Die immer noch ganz verstörten jungen Leute folgten instinktmäßig dem kräftigen Anruf und sprangen dem Konstabel nach, rissen ihre Pferde aus dem Stall und sattelten mit großer Eile, gleichwie der Konstabel.
»Die Büchsen!« rief dieser; die Söhne Wilsons liefen ins Haus und rannten fast die in die Tür tretende Mutter um.
»Was gibt's, Kinder? Was gibt's?«
Schon erschienen diese mit den Waffen in der Hand: »Sollst hören, Mutter, wenn wir zurück sind.« Und sie jagten hinter dem Konstabel, welcher schon draußen war, her.
»Wollen uns euern Vater in der Nähe ansehen, Boys,« hatte er noch gesagt.
Die Mutter wie die Soldaten, welche vor dem Hause lagerten, sahen erstaunt der wilden Jagd nach.
Als der Konstabel um das Maisfeld bog, erblickte er den Mann in geringerer Entfernung vor sich, als er erwarten durfte, entweder war dessen Pferd völlig erschüpft, oder ein anderes Hindernis war seiner eiligen Flucht, denn nur so konnte man es nennen, in den Weg getreten.
Und in der Tat war ihm der Sattelgurt geplatzt, denn die Verfolger sahen, wie er den Sattel unter sich hervorriß und diesen in der Hand haltend, auf dem nackten Rücken des Pferdes seinen Ritt eilig fortsetzte.
»Huppih! Boys! Werden ihn gleich haben.«
Die Jünglinge, welche gänzlich verwirrt waren, beschleunigten den Gang ihrer Pferde. Der Verfolgte, dem sie auf etwa fünfhundert Schritt nahegekommen waren, hatte eben den Wald erreicht, in den die Straße hineinlief, als er von dem sattellosen Pferde sank, gleich aber wieder aufsprang, das Tier am Zügel nahm und mit ihm fortlief.
»Huppih! Wir haben ihn.«
Krach, entlud sich im Walde eine Büchse und eine wohlgezielte Kugel sauste dicht an des Konstabels Kopfe vorbei, den älteren der beiden Wilsons an der Schulter streifend.
»Herunter von den Pferden!« Und mit staunenswerter Schnelligkeit sprangen alle drei aus dem Sattel.
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Da sauste auch schon eine zweite Kugel über sie weg.
»Zurück! Hinter jene Bäume!«
Die Pferde zwischen ihren Körpern und dem Walde haltend, gingen sie zurück, bis sie den Schutz der nahen Bäume erreichten.
Die beiden Jünglinge sahen bleichen Antlitzes den Konstabel an: »Was bedeutet das, Herr?«
»Das bedeutet,« sagte Weller ernst, »daß wir dort im Walde die drei größten Schurken in den Staaten vor uns haben, und daß der, den wir verfolgen, nicht euer Vater, sondern der Dieb und Mörder Burton ist.«
»Großer Gott, das ist ja unmöglich, Herr!«
»Die Aehnlichkeit ist eine geradezu wunderbare. Oder glaubt ihr, daß euer Vater vor euch davonlaufen und euch dann mit Kugeln begrüßen lassen würde?«
»Und unser Vater? Unser alter Vater?«
»Wenn euer Vater nicht mehr am Leben ist, was ich fast fürchte - Indianer erschlugen ihn nicht, das weiß ich - diese da vor uns taten es, die kommen vom Fort Jackson, ich bin von dort aus hinter ihnen her.«
Der tiefste Schrecken drückte sich in den Mienen der beiden Jünglinge aus.
Dann aber schrie der ältere mit wilder Gebärde: »Zu Pferd, Henry, nach, wollen ein Wörtchen mit ihnen reden.«
Ehe nur Weller zu Worte kommen konnte, saßen sie im Sattel und sprengten davon.
»Seid wahnsinnig, Menschen, wahnsinnig. Rennt blind ins Feuer.« Dabei bestieg er aber doch sein Pferd und jagte nach.
Leicht war für diese jungen Waldleute die Stelle zu erkennen, wo Burton sein Pferd in die Büsche geführt hatte, und ohne Zögern spornten sie ihre Tiere in den Wald hinein, Weller ihnen nach. »Wahnsinnig! Tollköpfe! Muß nur mit, sonst geschieht ein Unglück.«
Alle drei verschwanden unter den Bäumen.
Es war zwei Tage nach den eben geschilderten Begebenheiten. Nach ohne Störung zurückgelegter Reise nahte sich Graf Edgar mit seinen Begleitern dem See auf ihrem Zuge nach Grand Traverse City, von wo aus er seinen Weg hinüber zur nördlichen Halbinsel zu nehmen gedachte, um die dort wohnenden Saulteux aufzusuchen Sie waren aus dem Walde getreten und ruhten an dessen Rande von anstrengendem Marsche aus.
Vor sich hatten sie eine leicht gewellte Prairie, welche sich bis an die Buchten des Michigan ausdehnte, dessen Spiegel sie vor sich sahen.
An dem Ufer zeigten sich einzelne Blockhütten, wie auch weiterhin einige Wohnhäuser zu bemerken waren.
Graf Edgar war seit der Stunde, in welcher ihm gleich einem durch dunkle Nacht brechenden Lichtstrahle endlich, endlich Nachricht von der Vermißten zu teil geworden war, in gehobener Stimmung; was auch der noch ungelüftete Schleier bergen mochte, es war doch ein greifbares Ziel vor ihm aufgesteckt, das er bald zu erreichen hoffte.
Der Indianer war die Reise über finster und wortkarg gewesen, und der Graf besorgte, daß er sich von ihm trennen werde, was er um so mehr bedauert haben würde, als er die vorzüglichen Eigenschaften des Mannes vollauf zu würdigen Gelegenheit gehabt hatte und drüben vielleicht seiner Dienste dringender als je bedürfte.
Michael war in der heitersten Laune, seitdem sie aus dem Machtbereich der Ottawas sich entfernt hatten. Er meinte, die Leute seien gar nicht so übel, und dem Konstabel, der ihm solche Schreckbilder vorgegaukelt habe, wolle er es schon eintränken.
An Athoree hatte er sich aus gleichem Grunde wiederholt zu reiben versucht, war aber von diesem kurz und finster abgewiesen worden.
Daß er »Seine Gnaden« jetzt nicht verlassen würde, stand fest. Alle Furcht vor Skalpiermesser und Marterpfählen war verschwunden, und Michael bereit, sich von neuem in die finsteren Urwälder und den dichtesten Haufen der Wilden zu stürzen.
Während sie schweigend am Waldesrande lagerten und ihr frugales Mahl verzehrten, richtete sich plötzlich Athoree auf und horchte angestrengt nach rechts hin.
Alle sahen ihn an.
Der Indianer erhob sich ganz und blickte in die Prairie hinaus. Dann deutete er mit dem Arme vor sich hin, durch einen Blick die andern auffordernd, in dieser Richtung auszuschauen.
Alle erhoben sich und erblickten in weiter Entfernung drei Reiter, welche in vollem Jagen auf die Bucht zueilten.
Abwechselnd je nach der Bodengestaltung waren die Reiter sichtbar oder verschwanden für Minuten hinter einer Erdanschwellung, um dem See näher wieder aufzutauchen, immer in derselben eiligen Bewegung. [387]
Während sie noch erstaunt diesem tollen Ritt zusahen, machte des Indianers Gebärde sie auf einen zweiten, stärkeren Reitertrupp aufmerksam, der in gleich rasender Eile dem ersten nachsetzte.
Der Graf nahm sein Glas und richtete es auf die zweite Gruppe, welche wohl mehr als eine Meile hinter der ersten einherritt.
»Das ist der Konstabel,« sagte er staunend, »wen mag er jagen?«
Er suchte dann mit dem Glase die drei Voranjagenden, als sie eben wieder im Gesichtskreise auftauchten, und »Ha!« fuhr er mit einem jähen Ausruf fort, »das ist Morris, das sind die Banditen.«
Athoree erbat sich das Glas und schaute hindurch.
»Das rote Hand und Iltis,« sagte er, das Glas zurückgebend, »Konstabel ihn jagen,« und sprang mit großer Schnelligkeit davon.
Mit größter Spannung verfolgten die Zurückgebliebenen die wilde Jagd.
Es war augenscheinlich, die Verfolgten strebten dem Wasser in der Richtung, wo die wenigen Hütten lagen, zu, und der Indianer lief deshalb ebenfalls dorthin.
»Vorwärts, Männer, Athoree nach, wir wollen versuchen, ihnen den Weg abzuschneiden.«
Und so rasch als tunlich eilten sie dem See zu, nur die alte Sumach blieb zurück.
Eine Zeitlang verschwanden ihnen die Gejagten wie die Verfolger aus den Blicken, als sie aber wieder höher liegenden Boden erreichten, gewahrten sie, wie Morris und seine Begleiter eben ein Boot bestiegen, das Segel entfalteten und vor einem frischen Winde nach Norden zu segelten, zu der sich nach dieser Himmelsrichtung öffnenden Bucht hinaus.
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