Mein Dank gilt meinem Agenten Dominick Abel und - einmal mehr - Keith Neilson für seinen Rat, seine Kritik und sein Wissen um alle dunklen und schrecklichen Dinge, ob groß oder klein. Dank auch an Don Cannon, den fachkundigen Buchhändler, und an Jeff Teets, den hervorragenden Fotografen. Und Dank an meine Familie, dass sie sich mit dem Postamt herumgeschlagen hat.
Es war der erste Tag des Sommers und Doug Albins erster Tag in Freiheit. Er stand auf der Veranda und blickte auf den mit Kiefern bestandenen Hügelkamm oberhalb der Stadt. Genau genommen war es nicht der erste Sommertag; der war erst in drei Wochen. Es war nicht einmal Dougs erster Ferientag; der war schon am Samstag gewesen. Aber es war der erste Tag, an dem die Schule geschlossen war. Als Doug nun am Geländer stand und die Aussicht genoss, fühlte er sich großartig. Er atmete tief ein und roch den würzigen Duft der Kiefern, vermischt mit dem Aroma von Schinkenspeck und Pfannkuchen, der vom Nachbarhaus herüberwehte. Düfte des Morgens.
Es war kühl draußen, und es ging eine leichte Brise, aber Doug wusste, dass es nicht lange so bleiben würde. Der Himmel war tiefblau, ohne die kleinste Wolke; gegen Mittag würde die Temperatur weit über dreißig Grad liegen. Doug suchte den Horizont ab. Ein Falke kreiste gemächlich über seinem Kopf und bewegte sich in immer größeren Kreisen von ihm weg. Auf dem Hügelkamm konnte Doug den dünnen grauen Rauchfaden eines Lagerfeuers erkennen, der über den Bäumen aufstieg. In der Nähe sah er kleinere Tiere: Kaninchen, Eichhörnchen, sogar ein paar Kolibris.
Doug war mit der Sonne aufgestanden, wie jeden Montagmorgen; diesmal aber nicht aus Notwendigkeit, sondern aus freien Stücken und ohne den Druck eines bevorstehenden Arbeitstages, der ihm sonst den Morgen verdarb. Er brauchte sich beim Anziehen nicht zu beeilen, musste sein Frühstück nicht herunterschlingen und konnte mehr als nur die Schlagzeilen der Zeitung lesen. Er musste überhaupt nichts. Der ganze Tag lag vor ihm, und er konnte damit anfangen, was er wollte.
Die Eingangstür hinter ihm öffnete sich. Doug blickte sich um, als er den Riegel klicken hörte.
Trish steckte den Kopf hinter dem Fliegengitter hervor. »Was willst du zum Frühstück?«
Doug betrachtete ihre zerzauste Haarmähne und ihr verschlafenes Gesicht und lächelte. »Nichts. Ich hab keinen Hunger. Komm raus zu mir.«
Trish schüttelte den Kopf. »Nee, ist mir zu kalt. Sag schon, was möchtest du? Du kannst das Frühstück nicht auslassen, nur weil du Ferien hast. Es ist ...«
»... die wichtigste Mahlzeit des Tages«, beendete er den Satz für sie. »Ich weiß.«
»Wie wär's mit Toast? Oder Waffeln?«
Doug roch wieder das Frühstück im Nachbarhaus. »Eier«, sagte er. »Mit Speck.«
»Nichts da«, entgegnete Trish. »Es gibt Müsli und Weizentoast. Du hast in letzter Zeit genug fettes Essen verschlungen. Denk an dein Cholesterin.«
»Warum hast du mich dann überhaupt gefragt?«
»Eine Prüfung. Du bist durchgefallen.« Sie schloss die Gittertür. »Sobald du deine Zwiesprache mit Mutter Natur beendet hast, komm rein. Und mach die Tür zu. Es friert heute Morgen.«
Er lachte. »So kalt ist es auch wieder nicht.«
Doch Trish hatte die Tür schon geschlossen, und er stand allein auf der Veranda und blickte über die Ponderosa-Kiefern hinweg auf die felsigen Klippen der Hügelkette hinter der Stadt. Der dünne Rauchfaden des Lagerfeuers wurde vom Wind zerfasert und bildete nun einen grauen Streifen am meerblauen Himmel. Noch einmal nahm Doug einen tiefen Atemzug, hungrig nach dem Sommer, voller Verlangen, die köstliche Freiheit zu atmen. Doch irgendetwas hatte sich verändert: Die Brise trug einen bittersüßen Geruch heran, der Doug auf unbestimmte Weise vertraut war und ein seltsames Gefühl des Verlusts in ihm weckte, das er nicht zuordnen konnte.
Die friedliche Stimmung verflog, und er wandte sich vom Geländer der Veranda ab. Ein Kolibri summte auf dem Weg zur Futterstelle neben dem Küchenfenster an seinem Kopf vorbei, als er das Haus betrat. Trish bereitete das Frühstück und schnitt Scheiben vom selbstgebackenen Brot ab. Auf Müsli hatte sie zu Dougs Erleichterung verzichtet, doch er sah eine offene Pappschachtel mit Haferbrei neben dem Topf auf dem Herd. Ein Krug Orangensaft stand auf der Anrichte. Trish blickte auf, als Doug ins Zimmer kam.
»Du könntest Billy wecken«, sagte sie.
»Lass den Jungen schlafen«, entgegnete Doug. »Es ist Ferienzeit.«
»Ich will nicht, dass er den ganzen Tag im Bett vertrödelt.«
»Es ist halb sieben.«
»Bring ihn einfach dazu, dass er aufsteht.«
Trish widmete sich wieder dem Brot und schnitt den runden Laib in gleichmäßig dünne Scheiben.
Doug stieg absichtlich laut die Treppe zum Dachgeschoss des Hauses hinauf und hoffte, dass seine polternden Schritte den Jungen weckten. Doch Billys Füße lugten noch unter der Decke am Kopfende des Bettes hervor, und sein Kopf auf dem Kissen am Fußende war zugedeckt. Doug stieg über Unterwäsche, Socken, Hemd und Hose hinweg, die über den Boden verstreut waren. Das Sonnenlicht fiel durch einen Spalt zwischen den grünen Vorhängen - ein Keil heller Strahlen, der die Poster von Rockstars und Sportlern an den Dachschrägen beleuchtete. Doug zog die Decke vom Kopf seines Sohnes. »Okay, du Penner, hoch mit dir.«
Billy stöhnte und griff nach der Decke, um sie sich wieder über den Kopf zu ziehen.
»Wie spät isses?«
»Fast neun.«
Ein Auge öffnete sich, um auf die Armbanduhr zu blinzeln, die an einem Band von der schrägen Decke über dem Bett hing. »Es ist erst sechs! Was soll der Scheiß?« Wieder griff er nach der Decke, diesmal aggressiver.
»Viertel vor sieben. Komm, steh auf.«
»Okay. Ich bin ja schon hoch. Lass mich jetzt!«
Doug lächelte. Der Junge kam nach seiner Mutter. Nach dem Aufstehen war Trishs Laune oft so, als hätte sie die halbe Nacht durchgefeiert: Sie war kaum ansprechbar und unausstehlich. Doug war das genaue Gegenteil. Er war morgens »unerträglich gut drauf«, wie einer seiner alten Mitbewohner es ausgedrückt hatte. Deshalb hatten er und Trish es sich angewöhnt, sich in der ersten halben Stunde nach dem Aufstehen aus dem Weg zu gehen.
Er ließ Billy die Decke, und obwohl der Junge sofort wieder den Kopf darunter versteckte, wusste Doug, dass er bald nach unten kommen würde.
Ehe Doug die Treppe hinunterstieg, verabschiedete er sich mit einem »Nun komm schon, steh auf«, auf das er jedoch keine Antwort erhielt. Er setzte sich an die Theke aus Resopal, die Wohnzimmer und Küche trennte und die sie als Frühstückstisch benutzten.
Trish, die den Haferbrei umrührte, drehte sich um. »Welche Pläne hast du für heute?«
Er grinste. »Es ist Sommer. Ich habe keine Pläne.«
Sie lachte. »Das hatte ich befürchtet.« Sie drehte die Herdflamme aus, ging zum Küchenschrank und nahm drei Schalen heraus. »Ich dachte, du wolltest Billy wecken.«
»Er ist auf.«
»Er ist nicht am Tisch, und ich höre oben keine Geräusche.«
»Soll ich ihn holen?«
Trish schüttelte den Kopf. »Ich mach das schon.« Sie ging ins Wohnzimmer und blickte zum Geländer des halb offenen Dachgeschosses hinauf. »Billy!«, rief sie. In ihrer Stimme lag ein Unterton von Zorn; ob echt oder nicht, konnte Doug nicht sagen. »Frühstück ist fertig.«
Sie hörten einen gedämpften Fluch, gefolgt vom Tappen nackter Füße in Billys Zimmer. Zwei Minuten später kam er die Treppe herunter.
Nach dem Frühstück ging Trish nach draußen, um im Garten zu arbeiten. Billy schaute sich die Today-Show an und fuhr dann mit seinem Rad los, um im Wald zu üben. Gegen Ende Juli gab es einen Mountainbike-Wettbewerb, an dem er teilnehmen wollte. »Sei vorsichtig!«, rief Doug ihm von der Veranda hinterher, als der Junge wild in die Pedale trat und über den Feldweg raste, der zwischen den Bäumen hindurch auf die Hügel führte, doch entweder hörte Billy ihn nicht, oder er hatte nicht die Absicht, vorsichtig zu sein.
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