermochte.
Sounders hatte wiederholt mit den geschicktesten seiner Leute die Wälder abgesucht, ohne irgend etwas Verdächtiges zu finden. Auch der Pottawatomie, der die Wunde, welche er bei der Verfolgung von Morris und Tyron durch zu hitziges Vorgehen und Unterschätzung seiner Gegner sich zugezogen, im Fort heilte, hatte mit indianischem Spürsinn, als er hergestellt war, den Wald weit und breit durchforscht, doch mit demselben Resultate wie der Leutnant.
Kapitän Davis zeigte sich mit der ihm eigenen Verwegenheit an der Spitze von Mannschaften oder auch allein außerhalb des Forts, und war sogar sonder Begleitung auf die Jagd gegangen, ohne daß ihm ein Unfall zugestoßen wäre.
Als so etwa vierzehn Tage vergangen, und die von Sounders und dem Sergeanten befürchteten Folgen nicht eingetreten waren, legten sich seine Besorgnisse. Sie schwanden fast ganz, als um diese Zeit ein Häuptling der Ottawas im Fort eintraf, und im Auftrage Kitates die Mitteilung machte, daß Peschewa die Häuptlingswürde niedergelegt habe und Kitate von der großen Ratsversammlung seines Volkes zum ersten Häuptling desselben gewählt sei. Kitate ließ gleichzeitig um Mitteilung des Häuptlingswechsels nach Fort Dunkan[Duncan] und Washington bitten und anfragen, ob der Befehlshaber des Forts Jackson seinen Besuch annehmen wolle.
Davis ließ ihm erwidern, daß er im Fort sehr willkommen sein werde.
Einige Tage später war auch Kitate in Begleitung von zwei andern Häuptern seiner Nation und einigen Kriegern im Fort
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Mit lächelnder Höflichkeit hatte der indianische Diplomat die ihm erwiesenen Aufmerksamkeiten entgegengenommen. Gleichzeitig hatte er dem Kapitän mitgeteilt, daß Peschewa nicht nur die Häuptlingswürde niedergelegt habe, sondern auch aus dem Stamm der Ottawas geschieden sei, leider mit noch einigen Mitgliedern des Volkes, und hierbei sehr energisch betont, daß für etwaige Ausschreitungen Peschewas und seiner Leute gegen die Ansiedelungen oder die Soldaten des Forts keinesfalls die Ottawas verantwortlich gemacht werden könnten, da er nicht mehr zu ihnen gehöre und für alle Zeiten aus ihrem Verbande geschieden sei. Da Kitate mit der Art und Weise der Amerikaner bekannt war, hatte er gebeten, diese seine Aeußerungen zu Papier zu bringen, ein Wunsch, dem willfahrt wurde.
Davis und Sounders waren sehr froh, daß die Gefahr eines kriegerischen Vorgehens von seiten der Ottawas vermieden war, vor Peschewa und der Handvoll Gesindel, welches er allenfalls mit sich führen konnte, fürchteten sie sich nicht. Denn daß er das Fort angreifen werde, war nicht gut denkbar.
Kitate teilte ferner mit, daß fünf seiner jungen Leute, von einer unergiebigen Jagd zurückkehrend, die Kühe geraubt hätten, übrigens ohne Wissen und Willen Peschewas, erbot sich, den Wert derselben zu ersetzen, und teilte mit, daß, nachdem er zum Häuptling gewählt worden sei, er den fünf Kuhdieben befohlen habe, sich im Fort zur Bestrafung zu stellen oder gewärtig zu sein, aus dem Stamm ausgestoßen zu werden, wie es auch ganz der Wahrheit gemäß war. Wiederholt betonte Kitate, der durchaus im Einverständnis mit Peschewa handelte, daß er im Frieden mit den Weißen und dem großen Vater in Washington zu leben wünsche. Die durch Kapitän Davis' übereilte Handlung heraufbeschworene Gefahr war also auf einen etwaigen Racheakt des beleidigten Peschewa zusammengeschrumpft, und diesem glaubte man begegnen zu können.
Kitate zog nach seinem Besuche reich beschenkt davon. Daß er die Geschenke verächtlich in einen Sumpf warf, davon erfuhr man im Fort nichts; man hatte die Gewißheit hier gewonnen, daß eine Störung des Friedens von seiten der Indianer nicht zu befürchten sei.
Einem möglichen Attentate des beleidigten Indianerhäuptlings setzte man jede denkbare Vorsicht entgegen, doch war bis heute auch nicht die unbedeutendste Veranlassung gegeben worden, daß ein solches zu befürchten sei. [189]
Die beiden Offiziere hatten ihr Frühstück beendet. Davis zündete sich behaglich eine Zigarre an und sagte: »Glorioser Tag, Sounders, hört mit ihm die babylonische Gefangenschaft auf, während deren ich oft genug an diesen Wassern saß und beinahe Tränen geweint hätte, kommen wieder zu Menschen. Nein, Sounders, ehe ich mich wieder in die Wildnis schicken lasse, eher quittiere ich den Dienst. Die Monate hier waren martervoll - ist ein Fakt.«
»Ich bin auch durchaus nicht abgeneigt, diese Garnison mit einer andern zu vertauschen, es ist in der Tat etwas einsam hier.«
»Etwas einsam? Wüste Sahara - nichts weiter. Noch ein Vierteljahr länger hier und ich war blödsinnig. Habe eine Idee, Sounders, eine kapitale Idee, denke, wir trinken zur Vorfeier des morgenden Festtages unsre letzte Flasche Champagner.«
»Sollten wir sie nicht lieber bewahren, um Miß Schuyler gebührend zu bewillkommen?«
»Ja, recht, auch gut. Furchtbare Idee des Alten, das Mädchen hier mit in die Wälder zu schleppen, mir ganz unbegreiflich.«
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