»Möglich, daß er erst dort eingetroffen ist, als wir fort waren. Wäre er vor uns dagewesen, hätte der Sergeant uns etwas davon gesagt, wußte, daß wir an den Traverse wollten.«
»Aber der Wilde, der Wilde, sagt Ihr, war in den Wäldern und im Fort?« »Leider, Frau, ist viel Blut geflossen dort oben, können Jackson fortan das blutige Fort heißen.«
»Und mein Mann? Mein Mann. Gerechter Gott, mein Mann war ja dort. Mein Mann?«
»Ist den Roten hoffentlich entgangen, hatten es nur auf das Fort abgesehen, haben dort gemordet und sind dann selbst abgeschlachtet worden.«
Die Frau zitterte wie Espenlaub, die Söhne standen, Schreck in den jugendlichen Zügen, mit entsetzensvollen Blicken da. Das junge Mädchen hielt die Hände vor das Gesicht.
Frances stand auf, legte sanft den Arm um die Schulter der in den Stuhl zurückgesunkenen Frau und sagte liebreich: »Faßt Mut, Frau, Ihr werdet Euren Gatten hoffentlich wiedersehen, faßt Mut. Ich kann Eure Sorge würdigen und nachfühlen, denn ich selbst habe Schreckliches dort erlebt und erlitten.« Die Frau ergriff ihre Schürze und weinte leise hinein.
Edward, der älteste der beiden Söhne, trat auf die Mutter zu: »Wir werden uns sofort, wenn die Mutter es erlaubt, nach dem Fort aufmachen, Henry und ich, und nach dem Vater suchen.«
»Recht, Boys,« ließ Weller sich vernehmen. »Könnt mit den Soldaten abziehen, die gehen dorthin zurück. Die Wälder sind jetzt sicher.«
Die ganze Familie war durch die Nachrichten von Fort Jackson in die höchste Aufregung versetzt.
Weller vernahm von den Söhnen, daß sie erst kürzlich erfahren, daß der Mutter Bruder, den diese lange nicht gesehen hatte, zur Garnison von Jackson gehöre, und Wilson, der die Gegend kannte, hatte sich aufgemacht, um den Schwager zu begrüßen.
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Wenn er mit der Bande Peschewas zusammengetroffen war, war es leider zu wahrscheinlich, daß er nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Aber es war kein Grund vorhanden, dies mit zwingender Notwendigkeit anzunehmen, die Wälder sind weit, und der rachsüchtige Ottawahäuptling hatte ein bestimmtes Ziel im Auge. Wenn Wilson ein erfahrener Grenzmann war, wie die Söhne bestätigten, so konnte er der Gefahr wohl aus dem Wege gegangen sein.
Dies letztere teilte er der Frau in seiner ehrlichen herzhaften Weise mit.
Sie faßte wieder Mut unter seinen Trostesworten und wurde ruhiger.
Daß die Söhne sich mit den Truppen nach dem Fort begeben sollten, wurde beschlossen.
Während sie noch redeten, trat ein Mann ins Zimmer mit einem lauten: »Hallo, Wilson! Schläft denn alles hier?« und sah verwundert auf die Gruppe. »Hallo, Mistreß Wilson, was gibt's hier? Draußen Uncle Sams Blauröcke, als ob es in den Krieg ginge, und hier? Alle Wetter, was fehlt Euch, Frau?« Er bemerkte jetzt erst das verstörte Aussehen der Wirtin.
»Ach, Nachbar Boyle - mein Mann -«
»Nun, wo steckt die alte Nachteule?« fragte der Farmer, der in der Nähe ansässig war.
»Mein Mann, Nachbar, ist nach Fort Jackson gegangen - und - und - noch nicht zurück - und -«
Die Frau brach in einen Tränenstrom aus. »Was ist das?« Auf dem Gesicht des Mannes prägte sich lebhaftes Erstaunen aus. »Nicht zurück? Wer denn? Ich habe ihn doch gestern gesehen.«
»Wo? Wen? Meinen Mann? Den Vater?« schrie alles durcheinander.
»Wie ich Euch hier vor mir sehe.«
»Wo denn? Ums Himmels willen, wo denn, Mister Boyle?«
»Am Pinelac.«
»Am Pinelac?«
»Ja, nicht zehn Meilen weit von hier.«
»Und habt ihn gesprochen?«
»Nein. Mistreß Wilson,«
»Habt Ihr Euch auch nicht getäuscht?«
»Aber, Frau, ich bitte Euch, sollte Tom Wilson nicht kennen?« [375]
»Aber warum habt Ihr ihn nicht angesprochen?«
»Ging nicht. War der See zwischen uns. War zwar noch in Anrufsweite, denn der Pine ist dort nicht breit, rief auch, muß es aber nicht gehört haben, denn ritt weiter.«
»Ja, um Gottes willen, warum kommt denn der Mann nicht nach Hause?« rief die Frau, der eine schwere Last vom Herzen gefallen war.
»Kennt doch Euren Tom. Hatte sicher eine Bärenfährte, schien mir so, und dann kommt doch der nicht nach Hause, bis er die Pranken hat. Wird schon kommen, Frau, wird schon kommen. Ist ein alter, leichtsinniger Bursche. Würde ihn kürzer halten, Mistreß Wilson.«
Die schmerzlich sorgenvolle Stimmung war verscheucht und die Frau lächelte über des Nachbarn letzte Worte.
»Nun sage mir, was versetzte Euch in solche Angst um den Tom?«
Man gab ihm die Erklärung, welche der Konstabel durch eine kurze, aber deutliche Schilderung ergänzte.
Boyle wie alle waren entsetzt von den Schreckensnachrichten.
Frances hatte sich auf ihren Wunsch schon früher zurückgezogen und ruhte im Schlafzimmer der Tochter des Hauses aus, und so konnte der Konstabel den entsetzten Hörern ein treues Bild der furchtbaren Vorgänge in dem kleinen Grenzfort geben, ohne von neuem die schmerzlichsten Erinnerungen in ihr wachzurufen.
Nachdem noch hin und her gesprochen war, erhob sich der Farmer, um sich zu entfernen.
»Was mich eigentlich heute herführt, Leute, wollte dem Tom sagen, soll auf seine Pferde acht geben und sein Haus wahren.«
»Was ist das?« Und Weller trat ihm rasch näher.
»Ist in voriger Nacht drüben am Baercreek eingebrochen, zwei Pferde gestohlen, Pulver, Decken und etwas Geld geraubt worden. War heute Browns Junge bei mir, um es anzusagen. Uebernahm es, euch zu warnen.«
»Und die Spitzbuben?« fragte der Konstabel.
»Sind entkommen, haben ihre Spur zu verbergen gewußt.«
»Ich bin hinter einigen dieser Herren her und schließe wohl nicht falsch, wenn ich annehme, daß die Einbrecher dieselben sind, welche ich suche. Bin schon vom Muskegon an hinter ihnen her. Waren auch im Fort, dachte mir wohl, daß sie hier herauf seien, um den Mackinaw zu gewinnen und über den See zu entwischen. Will mich bald ans Werk machen.« [376]
»Seid gewarnt, Leute, mehr konnte ich nicht tun.« Der Farmer entfernte sich, und der Konstabel und die jungen Leute besprachen angelegentlich eine Verfolgung der Räuber, welche sich bereits so unliebsam bemerkbar gemacht hatten.
Am selben Tage lagerten etwa zehn bis zwölf Meilen (englisch) von Wilsons Farm entfernt Morris und der kleine Fred, genannt Iltis, in einem dichten Busche, unweit einer in ihren rohesten Anfängen begriffenen Straße, welche in der Richtung von Süden nach Norden durch die Wälder lief.
Die beiden Gesellen waren trefflich mit Waffen und Decken ausgerüstet und zwei in ihrer Nähe angebundene Pferde bewiesen, daß sie es auch verstanden hatten, sich beritten zu machen.
Trotz der Nähe der Straße, welche freilich einsam genug dalag, schien sich das würdige Paar ganz behaglich zu fühlen. Sie rauchten schweigend, dann und wann nur traf ein Blick die schönen Pferde, und dann kicherte der Iltis leise vor sich hin.
»Nun, was freut dich denn so, mein Bursche, daß du so vergnügt in dich hineingrinsest?« »Was mich freut? Segne meine Seele, das weiß der Mann nicht. Mein Pferd freut mich. Habe es satt bekommen, in diesen verwünschten Wäldern herumzulaufen, sehnte mich schon lange nach einem gutgebauten Pferderücken.«
»Ging mir ebenso, ist ein Fakt. Iltis, du bist der gewandteste Gauner in ganz Michigan. War ein Meisterstreich, wie du uns zu den Pferden halfest.«
»Hihi,« kicherte der kleine Fred und die schwarzen Augen funkelten: »Denke, wie ich unsre Spur verdeckte, war das beste.«
»Ist ein Fakt, Iltis, sollen nach ihren Pferdehufen suchen, diesmal hinterließen wir keine verfolgbare Fährte.«
»Und sieh nur, wie ich meinen Braunen zugestutzt habe. Wo ist die Blässe, der weiße Hinterfuß? Wo die lange Mähne und der bis zu den Flechsen herabhängende Schweif? Mit diesem Gaule reite ich bei seinem jetzigen Aussehen dem Besitzer unter der Nase her und er erkennt ihn nicht.«
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