«Nur noch eines, Sir. Sie sagten eben: >Ich hätte mich genauso verhalten müssen.<���»
Bolitho runzelte die Stirn.»Sagte ich das?»
«Jawohl, Sir. Und ich danke Ihnen für dieses Wort. Aber da ich nun weiß, wie gut das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Männern ist, fiel mir auf, daß >müssen< das Schlüsselwort war. Sie sagten nicht: >Ich hätte mich genauso verhalten<. Da ich vorher noch nicht das Glück hatte, unter Ihnen zu dienen, hat mir dieser feine Unterschied die Augen geöffnet.»
«Aber jetzt dienen Sie unter mir, Kapitän Emes«, antwortete Bolitho,»also lassen Sie es dabei bewenden.»
Als Emes ging, trat Browne lautlos und mit neugierig funkelnden Augen in die Kajüte.
Bedrückt sagte Bolitho:»Emes sollte hier Admiral sein, Oliver, nicht ich. «Dann schüttelte er sich und sah der Wahrheit ins Gesicht. Emes hatte recht gehabt. Vielleicht hatte er sich mit dem Wort >müssen< unbeabsichtigt verraten. Denn insgeheim wußte er, daß er an Emes' Stelle ohne Rücksicht auf Vernunft der sinkenden Styx zu Hilfe geeilt wäre. Aber daß Emes sich richtig verhalten hatte, war ebenso wahr.
Browne räusperte sich diskret.»Ich merke schon, Sir, daß Sie einiges zu erklären haben werden.»
Er hielt die Tür für Bolitho auf, und in diesem Augenblick kam Pascoe im Sturmschritt durch den Vorraum geeilt.
Einige Augenblicke standen Onkel und Neffe sich nur wortlos gegenüber, dann brach es aus Pascoe hervor:»Ich kann dir gar nicht sagen, Onkel, mit welchen Gefühlen ich die gute Nachricht aufgenommen habe. Ich dachte. Als wir nichts hörten. Wir alle dachten.»
Bolitho legte dem jungen Leutnant den Arm um die Schultern und führte ihn zu den Heckfenstern. Vor ihnen lag die leere See, da Phalarope schon abgefallen war und die Kimm freigegeben hatte.
Auch die Rangabzeichen eines Leutnants konnten nicht verhindern, daß Bolitho in Adam den jungen Midshipman wiedererkannte, der einst auf seiner alten Hyperion den Dienst bei der Kriegsmarine angetreten hatte. Sein schwarzes Haar, das er neumodisch kurz geschnitten trug, war noch immer so störrisch wie damals, und seih Körper fühlte sich so mager an, als brauche er sechs Monate der guten Küche von Falmouth, um wieder etwas Fleisch anzusetzen.
«Adam, du mußt wissen, daß ich von deiner Versetzung auf die Phalarope nicht gerade beglückt war«, begann Bolitho.»Obwohl ich zugebe, daß die Chance, mit einundzwanzig Jahren Erster Offizier zu werden, auch einen Heiligen in Versuchung führen könnte. Und ein Heiliger bist du wahrhaftig nicht. Kapitän Emes hat mir von Fortschritten deinerseits nichts berichtet, aber ich hege keinen Zweifel, daß. «Er brach ab, weil Pascoe herumfuhr und ihn ungläubig anstarrte.
«Aber, Onkel! Hast du ihn etwa nicht abgesetzt?»
Bolitho hob die Hand.»Du bist mein Neffe, und wenn man mir die Pistole auf die Brust setzt, gebe ich zu, daß ich dich gerne mag.»
Aber so leicht kam er diesmal nicht davon. Pascoe ballte die Fäuste, seine dunklen Augen blitzten, als er ausrief:»Er hat dich dem sicheren Tod ausgeliefert! Zuerst konnte ich es gar nicht glauben! Ich habe ihn angefleht, ich wäre vor ihm fast auf die Knie gefallen!«Heftig schüttelte er den Kopf.»Nein, Emes taugt nichts, weder für deine Phalarope noch für ein anderes Schiff!»
«Wie hat die Crew der Phalarope reagiert, als Kapitän Emes ihr befahl, auf den anderen Bug zu gehen und vom Feind weg zu laufen?»
Die Frage brachte Pascoe aus dem Konzept.»Sie gehorchten natürlich. «Er hob den Blick.»Einerlei! Sie kannten dich eben nicht so, wie ich dich kenne, Onkel.»
Bolitho packte den Jungen an der Schulter und schüttelte ihn sanft, aber eindringlich.
«Was du da sagst, macht dich mir noch lieber, Adam, aber du begreifst doch, daß es meinen Standpunkt rechtfertigt? Ganz genauso habe ich es gerade deinem Kommandanten erklärt.»
«Aber.»
Bolitho ließ Pascoe los und lächelte bedauernd.»Und jetzt spreche ich nicht als Onkel zum Neffen, sondern als Konteradmiral, der dieses Geschwader befehligt, zu einem meiner Offiziere, der noch dazu ziemlich vorlaut ist. Emes hat sich nach bestem Wissen verhalten. Er ließ sich von seiner Beurteilung der Lage auch nicht durch die Überlegung abbringen, daß die Leute ihn verdammen würden. Wir können den Charakter des Mannes an der Spitze nicht immer kennen und mögen, genausowenig wie ich noch den Vorzug genieße, das Gesicht jedes Seemanns oder Soldaten unter meinem Kommando zu kennen.«»Das leuchtet mir ein.»
Bolitho nickte.»Gut. Ich habe genug Probleme, auch ohne daß du einen Privatkrieg mit deinem Kommandanten führst.»
Pascoe lächelte.»Das kommt schon in Ordnung, Onkel, ich verspreche es dir.»
Aber Bolitho war noch nicht zufrieden.»Ich meine es ernst, Adam. Emes ist dein Vorgesetzter, und du bist es ihm schuldig, dich mit ganzer Kraft und nach bestem Wissen für das Wohl des Schiffes einzusetzen. Solltest du fallen, darf zwischen der Besatzung und dem Kommandanten keine Kluft entstehen. Ein Erster Offizier hat die Brücke zu schlagen zwischen dem Achterschiff und dem Mannschaftslogis, und diese Brücke muß so fest sein, daß sie ihn überdauert. Sollte Emes fallen, muß die Besatzung dich als ihren Anführer akzeptieren und respektieren und nicht irgendwelche kleinlichen Streitereien aus der Zeit davor im Gedächtnis haben. Was ich sage, stimmt, Adam.»
«Sicherlich, Onkel. Trotzdem.»
«Herrgott, du wirst noch genauso stur wie Herrick. Und jetzt fort mit dir, zurück auf dein Schiff, und der Himmel sei dir gnädig, wenn ich drüben bei euch irgendwelche Laxheiten entdecke. Denn ich weiß nur zu gut, an wen ich mich dafür zu halten hätte!»
Diesmal grinste Pascoe übers ganze Gesicht.
«Danke, Onkel.»
Gemeinsam gingen sie aufs Achterdeck hinaus, wo Herrick in unbehaglichem Schweigen neben Kapitän Emes wartete.
«Der Wind frischt auf, Sir«, berichtete Herrick.»Darf ich vorschlagen, daß die Gig von Phalarope längsseits gerufen wird?«Er warf Emes einen schrägen Seitenblick zu.»Sollte mich nicht wundern, wenn ihr Kommandant so bald wie möglich auf sein Schiff zurückkehren möchte.»
Pascoes Blick glitt einmal zwischen den beiden hin und her, dann trat er forsch auf seinen Kommandanten zu.
«Vielen Dank, daß ich Sie begleiten durfte, Sir.»
Emes musterte ihn argwöhnisch.»Das war doch eine Selbstverständlichkeit, Mr. Pascoe.»
Bolitho wollte die enge Vertrautheit mit seinem Neffen noch einen Augenblick länger genießen.
«In Gibraltar habe ich Belinda Laidlaw getroffen«, berichtete er und spürte, wie ihm unter Pascoes überraschtem Blick das Blut ins Gesicht schoß.»Sie ist jetzt auf der Heimreise nach England.»
Pascoe lächelte.»Verstehe, Onkel — äh, Sir. Das wußte ich nicht. Es war sicher ein sehr erfreuliches Wiedersehen. «Sein Blick wanderte vergnügt von Bolitho zu Herrick.
Die Offiziere tippten zum Abschied grüßend an ihre Hüte, dann stieg Emes hinter Pascoe in die wartende Gig hinunter.
Wütend flüsterte Herrick ihnen nach:»Unverschämter junger Lümmel!»
Mit ernstem Gesicht wandte sich Bolitho ihm zu.»Weshalb, Thomas? Ist mir etwas entgangen?»
«Tja, äh, Sir, ich wollte sagen. «Herrick verstummte verwirrt.
Über ihnen beugte sich Wolfes mächtige Gestalt vor.»Gestatten Sie, daß wir das Schiff wieder in Fahrt bringen, Sir?»
Bolitho nickte knapp.»Gestattet. Ich fürchte, dem Kommodore hat es die Sprache verschlagen.»
Damit schritt er nach Luv hinüber, während die Deckswache wieder einmal an die Brassen und Schoten eilte.
Bewölkung war aufgezogen, es herrschte ein kurzer, steiler Seegang. Möglicherweise braute sich Schlechtwetter zusammen.
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