»Für neue Bücher?«
Doug nickte und trank seine Coke. »Ja«, gab er zu. »Ich hab's satt, immer Junge Dornen von Braithwaite durchkauen zu müssen.« Er lehnte sich zurück und stützte den Kopf gegen die Wand. »Irgendeinem Arschloch ist vor ein paar Jahren in den Sinn gekommen, dass es die Kids fürs Lesen interessieren könnte, wenn man populäre Romane statt Klassiker unterrichtet. Also haben sie einen zwanzig Jahre alten Roman ausgesucht, von dem die Kinder noch nie etwas gehört haben, ein Video von dem Spielfilm gekauft und mir gesagt, dass ich es unterrichten soll. Aber es langweilt die Schüler zu Tode. Das würde Der scharlachrote Buchstabe zwar auch, aber wenigstens würden sie etwas daraus lernen.«
Hobie kicherte. »Mir hat Lulu ganz gut gefallen. Sie hatte hübsche Möpse.«
»Sehr witzig. Es geht aber darum, dass der Vorstand und die Eltern immer wieder darauf herumreiten, wie unsere Prüfungsergebnisse im Vergleich zum Rest des Staates abschneiden. Na ja, an anderen Schulen wird Herz der Finsternis von Joseph Conrad gelesen, und Twains Huckleberry Finn. Unsere Kinder sind im Nachteil. Ich möchte nur, dass sie mithalten können.«
»Ich habe dank Comicstrips das Lesen gelernt«, bemerkte Hobie.
Doug setzte sich gerade hin. »Ich habe gar nichts gegen diese Theorie. Natürlich werden die Kinder lesen wollen, wenn man ihnen interessantes Lesematerial gibt. Und es gibt eine Menge populäre Literatur, die lesenswert ist. Ich finde, wir sollten besseres Arbeitsmaterial haben.« Er schüttelte den Kopf. »Scheiße!«
Auf der Veranda kicherte Billy.
»Hör auf herumzuspionieren«, rief Doug. »Nixon Junior!«
Hobie grinste. »Klingt so, als ob du zu der Versammlung gehst.«
Doug seufzte. »Ja, ich gehe zu der Versammlung.«
»Gut. Wir können eine gemeinsame Front bilden.«
»Eine gemeinsame Front?«
»Ich brauche eine neue Spritzpistole für meinen Automechaniker-Kurs.«
»Und du willst, dass ich dich unterstütze?«
Hobie blickte verletzt. »Wir sind Lehrer-Brüder.«
»Okay, aber du weißt, wie zugeknöpft der Vorstand ist. Wenn es unentschieden ausgeht, werde ich dich den Wölfen vorwerfen.«
»Abgemacht.« Hobie hielt seine Coladose hoch. »Cheers.«
Als Trish von den Nelsons kam, sah sie Hobies Pick-up auf der Auffahrt, noch ehe sie den Briefkasten erreicht hatte. Sie überlegte, ob sie umkehren und zurückgehen sollte, wenn er weg war, doch sie hörte seine laute Stimme, die von der leichten, warmen Brise getragen wurde, und wusste, dass er gerade gehen wollte. Sie ging über den unbefestigten Straßenrand und bog in die Auffahrt ein.
»Trish«, rief Hobie. Er lachte laut, eilte vorwärts, fasste sie um die Taille und drückte sie. »Wie isses?«
Trish setzte ein gequältes Lächeln auf. Sie mochte Hobie Beecham nicht, auch wenn sie versuchte, Doug zuliebe mit ihm auszukommen. Sie verstand wirklich nicht, was ihr Mann an dem Kerl fand. Er war anzüglich, derb und nur wenig intelligenter als ein Steak. Sie verspannte sich, als Hobies Umarmung andauerte, und schließlich schob sie ihn mit sanftem Nachdruck von sich weg. Das letzte Mal, als er sie begrüßt hatte, hatte er die Gelegenheit genutzt, ihren Hintern zu drücken, obwohl Doug sagte, dass es wahrscheinlich nur ein Zufall gewesen war, als sie ihm davon erzählte. Trish wusste, dass es kein Zufall war, und sie sagte Doug, dass sein Freund seine Hände lieber bei sich behalten sollte oder er würde sich plötzlich mit einem Hoden weniger wiederfinden.
Billy jedoch hielt Hobie für großartig, und jedes Mal, nachdem er herübergekommen war, stolzierte der Junge im Haus herum und versuchte, seiner Stimme einen Südweststaaten-Akzent zu verleihen. Trish wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, Billy dazu zu bringen, einem ihrer kultivierteren und intellektuelleren Freunde nachzueifern, doch Billy war in einem Alter, in dem Jungen diese Art von Macho-Verhalten extrem attraktiv zu finden schienen. Trish sah keine Chance, ihn von Hobie abzubringen, ohne Hobie nur noch interessanter für ihn zu machen.
Trish sah den großen Mann von oben bis unten an. »Wir haben dich bei der Beerdigung vermisst«, sagte sie unverblümt.
»Na ja, ich bin nicht hingegangen. Ich meine, das wäre ein bisschen heuchlerisch gewesen. Ich kannte den Mann eigentlich gar nicht. Er hat meine Post gebracht, ich habe ihn ab und zu gesehen, aber wir waren bestimmt keine Freunde.«
»Eine Menge Leute waren da.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich nicht. Bring mich vor Gericht.« Er lächelte. »Freunde zu suchen war nie eines meiner wichtigsten Ziele im Leben.«
»Das habe ich gemerkt«, entgegnete Trish kühl.
Hobie wandte sich an Doug. »Da wir gerade von Bob Ronda sprechen - hast du schon den neuen Postboten gesehen?«
»Ja«, sagte Doug.
»Ich habe ihn heute Morgen an der Post getroffen«, erzählte Hobie. »Unheimlicher Kerl. Ich mag ihn nicht.«
Jemand anderem war es also auch aufgefallen! »Hast du mit ihm gesprochen?«
»Wollte ich nicht. Er hat den Job, die Post zuzustellen, und nicht, mein Kumpel zu sein. Ich rede ja auch nicht mit dem Gasableser oder dem Zeitungsjungen oder dem Telefonmann. Nimm es mir nicht übel, aber das habe ich an Bob Ronda nie besonders gemocht: Er hat dauernd angehalten, um mit jedem zu schwatzen.«
»Bob Ronda war ein guter Mann«, stellte Doug fest.
»Genau. Untersteh dich, etwas Schlechtes über ihn zu sagen«, warnte Trish mit einem drohenden Blick aus ihren dunklen Augen.
Hobie wollte etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders und hielt den Mund. Er bedachte Doug mit einem Lächeln von Mann zu Mann - ein Lächeln, das ausdrückte, dass Trish ein typisches, dummes weibliches Wesen war.
Trish hat recht, ging es Doug durch den Kopf: Manchmal ist Hobie ein unsensibler Blödmann.
Trish ging die Stufen zur Veranda hinauf und schlug die Tür hinter sich zu.
»Wie auch immer«, sagte Hobie, »den neuen Postboten mag ich nicht.«
»Ich auch nicht.«
»Ein merkwürdiger Kotzbrocken. Er ist so blass. Und dieses rote Haar ... Ich wäre nicht überrascht, wenn es gefärbt wäre. Der Kerl sieht hässlich aus.«
Doug schwieg. Er wusste nicht, was er von dem neuen Postboten halten sollte. Er hatte keine feste Meinung über den Mann, nur eine unbegründete Abneigung, ein Gefühl des Unbehagens, das durch ein paar zufällige Begegnungen noch verstärkt wurde. Normalerweise neigte er nicht zu solch impulsiven, instinktiven Beurteilungen und war ein wenig von sich selbst überrascht. Für gewöhnlich war er darauf stolz, im Zweifelsfall - und bis zum Beweis des Gegenteils - erst einmal das Beste von jedem Menschen anzunehmen. Seine negative Meinung über den Postboten war jedoch sofort da gewesen; er hatte auf Anhieb eine Abneigung gegen den Mann verspürt, ohne das Geringste über ihn zu wissen.
Abneigung und Furcht.
Ja, Furcht, gestand er sich ein. Auf irgendeiner Ebene, aus irgendeinem Grund, den er nicht verstand, hatte er Angst vor dem Postboten. Und auch diese Angst war sofort da gewesen.
Hobie öffnete die Tür des Pick-ups und schwang sich auf den zerschlissenen Fahrersitz. Er vergrub seine Hand in der rechten Tasche seiner Levis und zog den Schlüsselbund heraus. »Also, kommst du morgen mit mir zu der Versammlung?«, fragte er.
»Geht klar.«
»Prima. Wir werden denen schon in den Arsch treten.« Grinsend schlug er die Tür zu und ließ den Motor an. »Morgen und Freitag bin ich auf Miezen-Patrouille, aber ich ruf dich vor Montag noch mal an.«
»Okay«, sagte Doug. »Viel Spaß.«
»Den werde ich haben«, sagte Hobie, zog seine verspiegelte Sonnenbrille aus der Brusttasche des T-Shirts und setzte sie auf. »Darauf kannst du wetten.« Rasch setzte er den Pick-up zurück und fuhr auf die Straße in Richtung Stadt. Er winkte kurz, dann war er verschwunden.
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