Mit großem Danke nahm Edgar das Anerbieten an.
Auf den Rat Johnsons ward nun beschlossen, die Abreise für morgen zu bestimmen und den Weg, wie es auch von Anfang geplant war, wenn die Nachforschungen bei den Ottawas kein Resultat ergeben sollten, nach Traverse City zu nehmen, wo sich dann Gelegenheit finden würde, nach der nördlichen Halbinsel Michigans zu gelangen und ihre weiteren Schritte festzustellen.
Später kam Amaqua, der die Folgen des schweren Rausches noch nicht überwunden hatte, um den Grafen zu begrüßen.
Es gelang diesem, eine betrübte Miene zu erheucheln, und er teilte dem Häuptling mit, daß er seine Pflicht erfüllt und traurig morgen von hinnen scheiden werde, weil sein Besuch bei den Ottawas so vergeblich gewesen sei.
Dieser vernahm das nicht ohne innere Befriedigung.
»Gerne gutem Bruder helfen, nicht können.«
Ein Besuch bei der kranken Frau in Begleitung des Häuptlings konstatierte eine merkliche Besserung ihres Befindens.
Für den Nachmittag hatten die Indianer zum Vergnügen ihrer Gäste auf dem See eine Fischjagd mit dem Speer veranstaltet, bei welcher die jungen Ottawas große Gewandtheit entfalteten. Am Abend verteilte Edgar die noch übrigen Geschenke, wobei die kranke Frau nicht übergangen wurde, und am andern Morgen in der Frühe. zog die kleine Karawane nach Norden zu, eine Strecke begleitet von Amaqua und einigen Häuptlingen. Als diese endlich geschieden waren, warf Edgar die mit großer Mühe festgehaltene ernste Miene ab und rief mit vor Freude bebendem Tone Heinrich zu: »Jetzt wollen wir sie finden - Gott wird weiter helfen.«
Achtzehntes Kapitel.
Der Doppelgänger.
Nach fast fünftägigem anstrengendem Marsche war der Konstabel mit Frances und den Soldaten zu den Ansiedlungen gelangt, welche den Traverse-River entlang lagen.
Frances war so erschöpft, daß Weller bei der ersten größeren Farm Halt machen ließ und die Gastfreundschaft der Besitzer für sie anrief.
Es war ein ziemlich ausgedehntes Heimwesen, welches sie betraten, und zeigte stattliche Blockhäuser und umfangreiche, fruchttragende Aecker.
Die wenigen anwesenden Bewohner liefen zusammen, als der Zug sich nahte, denn eine Lady im Reitkleide und reguläre Soldaten waren eine seltene Erscheinung dort.
Zwei athletisch gebaute junge Leute, welche mit Feldarbeiten beschäftigt waren, eilten herbei und starrten die Ankömmlinge neugierig an.
»Hallo, Boys,« rief ihnen der Konstabel zu, »habt ihr einen Unterschlupf für eine Lady, welche müde vom langen Marsche ist?«
»Seid willkommen hier,« sagte der ältere der beiden Burschen, ein Jüngling von vielleicht zwanzig Jahren, freundlich, »seid willkommen auf Wilsons Farm. Seid willkommen alle. Lauf, Henry,« wandte er sich an den Jüngeren, »sage es der Mutter an.«
Flink lief dieser davon auf das Hauptgebäude zu und verschwand in demselben.«
»Kommt näher, Fremde, seid willkommen.« Und er ergriff den Zügel von Frances' Pferd und führte es auf das Haus zu.
Weller und die Soldaten folgten.
Als sie näher kamen, erschien in der Türe eine ältere Frau, [371] die mit nicht geringerem Erstaunen den Zug betrachtete, als ihre herkulischen Söhne.
»Werdet Ihr einer erschöpften Reisenden Gastfreundschaft gewähren, Mistreß?« klang Frances' süße Stimme.
»Seid willkommen, Leute. Mein Gott, aus den Wäldern solch junge Lady? Steigt ab, kommt herein, was wir haben, steht euch zu Diensten. Edward, hilf der Lady aus dem Sattel, Henry, rufe die Mägde, laß sie für die Soldaten sorgen.« Der junge Mann hatte Frances vom Pferde gehoben. Die alte Frau faßte herzlich ihre Hände: »Mein Gott, Kind, wie kommen Sie durch diese Wälder hierher?«
»Sollt alles erfahren, Frau,« ließ sich Weller vernehmen, »laßt die Lady nur erst Atem schöpfen.«
Er stieg ab und die Frau leitete das junge Mädchen sorgfältig ins Haus, wohin Weller folgte.
Die Pferde wurden von den jungen Leuten hinweggeführt, die Soldaten stellten ihre Gewehre zusammen, warfen die Tornister ab und ließen sich an den Bänken am Hause und auf dem kurzen Rasen vor demselben nieder.
Mistreß Wilson führte Frances in ein im Erdgeschoß gelegenes Wohngemach zu einem breiten, wohlgefügten Sessel.
»Setzt Euch, Kind, und ruht Euch, Ihr seid ja ganz erschöpft. Lizzie!« rief sie einem flinken Mädchen zu, welches neugierig in der Türe stand, »laß Kaffee machen und bewirte die Soldaten. Sollt Euch in der Gastfreundschaft von Wilsons Farm nicht verrechnet haben, Fremde.«
Geschäftig nahm sie ihrem Gast den Hut ab.
»Sollt gleich eine Stärkung erhalten, Kind, haben alles hier.«
»Recht, Frau, und habt Ihr auch einen Schluck Rum oder Whisky für einen ausgedörrten Konstabel, so will ich es Euch danken.«
Schon brachte einer der jungen Recken eine bauchige Kruke mit Whisky, kalten Braten und Brot, und der unverwüstliche Weller griff schweigend mit vortrefflichem Appetite zu.
Die Frau ging hinaus und kam zurück mit Tassen, denen bald eine Kanne mit duftendem Kaffee, Butter, Maisbrot und süßes Gebäck, wie es die Landleute vermittelst Honig bereiten, folgte.
Eifrig nötigte sie Frances, zuzugreifen, die der Aufforderung entsprach und auch in der Tat bald die ersten Folgen der Erschöpfung überwand.
Die Frau saß dabei und betrachtete abwechselnd bald die zarte Erscheinung der jungen Dame, bald das martialische Gesicht Wellers, [372] oder warf einen Blick durch das Fenster auf die kriegerische Gruppe draußen, deren einzelne Glieder sich mit Eifer der Vertilgung der ihnen gereichten Erfrischungen hingaben.
Die beiden Söhne hatten sich gleich dem jungen Mädchen, der Tochter des Hauses, eingefunden, um mit verhaltener Neugier ihre wie vom Himmel gefallenen Gäste zu betrachten.
Weller hatte sein Mahl vollendet und stopfte sich behaglich die Pfeife, deren blauer Dampf bald lustig emporwirbelte.
Endlich konnte die Frau die ihr schon lange auf der Zunge schwebende Frage nicht mehr unterdrücken: »Nun sagt mir um des Himmels willen, Fremde, von wo kommt ihr durch die Wälder hierher an den Traverse?«
»Von den Forts, Frau. Haben den Weg verfehlt, hätten den Traverse weiter unten treffen müssen, sind aber fremd in diesen Wäldern. Kommen vom Fort Jackson am Chippeway.«
»Vom Fort Jackson?« fragte lebhaft von neuem die Frau.
»Mit einigen unfreiwilligen Umwegen direkt vom Fort Jackson.«
»So müßt ihr meinen Mann dort getroffen haben?«
»Wer ist Euer Mann?«
»Nun, der Besitzer dieser Farm, Thomas Wilson.«
»Hm, Frau, haben den Mann nicht gesehen. Schon lange fort?«
»Seit zehn Tagen, müßte längst zurück sein.«
»Und der ist nach Fort Jackson gegangen?« fragte mit sehr ernstem Gesicht der Konstabel.
»Sage es Euch ja, Mann, vor zehn Tagen. Habe meinen Bruder dort, wollte mein Mann nach ihm sehen. Läuft gern in den Wäldern herum, der alte Mann.«
»Habt einen Bruder im Fort Jackson, Frau?« Das Gesicht Wellers wurde immer ernster.
»Nun ja. Mein Gott, was seht Ihr mich denn so an?«
»Wie heißt Euer Bruder?«
»Es ist der Sergeant Wood.«
»Segne meine Seele! Frau, Ihr könnt Gott danken, der ist davongekommen.« Die Frau erschrak. »Wie, davongekommen? Von was? Was hat's denn gegeben?« Die Söhne und die Töchter lauschten gespannt und Frances richtete den teilnahmsvollen Blick auf Mistreß Wilson. »Der Wilde war im Fort.«
Die Frau wurde fast so bleich wie das Leinentuch, mit dem der Tisch bedeckt war, und die jungen Leute ließen einen jähen Ruf des Erstaunens hören. »Der Wilde?«
»Seid ruhig, Frau, Euer Bruder lebt. Er ist zwar verwundet, aber kommt davon. Keine Not um ihn.« »Und mein Mann?« fragte die Frau fast tonlos. Weller zuckte die Achseln.
Читать дальше