Es geht wieder los, dachte sie. Und Billy ist weg. Sie öffnete den Umschlag und zog das Blatt heraus, das darin steckte.
Ich bin im Schlafzimmer.
Die Worte sprangen sie förmlich an und trafen sie wie ein Keulenschlag. Er war wieder da. Es war noch nicht vorbei.
Er war wieder da - und er war hinter ihr her.
Mit zitternden Händen öffnete sie die oberste Schublade gleich neben der Spüle. Sie holte ein Tranchiermesser heraus, umklammerte es fest und hielt es vor sich, während sie über den Flur zum Schlafzimmer ging, bereit, bei der geringsten Bewegung zuzustechen. Sie wusste, wie dumm und lächerlich der Versuch war, es allein mit dem Postboten aufzunehmen - sie sollte zu einem Nachbarhaus laufen und die Polizei rufen -, aber er war zu weit gegangen. Trish hatte ihre Grenze erreicht, und sie wollte verdammt sein, wenn sie es zuließ, dass dieses Ungeheuer sie alle noch weiter terrorisierte.
Wenn er hier war, würde sie ihn umbringen.
Sie würde ihm seine verdammte Kehle durchschneiden.
Er war nicht im Schlafzimmer. Das Messer in der Hand und bereit, jederzeit zuzustoßen, sah Trish im Schrank nach und schaute unter das Bett. Nichts. Sie steckte den Kopf ins Badezimmer. Alles leer. Sie wusste, dass er weder in der Küche noch im Wohnzimmer war, weil sie in beiden Räumen gewesen war.
Blieb nur das Loft.
Trish glaubte, oben einen Schritt knarren zu hören. Lauf weg, schrie ein Teil ihres Verstandes - der vernünftige Teil. Sieh zu, dass du hier rauskommst. Doch sie umklammerte das Messer noch fester und ging durch die Küche und das Wohnzimmer zur Treppe. Es war Tag, aber der obere Teil der Treppe lag wie immer im Schatten.
Trish schlich nach oben, so leise sie konnte; ihre Fingerknöchel am Messergriff waren weiß. Sie hatte beinahe den oberen Treppenabsatz erreicht und den Kopf eingezogen, damit er nicht sehen konnte, dass sie sich näherte, als sie den Fuß auf eine lose Treppenstufe setzte. Die Stufe knarzte. Trish erstarrte und hielt den Atem an, doch aus dem Loft kam kein Geräusch. Sie hielt das Messer vor sich und sprang die letzten fünf Stufen hinauf.
Das Loft war verlassen. Es war niemand dort.
Immer noch das Messer in der Hand, durchsuchte sie rasch den Kleiderschrank und den Bereich hinter Billys Bett, aber der Raum war leer.
Er war weg.
Es war niemand im Haus.
Trish ging wieder nach unten. Im Wohnzimmer spähte sie aus dem Fenster und suchte nach irgendetwas Auffälligem auf der Auffahrt und in den Sträuchern und Bäumen in der Umgebung, doch die Ruhe auf dem Grundstück wurde nur von zwei Eichelhähern gestört, die sich zankten. Sonst war kein Geräusch zu hören, keine Bewegung zu sehen. Noch einmal überprüfte Trish die Vordertür, dann die Hintertür. Nachdem sie festgestellt hatte, dass beide abgeschlossen waren, entspannte sie sich ein wenig.
Erst jetzt spürte sie den Druck auf ihrer Blase, und sie ging ins Bad, wobei sie immer noch das Messer in der Hand hielt. Sie würde kein Risiko eingehen - vielleicht hatte sie den Postboten bei ihrem eher oberflächlichen Blick nach draußen übersehen. Er hätte sich unter einem Strauch oder hinter einem Baum verstecken können, weil er wusste, dass sie nicht aus dem Haus kommen würde, um ihn zu suchen. Vielleicht horchte er gerade jetzt an der Tür, wartete auf einen Augenblick wie diesen, um hereinzukommen und anzugreifen.
Trish ließ die Badezimmertür offen, zog rasch ihren Slip herunter und setzte sich auf die Toilette.
Der Postbote trat aus der Dusche.
Trish schrie in Panik auf, ließ das Messer fallen und griff dann hastig nach unten, um es wieder aufzuheben. Der Postbote trat auf die Klinge. Sein glänzender schwarzer Schuh verdeckte die Schneide vollständig. Er trug seine frisch gebügelte Postuniform, doch Trish konnte die Ausbeulung vorn an seiner Hose sehen, als er direkt vor ihr stand. Mit einer Hand bedeckte sie ihren Schoß und hielt die andere zitternd vor sich, um ihn wegzuschieben.
Sie hatte nicht zu schreien aufgehört, aber das schien ihn nicht zu stören. Er grinste sie an. »Hübsche Muschi«, sagte er, und die Derbheit seiner Worte, gepaart mit der glatten Sanftheit seiner Stimme, ließ Trish erschaudern.
Warum hatte sie die Dusche nicht überprüft?
Er bückte sich, um das Messer aufzuheben, und instinktiv sprang Trish von der Toilette auf und flüchtete kreischend aus dem Badezimmer. In dem engen Raum vor der Tür prallte ihr Körper gegen seinen, und für einen Übelkeit erregenden Augenblick, als sie an ihm vorbeihuschte, spürte Trish, wie sein hartes Glied sich durch den Stoff gegen ihre nackte Haut presste. Sie hastete über den Flur ins Schlafzimmer und knallte die Tür ins Schloss. Ihr Blick huschte durch den Raum, als sie nach irgendetwas suchte, das sie als Waffe benutzen konnte.
Draußen im Flur hörte sie ein Klappern, als der Postbote das Messer über den Flur in die Küche schleuderte.
Offensichtlich wollte er sie nicht umbringen.
Was wollte er dann?
Trish drückte die Schulter gegen die Schlafzimmertür und stieß unwillkürlich einen Laut animalischer Angst aus. Sie hatte zu viel Angst, das Zimmer zu durchqueren und zum Telefon zu gehen. Das Türschloss war billig und schwach. Wenn sie nur eine Sekunde lang den Druck verringerte, wäre er im Zimmer.
Bei ihr.
Trish knirschte mit den Zähnen. Sie war entschlossen, sich nicht von ihrer Angst überwältigen zu lassen. »Verschwinden Sie aus meinem Haus«, befahl sie, doch ihre Stimme bebte und war kraftlos. »Verschwinden Sie. Sofort.«
»Du willst es doch auch«, sagte er kühl und gelassen. »Du weißt, dass du es willst.«
»Verdammt, hauen Sie ab!«, schrie Trish. »Ich rufe die Polizei.«
Seine Stimme fiel um eine Oktave und hatte nun einen vieldeutigen, intimen Tonfall. »Soll ich deine Post an der Hintertür zustellen ...?«
»Hilfe!«, schrie Trish mit aller Kraft, die ihre Lunge aufbrachte. Sie wollte, dass ihr Schrei laut und durchdringend klang, ein Schrei schierer Panik und greller Wut, doch er war beinahe ein Schluchzen, das von Verzweiflung verzehrt wurde. Trish verstummte augenblicklich. Sie wollte nicht, dass der Postbote ihre Schwäche spürte; sie wollte diesem Monstrum vor der Tür keinen Zentimeter nachgeben.
»Magst du Blut?«, fragte der Postbote mit derselben tiefen, intimen Stimme. Er war direkt hinter dem Türspalt, und sie konnte das Geräusch seiner trockenen Lippen hören, die er beim Sprechen aufeinanderpresste. »Magst du warmes, dickes, salziges Blut?«
»Hilfe!« Diesmal war Trishs Stimme kaum mehr als ein Schluchzen. Als Antwort hörte sie das tiefe Kichern des Postboten.
Und das Geräusch eines Reißverschlusses, der heruntergezogen wurde.
»Du weißt, dass du es willst«, wiederholte er.
Trish hielt den Atem an.
Sie hörte ein leises, klatschendes Geräusch.
Er spielte an sich selbst herum.
»Billy bekommt seine Post gerne im Obergeschoss und an der Hintertür zugestellt.«
Diese Worte gaben Trish die Kraft, die ihr bisher gefehlt hatte. Grelle Wut loderte in ihr auf. »Du Hurensohn!«, schrie sie. »Wag es ja nicht, ihn anzufassen!«
Von außerhalb des Hauses, von der Rückseite, hörte sie Dougs Stimme. »Trish!« Dann noch einmal: »Trish!« Seine Stimme wurde schnell lauter: Er rannte, und Trish hörte Furcht und Wut in seiner Stimme.
Irgendetwas war geschehen.
Doch Trish war dankbar, überhaupt Dougs Stimme zu hören. Sie war gerettet. Was immer sonst passiert war - Doug war da und würde sie retten. »Hier drinnen!«, rief sie so laut sie konnte. »Ich bin im Schlafzimmer!«
Sie hatte nicht gehört, wie der Postbote gegangen war, doch die Stille auf der anderen Seite der Tür verriet ihr, dass er verschwunden war.
Auf der Veranda waren schnelle, schwere Schritte zu hören. »Trish!«, rief Doug voller Panik. Die Gittertür fiel krachend zu.
Читать дальше