Schon wollten diese gehen, als der Sergeant, den sein Mißtrauen nicht verließ, plötzlich fragte: »Wo ist Peschewa, Indianer?«
Ruhig, nicht ohne ein gewisses Staunen über eine allem Bisherigen so fern liegende Frage, entgegnete der Aeltere: »Nicht wissen. Ihm denken, er in sein Wigwam.«
»Du kennst ihn also?«
»Ihm kennen, er großer Häuptling der Ottawa.«
»Und du weißt nicht, wo er sich augenblicklich befindet? Hast nichts von ihm gesehen oder gehört? Mir liegt daran, es zu wissen, habe ihm eine Botschaft zu senden,« setzte er erläuternd auf die erstaunten Blicke des Wilden hinzu.
»Ihm nicht sehen, nicht von ihm hören, nicht Ottawa sehen. Der wohnen dort,« er wies nach Westen, »Pottawatomies dort,« er zeigte nach Norden. »Es ist weit von den Dörfern der Pottawatomies zu denen der Ottawas.«
»Geht nur, Leute,« fiel der Kapitän ein, »und schafft ihr mir zu Mittag Merle, will ich euch loben.«
Die Indianer gingen zu ihrem Fahrzeug zurück und ruderten mit aller Kraft in den See hinein. Davis und Wood erstiegen den Wall. Sie sahen von dort aus, wie die Indianer einen Augenblick inne hielten und eine der im Boote befindlichen Decken in die Luft schwangen. Es mußte ein verabredetes Zeichen sein, denn man bemerkte, wie sich hierauf die in der Ferne weilenden Boote zerstreuten und sich zum Fischfang anschickten.
»Sie sind ja furchtbar mißtrauisch, alter Wood,« sagte, während [197] sie vom Wall herunterschritten, Davis, »der Peschewa muß Ihnen doch eine heillose Furcht einflößen, daß Sie sein Gespenst überall zu sehen vermeinen.«
»Herr Kapitän,« sagte mit tiefem Ernste der alte Soldat, »ich besitze so viel Mut wie jeder andre -«
»Das weiß ich ja, Sergeant, das weiß ich ja,« und der Kapitän klopfte ihm vertraulich auf die Schulter.
»Aber vor indianischen Teufeleien hege ich einen heidenmäßigen Respekt; ich habe Proben davon gesehen.«
Davis, der die Schauergeschichten des alten Soldaten kannte und eine Wiederholung fürchtete, fiel rasch ein: »Nun, fühlen Sie noch Mißtrauen gegen unsre Fischfänger, Sergeant?«
»Nein,« sagte der Alte, »ich wüßte auch nicht, wie ich es aufrecht erhalten sollte, obgleich ich ein beängstigendes Gefühl schon seit einigen Tagen nicht loswerden kann, und ich habe wiederholt in meinem Leben die Erfahrung gemacht, daß wenn dies Gefühl über mich kam, gewissermaßen als Warnung vor kommendem Unheil, mich auch stets ein Unglück bedrohte.«
»Torheit, alter Krieger,« lachte fröhlich der Kapitän, »schweres Blut, nichts weiter. Ich muß Euch einmal dreißig Meilen marschieren lassen, da wird's Euch leichter ums Herz werden. Morgen gehen wir, so Gott will, aus diesen verwünschten Wällen hinaus, und wenn mich wieder einer hineinbekommt, darf er mich den größten Narren nennen, der je in der Union herumgelaufen ist. Munter, Wood, zu Mittag essen wir, wenn die Najaden dieses Sees uns hold sind, Merle; unterrichten Sie Mistreß Wood von diesem ungewöhnlichen Ereignis, damit sie alle Vorbereitungen trifft.«
Der Sergeant ging und versah wie bisher seinen Dienst.
Der Tag schritt langsam vor, für Kapitän Davis um so langsamer, als er die Stunde nicht erwarten konnte, die ihn aus dieser Garnison befreite.
Von Zeit zu Zeit begab er sich auf den Wall und schaute durch sein Glas nach den Kanoes aus. Einige waren immer in Sicht, deren Insassen sich eifrig mit dem Fischfang beschäftigten.
Die Sonne hatte die Mittagshöhe überschritten, als die Schildwache bemerkte, daß die Fahrzeuge der Indianer wieder inmitten des Sees zusammengekommen waren und sich langsam auf das Fort zu bewegten.
Um diese Zeit kehrte auch Sergeant Harrison mit seinen Leuten aus dem Walde zurück, von denen jeder eine Tracht Birkenholz trug.
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Der Sergeant meldete sich bei Davis als vom Holzmachen wieder eingetroffen. Da er auf den Wink des Kapitäns nicht gleich zurücktrat, fragte dieser: »Haben Sie noch etwas für mich, Sergeant?«
»Zu Befehl, Herr Kapitän. Sind da im Walde auf fünf Indianer gestoßen.«
Tavis horchte auf. »Möchten ins Fort?«
»Soviel ich aus dem englischen Kauderwelsch des einen entnommen habe, sind sie von ihrem Häuptling geschickt, um Abbitte zu tun für die entwendeten Kühe. Auch führten sie Felle mit sich, um Ersatz für das Gestohlene zu leisten. So viel habe ich von ihnen herausbekommen.«
»Da hätten wir also die Herren Kuhdiebe. Warum haben Sie die Bursche nicht mitgebracht, Harrison?«
»Ja,« lachte dieser, »der eine, der etwas Englisch sprach, fragte, ob sie gepeitscht werden würden, wenn sie ins Fort kämen. Ich entgegnete ihm, daß das in dem Willen des Herrn Kapitäns läge. Darauf sagte der Mann wieder, wenn sie nicht die Versicherung erhielten, daß sie nicht gepeitscht werden sollten, würden sie nicht kommen, sondern in die Wälder laufen.«
»Was meinen Sie, Sergeant Wood?« wandte er sich zu diesem, der herangekommen war und die Meldung mit angehört hatte. »Sie haben am meisten Erfahrung in diesen Indianerangelegenheiten, was beginnen wir mit den Kuhdieben?«
»Waren die Leute bewaffnet?« fragte dieser seinen Kameraden.
»Büchsen hatten sie nicht, doch haben sie die sicher versteckt, denn ohne solche gehen sie nicht in die Wälder.«
»Der Kitate, oder wie der Mann hieß, hat also doch Wort gehalten, als er versprach, die Spitzbuben hierherzuschicken, um Abbitte zu leisten und Ersatz für das Gestohlene anzubieten. Das ist mir sehr lieb dem Obersten gegenüber, er wird daraus schließen, daß ich trotz meiner derben Behandlung des Peschewa kein übler Diplomat bin, wenn ich auch bei diesem Ausgang der unangenehmen Sache nicht das mindeste Verdienst habe. Wir wollen die Burschen kommen lassen, Wood, ich werde ihnen eine Strafpredigt halten, sie können die Kühe bezahlen und dann wieder laufen. Gehen Sie, Harrison, und holen Sie die Leute herbei.«
Der Sergeant ging.
»Und daß sie nicht mit Waffen ins Fort kommen!« rief ihm Wood noch nach.
»Unbesorgt, ich kenne die Instruktion.«
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»Das ist mir ungeheuer angenehm,« sagte Davis vergnügt, »einen Konflikt mit den Roten meinem Nachfolger zu hinterlassen, wäre mir sehr peinlich gewesen. Das ist ein glücklicher Tag heute. Die Kühe ersetzt, ein Gericht Merle in Aussicht und dazu der fröhliche Abschied morgen von dieser grauenvollen Einsamkeit - solche Tage lobe ich mir.«
Es wurde ihm gemeldet, daß die Boote der Indianer aufs Fort zu kämen.
Der Kapitän begab sich auf den Wall. Die kleine Flottille der Indianer nahte langsam. Er beobachtete sie einen Augenblick durch sein Glas, die Insassen, deutlich erkennbar, ruderten ruhig und sorglos auf das Fort zu.
»Lassen Sie ein Fäßchen Rum und etwas Tabak für die Leute holen, Wood, wir wollen nicht knausern, wenn sie anständige Beute bringen, und das scheint so, die Boote müssen schwer beladen sein. Was geb' ich denn dem Kerl für sein Bärenfell?«
»Ich glaube, für ein Fäßchen Rum bringt ein Indianer drei der schönsten Bärenfelle.«
»Das soll er haben und noch ein paar wollene Decken und Pulver dazu, wir wollen bezahlen, was es hier wert ist.«
»Ich würde die Boote nicht alle landen lassen, Herr Kapitän, es ist genug, wenn die beiden an Land kommen, welche heute morgen da waren.«
»Ich will seinem Rate folgen, Wood.«
Der Sergeant ging, um die erhaltenen Befehle auszuführen. Davis blieb auf dem Walle, um das Herannahen der Kanoes zu beobachten, auch ein Teil der Mannschaft hatte sich hier eingefunden und blickte den Indianern neugierig entgegen.
Die Boote kamen näher, in dem ersten derselben saßen die Männer, welche die Erlaubnis zum Fischen eingeholt hatten.
Der Landungsplatz war in einer kleinen Ausbuchtung gebildet, welche rechts und links von Pallisaden eingefaßt war, um ihn gelegentlich verteidigen zu können.
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