»Ja, die arme Bohnenblüte,« nahm eine andre das Wort. »Man muß den Weißen fragen, vielleicht ist er ein Medizinmann. Sie sind klug, die Blaßgesichter. Als mich im vorigen Winter das Fieber schüttelte, gab mir ein Händler seine Medizin und es lief davon.«
»O, wenn er Miskutake helfen könnte,« klagte das junge Mädchen mit sanfter, wohlklingender Stimme, »vor drei Jahren hat ein Blaßgesicht auch meinem kleinen Bruder das Leben gerettet durch seine Medizin.«
»Es ist schade, daß die alte Wyandotfrau nicht die Sprache der Ottawas spricht. Mich dünkt, alle roten Leute sollten eine Sprache sprechen.«
»Warum?« fragte eine andre und warf stolz das Haupt empor. »Was haben wir mit den Wyandots gemein? Die Chippewayvölker sprechen eine Sprache - das ist genug.«
Indem nahte Athoree der Gruppe, welche seine Mutter umgab.
»Will die Mutter nicht Geschenke an die Squaws verteilen? Es wird ihre Herzen erfreuen und ihre Zungen lösen.«
»Gib!« entgegnete lakonisch die Alte.
Er händigte ihr die Gaben, welche sie verteilen sollte, ein.
»Gib acht, Enkel Meschepesches, ich habe gefunden.«
Die Aufmerksamkeit Athorees steigerte sich.
Sumach überblickte die Schar der Frauen und winkte das junge Mädchen zu sich.
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Schüchtern trat dieses heran.
Athorees Mutter schlang ein buntes, seidenes Tuch um ihren Hals und nickte ihr freundlich zu: »Für junge Squaw!« und setzte dann wie vorher rasch in der Wyandot-sprache, aber so, als ob sie noch mit dem jungen Mädchen spräche, hinzu: »Suche, wo sie wohnt.«
Gespannt sahen alle Umstehenden dem Vorgang zu.
Das junge Mädchen ließ einen freudigen Laut hören und sagte mit Wärme: »Die alte Mutter der Wyandots ist gütig, Silimach wird es nicht vergessen,« und huschte eilig davon.
Athoree schlenderte umher, scheinbar achtlos, folgte aber der Davoneilenden mit scharfem Auge.
Sumach begann nun unter großem Jubel der Frauen weitere Geschenke zu verteilen, wesentlich die älteren Frauen dabei bedenkend, und als die Gaben erschöpft waren, die andern vertröstend.
Die Freude dieser einfachen Geschöpfe über die erhaltenen Geschenke äußerte sich auf das lebendigste.
Sie legten sie sofort an und bewunderten sich gegenseitig.
Heiteres Lachen ertönte und lebhaft wurden Worte gewechselt.
Innig dankten sie der alten Sumach. »Welch eine gute Frau bist du? Und wie reich mußt du sein? Wir danken dir! Wir danken dir!« klang es ringsum.
Sumach lächelte freundlich.
Zwei ernstblickende Ottawas standen in der Nähe und sahen dieser Verteilung zu.
»Schwatzt nicht so viel, ihr Weiber,« sagte der eine, »und seht nach euern Kochtöpfen.«
»Willst du uns verwehren, die Geschenke der guten Frau zu nehmen?« fragte hastig eines der Weiber. »Du schenkst uns doch nichts.«
»Ich sage euch, schwatzende Elstern, hütet eure Zungen,« sagte von neuem der Ottawa, »ich weiß, weshalb die Alte euch beschenkt - ich rate euch,« setzte er in drohendem Tone hinzu, »hütet eure Zungen.«
Augenblicklich herrschte tiefes Schweigen in der Frauengruppe und langsam schlich eine nach der andern davon.
Sumach hatte jedes Wort verstanden, lächelte aber freundlich den sich scheu zurückziehenden Frauen nach.
Graf Edgar hatte aus einiger Entfernung das alles mitangesehen.
»Welch große Kinder sind diese Indianer noch,« sagte er zu dem neben ihm stehenden Heinrich.
Johnson war auch außerhalb der Hütte erschienen und erregte bei denen, die ihn noch nicht kannten, Aufsehen, während, trotz aller [361] den Gästen gegenüber geübten Höflichkeit, Männer sowohl als besonders die Frauen ihn scheu zu meiden suchten.
Johnson war daran gewöhnt.
Michael verließ die Hütte indessen nicht und blickte nur verdrießlich hie und da durch die Fenster auf die Wigwams und ihre Bewohner.
Amaqua, der Häuptling, schritt heran und gesellte sich zu Edgar.
»Du große Freude bereitet, Häuptling, Squaw sich alle freuen, Männer auch.«
»Das höre ich gern, ich wünsche, daß die Ottawas freundlich meiner gedenken, wenn ich fern bin.«
Er wanderte dann mit dem Häuptling umher und dieser zeigte ihm die Hütten und Blockhäuser, den See, stellte ihm einige ältere Ottawas vor und bemühte sich, den Gast nach Kräften zu unterhalten.
Als sie zwischen einigen entfernter liegenden Wigwams hindurchschritten, trat aus einem derselben das Mädchen, welches von Sumach beschenkt worden war, und richtete einige Worte an den Häuptling.
Ernst hörte dieser sie an und richtete dann die Frsge an Edgar: »Ist der tote Mann, der dich begleitet, ein Medizinmann?«
»Ein Medizinmann?« fragte dieser erstaunt. »Wenn du darunter einen Arzt verstehst, nein. Mister Johnson ist Landmann, Farmer.«
»Bist du ein Medizinmann?«
Lächelnd entgegnete der: »O nein, ich bin nur Soldat. Warum fragst du?«
»Das junge Weib hier hat eine kranke Mutter und meint, jedes Bleichgesicht müsse ein Medizinmann sein.«
»Ich führe auf der Reise einige Arzneien mit, Häuptling, Heilmittel für Fieber und Wunden, wenn die Frau davon Gebrauch machen kann, stehen sie ihr zu Gebote, aber Arzt oder Medizinmann bin ich nicht.«
Der Ottawa wechselte wieder einige Worte mit dem Mädchen.
»Willst du dir die Frau ansehen? Unser Medizinmann kann ihr nicht helfen.«
»Ich noch weniger, indessen wenn ihr etwas Chinin nützen kann - es steht ihr zu Gebote - allein ich kann es nicht verordnen.«
»Sieh die Frau, komm.«
Auf seinen Wink öffnete das Mädchen den Vorhang, welcher den Eingang deckte, und beide traten in die Hütte.
Auf einem Lager von trockenem Laub, mit Decken und Fellen zugedeckt, ruhte ein abgezehrtes Indianerweib, dessen trübe Augen sich auf den Eintretenden hefteten. [361]
Amaqua redete sie an, und sie erwiderte schwach einige Worte.
Graf Edgar trat näher und faßte ihren Puls, der einen hohen Grad von Fieber verriet.
»Frage die Frau, Amaqua, wo sie leidet.«
Dieser willfahrte und übertrug ihm die Antwort der Kranken.
Aus dieser schien dem Grafen hervorzugehen, daß die Frau an heftigem Wechselfieber litt, und er glaubte es verantworten zu können, wenn er sie Chinin nehmen ließ. Er sagte das dem Ottawa, wiederholt betonend, daß er kein Arzt sei.
Nachdem Edgar mit dem Häuptling den Rundgang vollendet hatte, zog er sich in seine Hütte zurück, nachdem er versprochen hatte, am Abend einer ihm zu Ehren gegebenen Schmauserei beizuwohnen.
Dem jungen Mädchen, welches bei ihm erschien, händigte er einige Chininpulver ein und ließ ihr durch Johnson einschärfen, wie die Mutter sie nehmen sollte.
Als die Kleine hinausging, trat Athoree ins Zimmer.
Ihr nachsehend, sagte er leise zu Edgar: »Das Tochter von Miskutake.«
»Was?« fuhr der Graf empor, »hast du sie gefunden? O, Gott sei Dank. Vielleicht, vielleicht hilft sie zur Lösung des Rätsels.«
»Sumach finden, alte Mutter klug.«
»Aber wie, wie, Athoree, bringen wir die Frau zum Reden? Und weiß sie auch überhaupt etwas?«
»Hier alle wissen; du nicht hören, wie Häuptling Weiber wegschicken von Sumach? Fürchten plaudern, wissen alle etwas.«
»Gut, du belebst meine Hoffnung. Aber wie veranlassen wir die Kranke zum Sprechen?«
»Heute abend essen, he?«
»Ja, Amaqua hat mich eingeladen.«
»Essen, viel trinken. Alle Nebel um Augen, Nebel in Kopf.«
»Du glaubst, sie werden alle betrunken sein?«
»Denke so. Du auch betrunken -«
»Ich?«
»Du nur so tun, Athoree so tun. Nicht betrunken, nur so tun. Wenn Häuptling schlafen, gehen zu Miskutake.«
»Ich verstehe. Aber wenn nun der Wyandothäuptling auch Nebel, vor den Augen hat und den Weg nicht findet?«
»Athoree nicht Nebel, das versprechen. Trinken, doch nicht Nebel.«
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