»Wieder holen,« entgegnete kurz der Indianer.
»Bin ganz dafür. Was meint ihr, Fellows, sollen wir der Einladung Peschewas folgen?«
»Selbstverständlich,« sagte Tyron, »werden ja schon hören, was es gibt.«
»Wenn wir nur Büchsen hätten. Habt ihr Waffen, Indianer?«
»Peschewa Büchsen. Warum nicht nehmen Büchse von totem Mann?« [182]
»Meinst du den, der hier wohnt, so viel ich weiß, nennt ihr den Alten so.«
»Nicht ihn,« sagte der Indianer und warf einen scheuen Blick auf die Hütte, »er großer Medizinmann, meinen toten Mann im Walde.«
»Liegt hier einer erschlagen?«
»Er tot, Büchse neben ihm. Warum nicht nehmen?«
»Ja, das sehe ich auch nicht ein. Wo liegt denn der tote Mann, ist es weit?«
»Nicht weit.«
»Nun, so führe uns hin, eine Büchse ist in unserm Zustande nicht zu verachten.«
»Kommen,« sagte der Ottawa, und schritt voran, über den Bach hinweg.
Die drei folgten ihm.
»Ist das beste, was wir tun können, Männer, uns dem Peschewa anzuschließen, meint ihr nicht? Wo Holz gehauen wird, fallen Späne ab, wollen schon zusehen, daß wir genügend davon erlangen. Bin doch neugierig, zu erfahren, was mit dem Peschewa geschehen ist, und was er vor hat.«
Der Indianer führte sie auf geradestem Wege zu der Stelle, wo die Leiche lag, welche unsre Freunde bereits entdeckt hatten.
Sie warfen die Aeste, welche sie bedeckten, zur Seite und starrten mit schreckhaftem Erstaunen in die Züge Burtons.
Morris warf dem Iltis einen merkwürdig fragenden Blick zu, doch dieser bemerkte ihn nicht.
»Burton!« rief er, »segne meine Seele, wie konnte das kommen?«
»Bei Jingo,« sagte Tyron, »ist wie ein Hund von hinten zusammengeschossen worden.«
»Und beraubt,« setzte Morris hinzu, mit einem zweiten Blick auf Iltis. »Hatte er denn Geld bei sich?« fragte er diesen.
»Wenig mehr als ich, hatten zusammen keine vierzig Dollar im Vermögen.«
»Sind die Taschen rein ausgefegt, muß einer getan haben, der's versteht.«
»Wundre mich, daß Burton sich seinen Mörder so nahe kommen ließ. War vorsichtig, der Mann.«
»Hilft kein Klagen, Morris, ist tot wie ein Türnagel. Schade, hätten ihn brauchen können. Ein Glück, daß er uns die Büchse als Erbteil hinterlassen hat.« [183]
Da es in diesen Tagen nicht geregnet hatte, fanden sich die Büchse, Pulverhorn, Kugelbeutel in gutem Zustande vor.
Morris bemächtigte sich derselben und gab seine Soldatenflinte an Tyron.
»Wunderbar,« sagte der Iltis, »als ich ihn am White-River verließ, trug er andre Kleider. Das ist übrigens auch seine Büchse nicht.« Er nahm Morris die Waffe aus der Hand und betrachtete sie. »Ist ganz sicher seine Büchse nicht.«
»Willst am Ende behaupten, das wäre auch Burton nicht?«
»Das ist er sicher genug. Aber wie kommt er zu diesem Rock und dieser Waffe? Und wer kann ihn erschlagen haben?«
»Hat einer von euch den Mann niedergeschossen, Ottawa?« fragte Morris.
»Nicht Ottawa, weißer Mann ihm schießen, sehen Spur.«
Von dieser war nun freilich jetzt nichts mehr zu erblicken.
»Weißer Mann?« Und wiederum streifte ein Blick von Morris den Iltis.
»Am Ende der Alte in dem Shanty dort,« meinte Tyron.
»Nicht toter Mann; finden Spur, nicht seine Spur. Andrer weißer Mann schießen tot, nehmen Geld, gehen in Bach dorthin.« Und er wies stromauf.
»Da muß sich also noch ein Weißer hier herumtreiben.«
»Na,« sagte Tyron, »nützt alles Philosophieren nichts, tot ist tot. Decken wir ihn zu und lassen ihn ruhen. Kann ihm nichts mehr nützen. Hat ein gutes Ende gehabt, war tot, ehe er es wußte.«
»Möchte doch ein Wörtchen mit dem sprechen, der ihn so hinterrücks niedergeschossen hat,« murmelte Morris. »War ein guter Kamerad, der Burton. Schade um ihn.«
Sie deckten die Aeste wieder über den Leichnam.
»Nun führe uns zu Peschewa, Ottawa.«
Darauf schritt der Indianer voran, und rasch und schweigend folgten ihm die drei Banditen.
Elftes Kapitel.
Die Stammlosen.
Ein sonniger, lachender Morgen stieg über Fort Jackson herauf. Vom unbewölkten Himmel fielen goldig des leuchtenden Tagesgestirns Strahlen hernieder und spiegelten sich glitzernd in den stillen Fluten des Chippeway-Sees, der einsam zwischen den schattigen Wäldern lag, einer köstlichen Perle gleichend, deren Schönheit durch dunkle Einfassung gehoben wird.
Kein Ton klang von den Wäldern herüber, es war so still und feierlich, wie an einem Sonntagmorgen, den die Natur mitfeiert.
Weitausgedehnt lag der glänzende See da, dessen östliches Ufer noch in Schatten gehüllt war, während sein westliches im jungen Frührot schimmerte.
Still wie alles ringsum lag auch das Fort da, selbst die beiden Schildwachen auf den Wällen standen bewegungslos, gebannt von der einfachen, erhabenen Schönheit des erwachenden Tages, und sahen, auf ihre Flinten gelehnt, schweigend über den See hinüber.
Erst nach und nach, sowie die Sonne höher stieg, wurde es dort lebendig, die das Ufer bewohnenden Wasservögel tauchten auf und suchten die erste Nahrung, hoch oben kreiste ein mächtiger Fischadler, mit scharfen Augen nach Beute ausspähend, und aus dem Walde her tönte dann und wann der helle Ruf der Spottdrossel oder das Pfeifen eines Eichhörnchens.
Im Fort selbst herrschte Schweigen, wie überall ringsum, alles schien dort noch in tiefem Schlafe zu liegen, selbst aus dem Raume, wo die zur Wache kommandierten Mannschaften weilten, drang kein Laut hervor.
Es war ein Bild solch stillen, sonnigen Friedens, welches sich [185] an diesem Morgen dem Auge bot, daß es auch ein verhärtetes Herz zur Andacht zwingen konnte.
Ein leichter Wind erhob sich, kräuselte die sonnbeglänzte Fläche des Sees und ließ den Wald ringsum im Blättergeflüster rauschen.
Langsam gingen die Wachen auf den Wällen wieder auf und ab.
Geraume Zeit verstrich, während die Sonne höher und höher stieg, ehe sich Bewegung innerhalb des Forts zeigte.
Endlich regte sich's auf der Wache. Mannschaften traten daraus hervor, ordneten sich unter Befehl eines Sergeanten und lösten unter den üblichen Formalitäten die Schildwachen ab.
Jetzt ward es auch in dem langhingestreckten Blockhause, welches als Kaserne diente, lebendig; Soldaten kamen mit Eimern und gingen zum Brunnen, um Wasser zu holen. Bald rauchte auch der Schornstein ihrer Küche, man war augenscheinlich dabei, das Frühstück zu bereiten.
In dem Häuschen, wo der narbige Sergeant Wood wohnte, rührten sich bereits fleißige Hände, denn auch dessen Schornstein zeigte, daß die Sergeantin bereits am Herde tätig war.
Fenster wurden geöffnet und man erblickte Leute, Uniformstücke reinigend, Waffen putzend oder die Schlafsäle in Ordnung bringend.
Immer mehr und mehr entwickelte sich das gewöhnliche Tagestreiben.
Um sechs Uhr trat der Hornist aus der Wachtstube und blies zum Antreten.
In kurzer Zeit stand die ganze Besatzung des Forts, die Wachen ausgenommen, in Reih' und Glied.
Aus dem Hause, welches für die Offiziere errichtet war, ein einstöckiges Gebäude von zierlicherer Form als die andern Baulichkeiten, traten Leutnant Sounders und etwas später Kapitän Davis hervor. Die Sergeanten hatten die Mannschaften verlesen und meldeten jetzt dem Befehlshaber, daß niemand fehle.
Die Soldaten traten nach gehaltenem Appell wieder ab und der Kapitän gab den Unterbefehlshabern seine Tagesbefehle aus.
»Sergeant Harrison, Sie nehmen sechs Mann vom zweiten Zug zum Holzfällen. Schafft noch ein paar Ladungen Brennholz herbei, mein Nachfolger soll alles in bester Ordnung finden.«
»Leutnant Sounders, Sie nehmen sich zwölf Mann vom ersten Zuge mit dem Sergeanten Mulders und machen einen Marsch den See entlang bis zum Blackcreek, dem Obersten entgegen. Den letzten Nachrichten zufolge kann er zwar frühestens morgen hier sein, aber [186] ich kenne Schuyler, er liebt es, zu überraschen, und es ist gar nicht ausgeschlossen, daß er der Kolonne vorauseilt. Sollte er Ihnen begegnen, schicken Sie mir den flinksten Burschen, den Sie haben, hierher zur Meldung. Lassen Sie die Leute Proviant und Munition fassen. Die übrigen Mannschaften werden zum Scheuern kommandiert, damit der Oberst alles in sauberstem Zustande vorfinde. Abtreten!« Die Sergeanten entfernten sich, und zum Leutnant sagte der Befehlshaber: »Nun lassen Sie uns frühstücken. Sounders, es ist zeitig genug, wenn Sie um acht Uhr ausrücken.«
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