Der Wink des Sheriffs brachte zwei seiner Gehilfen an die Thüre, welche ihrer Seits sechs oder sieben der Constabeln auswählten. Mit dieser Macht versehen, ging Richard durch das Dorf voran auf das Seeufer zu, ohne daß die Stille der nächtlichen Wanderung durch andere Töne, als durch das Bellen eines oder des anderen, durch die gemessenen Schritte der Polizeimannschaft beunruhigten Kettenhunds oder durch das leise Gemurmel des Häufleins unterbrochen wurde, welches einige behutsame Fragen und Antworten hinsichtlich des Zwecks seiner Expedition wechselte. Als sie die kleine hölzerne Brücke, die über den Susquehanna führte, hinter sich hatten, bogen sie von der Straße ab und nach dem Felde ein, welches der Schauplatz des Sieges über die Tauben gewesen war. Von hier aus folgten sie ihrem Führer in das niedrigecFichten- und Kastaniengebüsch, welches längs der Seeufer, wo der Pflug die Bäume noch nicht verdrängt hatte, aufschoß, und bald betraten sie den Wald selbst. Hier machte Richard Halt und sammelte seine Schaar um sich.
„Ich habe euern Beistand aufgeboten, meine Freunde,“ begann er leise, „um Nathanael Bumppo, gemeiniglich Lederstrumpf genannt, zu verhaften. Er hat eine Magistratsperson thätlich mißhandelt und sich der Vollziehung eines Hausdurchsuchungsbefehls widersetzt, wobei er das Leben eines Constable mit seiner Büchse bedrohte. Mit einem Worte, meine Freunde, er hat das Beispiel einer Auflehnung gegen die Gesetze gegeben und ist somit gewissermaßen vogelfrei. Da noch außerdem der Verdacht anderer Vergehen gegen Privatrechte auf ihm lastet, so erachte ich es für meine Pflicht, kraft meines Amts als Sheriff, besagten Bumppo noch in dieser Nacht fest zu nehmen und in das Bezirksgefängniß zu bringen, damit er gegenwärtig sey, für diese schweren Anklagen in der morgenden Sitzung Rede zu stehen. Um dieß zu vollziehen, meine Freunde und Mitbürger, bedarf es des Muthes und der Vorsicht — des Muthes, damit ihr euch nicht durch was immer für gesetzlose Versuche dieses Mannes, der uns vielleicht mit seiner Büchse Widerstand leistet, einschüchtern laßt; und der Klugheit, die hier besonders in Vorsicht bestehen muß, damit er nicht unserem plötzlichen Angriff entrinne; auch sind noch weitere gute Gründe vorhanden, deren ich hier nicht zu erwähnen brauche. Ihr werdet daher seine Hütte umzingeln und auf meinen lauten Ruf ,vorwärts‘ vordringen, seine Wohnung mit Gewalt öffnen und ihn zum Gefangenen machen, noch ehe der Verbrecher zur Ueberlegung Zeit findet. Vertheilt Euch daher zu diesem Zwecke, während ich mit einem Gehilfen an's Ufer hinuntersteige, um diesen Punkt zu bewachen. Ich werde mich unter dem Damme vor der Hütte aufstellen, wohin alle Mittheilungen an mich persönlich zu ergehen haben.“
Diese Rede, welche Richard auf dem Herwege ausstudirt, hatte die Wirkung aller ähnlichen rhetorischen Productionen nämlich die, seinen Streitern die Gefahr des Unternehmens recht lebhaft zu Gemüthe zu führen. Die Männer vertheilten sich, indem sich die einen tiefer in den Wald zogen, um ohne Aufsehen an ihre Posten zu gelangen, und die andern vorwärts schnitten, aber so langsam, daß der Zug recht wohl Ordnung halten konnte; überhaupt waren alle Vorkehrungen so getroffen, daß man den Angriff eines Hundes abschlagen oder aber einer Büchsenkugel ausweichen konnte. Es war ein Augenblick der ängstlichsten Erwartung und des gespanntesten Interesses.
Sobald der Sheriff glaubte, es sey nun Zeit genug verflossen, um es der Executionsmannschaft möglich zu machen, die angewiesenen Posten einzunehmen, unterbrach seine Stimme das Schweigen des Waldes, indem es das Losungswort brüllte. Die Töne spielten unter den Bogen der Bäume in hohlen Cadenzen hin; aber als der letzte Laut vor dem Ohr verklungen war, ließ sich statt des erwarteten Hundegeheuls nichts anderes vernehmen, als das Krachen einknickender, trockener Baumzweige unter den Füßen der vorrückenden Polizeibeamten. Doch auch dieses hörte, wie in Folge allgemeiner Uebereinkunft, bald auf, und nun gewannen bei dem Sheriff Neugierde und Ungeduld so vollständig die Oberhand über die Klugheit, daß Richard den Damm hinan eilte und in einem Augenblick auf dem kleinem, gelichteten Grunde vor der Stelle stand, wo Natty so lange gelebt hatte. Aber zu seinem größten Erstaunen sah er statt einer Hütte nichts als rauchende Trümmer. Das Executionspersonale sammelte sich allmählig um den Aschenhaufen und die glimmenden Holzblöcke, während eine schwache Flamme im Mittelpunkt des Brandplatzes, die noch Nahrung genug fand, um ihr zögerndes Leben zu fristen, ein bleiches Licht um sich goß, wenn sie in den vorübergehenden Strömungen der Luft aufflackerte und bald die erstaunt sich ansehenden Gesichter schauen ließ, bald dieselben wieder in nächtliche Dunkelheit begrub. Keine Stimme erhob sich, um zu fragen oder Verwunderung auszudrücken. Der Uebergang von der Aufregung zur Täuschung war zu gewaltig, um Worten Raum zu geben, und selbst Richard verlor den Gebrauch eines Organs, das ihm nur selten den Dienst versagte.
Die ganze Gruppe war noch in voller Verwunderung, als eine hohe Gestalt aus dem Dunkel in den Kreis trat und die heiße Asche nebst den hinsterbenden Funken mit dem Fuße niederdrückte: sie stand mit abgenommener Mütze über dem Lichte und ließ das unbedeckte Haupt und die verwitterten Züge Lederstrumpfs unterscheiden. Er sah einen Augenblick auf die ihn umgebenden schattenhaften Figuren mit einem Gesichte, in welchem sich eher Kummer als Unwillen aussprach, und begann sodann; „Was wollt ihr von einem alten hülflosen Manne? Ihr habt die Geschöpfe Gottes aus der Wildniß vertrieben, wohin sie der Wille Seiner Vorsehung versetzt hat, und die Beunruhigungen und Teufeleien des Gesetzes in eine Gegend gebracht, wo seit Menschengedenken nie ein Mensch den andern beunruhigte. Ihr habt mich, der ich vierzig lange Jahre der mir beschiedenen Zeit an diesem Orte verlebte, um Haus und Obdach gebracht, die ich in Brand steckte, damit nicht eure verderbenbringenden Tritte und Moden meine Hütte befleckten. Ja, ihr habt mich gezwungen, diese Holzblöcke anzuzünden, unter denen ich fast ein halbes Jahrhundert die Gaben des Himmels genossen und meinen Trunk aus der klaren Quelle geholt habe, und nun traure ich ob der Asche unter meinen Füßen, wie ein Mann weint und trauert um die Kinder seines Leibes. Ihr habt das Herz eines alten Mannes, der euch und den Eurigen nie etwas zu Leide gethan, mit bitteren Gefühlen gegen sein Geschlecht erfüllt, und zwar zu einer Zeit, wo seine Gedanken einer besseren Welt zugekehrt seyn sollten; ihr habt ihn zu dem Wunsche getrieben, daß er zu den Thieren des Waldes gehören möchte, die sich doch nie an dem Blute ihres eigenen Geschlechtes letzen, und nun er zurückkehrt, um den letzten Brand von seiner Hütte zu sehen, ehe er sich vollends in Asche verzehrt, folgt ihr ihm zur Mitternachtsstunde, wie hungrige Hunde der Spur eines abgehetzten und sterbenden Hirsches. Was wollt ihr von mir? Hier bin ich — Einer gegen viele. Ich komme, um zu trauern, nicht um zu kämpfen; und wenn es einmal Gottes Wille ist, so verfahrt mit mir nach Eurem Gefallen.“ Als der alte Mann geendet hatte, sah er die Gruppe ernst an, während die aufzuckende Flamme ein mattes Licht auf sein fast kahles Haupt warf. Die Verfolger traten unwillkührlich von dem Brandplatze in die Dunkelheit zurück, und ließen dem alten Mann einen freien Ausweg zur Flucht in das Gebüsch, wo ein Nachsetzen im Finstern fruchtlos gewesen wäre. Natty schien dieses Vortheils nicht zu achten, denn er betrachtete jedes Individuum des Kreises der Reihe nach, als wolle er sehen, wer der erste sey, der Hand an ihn legte. Nach einer kurzen Pause begann Richard seine verwirrten Fähigkeiten wieder zu sammeln; er trat vor, entschuldigte sich mit seiner Pflicht und nahm den Alten gefangen. Die Uebrigen schlossen sich an ihn an, nahmen Natty in ihre Mitte, und so schlug der Zug, von dem Sheriff angeführt, die Richtung nach dem Dorfe ein.
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