Das Ruckeln wird immer stärker, und die Stille um sie herum dröhnt ihr in den Ohren.
»Euer kleiner Plan geht ganz schön in die Hose«, spottet der Governor mit offensichtlicher Schadenfreude. Sein Gesicht zuckt noch nervös von der Misshandlung mit dem Schlagstock.
»Halt den Mund!«
»Hab schon gedacht, dass ihr uns einfach hier rausschmeißt, und den Beißern den Rest überlasst. Somit hätte niemand etwas von dem Ganzen mitgekriegt.«
Lilly richtet den Lauf ihrer .22er gegen seine Schläfe. »Ich habe gesagt, du sollst die Schnauze halten!«
Erneut ein Ruckeln. Martinez steht da, vor Unschlüssigkeit wie erstarrt. Er dreht sich um, will etwas zu Lilly sagen, als eine rasche Bewegung vorne auf der Ladefläche alle überrascht.
Bruce hat die Hände frei und schlägt auf den Schweden ein, schafft es, ihm die Waffe aus der Hand zu reißen und zu Boden zu werfen. Der .45er schlittert über das Metall und löst sich dabei selber aus. Die Schüsse in dem kleinen Raum reißen Metallsplitter aus der Karosserie, und einer streift den Stiefel vom Schweden, so dass er aufschreit und mit dem Rücken gegen die Wand fällt.
In einer flüssigen Bewegung, noch ehe Martinez oder Lilly reagieren können, ergreift der große Mann den .45er und versenkt drei Kugeln in die Brust vom Schweden. Blut spritzt über die Seitenwand hinter ihm, und er keucht und windet sich und sinkt dann langsam zu Boden.
Martinez dreht sich rasch um, zielt auf den schwarzen Mann und lässt zwei kurze, kontrollierte Salven in Bruces ungefähre Richtung ab. Aber er ist zu spät, denn der Schwarze ist schon längst hinter einem Stapel Kartons in Deckung gesprungen, so dass die Kugeln auf Pappe, Metall und Glasfaser treffen und eine ganze Reihe gedämpfter Explosionen in den Schachteln auslösen. Auf einmal fliegen Holzsplitter, Funken und Papier durch die Luft wie Meteoren …
… und jeder wirft sich zu Boden. Bruce schnappt sich sein Bowiemesser, das er um die Wade geschnallt hat, und will Gabes Fesseln durchschneiden. Jetzt überschlagen sich die Geschehnisse in der Ladefläche … Lilly richtet ihre Ruger auf die beiden Schurken, während Martinez sich auf Bruce stürzt. Die Stimme vom Governor übertönt den Tumult: »IHR DÜRFT SIE NICHT TÖTEN!« Schon ist Gabe frei und krabbelt auf ein Gewehr zu, das auf dem Boden liegt. Bruce will mit dem Messer auf Martinez einstechen, der ihm ausweicht und dabei Lilly rammt, die gegen die Hintertür stürzt, und …
… die Wucht des Aufpralls stößt sie auf. Jetzt ist der Weg für den Zombie-Schwarm in den Lieferwagen frei.
Ein großer Beißer in einem zerrissenen Arztkittel greift nach Lilly und schafft es beinahe, seine verrotteten, schwarzen Zähne in ihr Genick zu versenken, aber Martinez drückt gerade noch rechtzeitig ab und bläst ihm mit dem Schuss die Schädeldecke weg.
Ranziges, schwarzes Blut spritzt über den Fahrzeughimmel und in Lillys Gesicht, während sie verzweifelt versucht, wieder in den vorderen Teil des Fahrzeugs zu klettern. Mehr und mehr Untote strömen jetzt durch die offenen Türen. Lillys Ohren versagen wegen des Lärms, als sie nach vorne stürzt.
Der Governor, noch immer gefesselt, arbeitet sich ebenfalls fieberhaft mit den Beinen zur Vorderwand vor, und Gabe ergreift brüllend eine Waffe vom Boden und entlädt sie in Richtung der Zombies. Die Kugeln schlagen durch verwesendes Fleisch, lassen verfaulende Köpfe explodieren. Gehirnmasse sprüht wie schwarze Chrysanthemen in die Luft, und das Innere des Lieferwagens wird von Rauch und Totengestank erfüllt. Immer mehr Beißer schwärmen auf die Ladefläche, lassen sich von den Schüssen nicht abschrecken.
»BRUCE! SCHNEIDE MIR DIE FESSELN DURCH!«
Lilly kann die Stimme des Governors kaum über dem Ringen in ihren Ohren und dem tosenden Lärm hören. Bruce aber hat bereits das Messer in der Hand, während sie und Martinez eine Salve nach der anderen auf die Horde abfeuern. Die Geschosse schlagen in Augenhöhlen und Unterkiefer ein und treffen schleimige Glatzköpfe, so dass schwarzes Gewebe, Blut und sonstige Körperflüssigkeiten durch die Gegend spritzen.
Bruce schlitzt die Fesseln vom Governor auf, der sich in Sekundenschnelle eine Waffe schnappt.
Der Laderaum leuchtet im Mündungsfeuer auf, und schon bald kauern die fünf Überlebenden gegen die Wand zur Fahrerkabine und schießen auf die heranstürmenden Zombies, was das Zeug hält. Der Lärm ist enorm, geradezu ohrenbetäubend; und er wird von dem engen Raum noch mehr verstärkt. Die Kugeln, die ihr Ziel verfehlen, prallen an den Wänden und Türen in einer wahren Funkenpracht ab.
Zerfetzte Zombies fallen zu Boden wie Dominosteine. Einige rutschen bereits auf dem schleimigen Glibber unter ihren Füßen aus, während andere es nicht mehr über den Berg ihrer zerstörten Artgenossen schaffen. Das Trommelfeuer hält noch weitere zehn Sekunden an, und an den fünf kleben überall Gewebe, schwarzes Blut, Organe und sonstige Körperfetzen. Ein Splitter trifft Lilly in den Oberschenkel und gräbt sich in ihr Fleisch. Eine Welle von Schmerz ergreift sie, bringt sie wieder zurück in die Realität.
Während einer einzigen Minute, schier endlosen sechzig Sekunden, die Lilly wie ein ganzes Leben vorkommen, haben sie jede einzelne Kugel verschossen, in totem Fleisch vergraben, und alle Zombies, die vor den Türen des Lieferwagens gestanden haben, sacken in einem Feuerwerk aus Blut und Körperflüssigkeiten zu Boden, um glitschige, schleimige Spuren zu hinterlassen.
Die letzten paar Zombies verkeilen sich in der Öffnung, und in der unheimlichen Stille, die folgt, laden Gabe, Martinez und der Governor nach. Bruce aber stürzt sich auf die Öffnung und tritt auf die im Weg liegenden Zombies ein, bis auch der letzte von ihnen auf den Asphalt gleitet. Lilly wirft das leere Magazin aus ihrer Ruger. Es poltert zu Boden, aber ihre geschundenen Ohren nehmen den Aufprall gar nicht mehr wahr. Ihr Gesicht, ihre Arme sind voller Blut und Fleischfetzen. Sie lädt nach. Das Einzige, was sie noch hört, ist ihr pochender Puls.
In der Zwischenzeit zerrt Bruce wie wild an den beiden Hintertüren. Die verbogenen Scharniere ächzen und stöhnen und geben schließlich nach. Aber selbst dieser Lärm dringt nicht bis zu Lillys geschundenen Ohren vor.
Endlich hat Bruce es geschafft, und die fünf sind wieder in der mit Blut besudelten Todeskammer eingeschlossen. Während die Türen offen standen, haben alle gesehen, dass das Schlimmste noch auf sie wartet. In der Ferne, in den Wäldern, welche die Straße umsäumen, sowie entlang der Serpentinen, die sich zu dem Plateau hinaufschlängeln, tummeln sich unzählige Schatten.
Was sie in dem kurzen Augenblick erspäht haben, ist kaum zu begreifen. Jeder Einzelne von ihnen hat genügend Erfahrungen mit Zombies gesammelt, Scharen erlebt, selbst große Scharen, aber das hier spottet jeder Beschreibung. Es handelt sich um eine Horde, wie es sie seit Ausbruch der Plage noch nicht gegeben hat. Es müssen an die tausend untote Leichen sein, die in allen nur erdenklichen Zuständen der Verwesung auf sie zutaumeln. Wohin das Auge auch blickt, überall sind Beißer. Reihen über Reihen von ihnen, so dicht aneinandergedrängt, dass man ohne Probleme auf ihren Schultern spazieren gehen könnte. Sie säumen beide Seiten des Highway 85. Langsam und lethargisch, aber in einer unerschöpflichen Anzahl, die nichts anderes als Massenvernichtung verheißt, erinnert der Anblick an einen schwarzen Gletscher, der sich wahllos durch die Wälder wälzt, über Straßen und Felder strömt. An einigen hängt kaum noch ein Fetzen Fleisch, ihre Totengewänder sind zerfleddert und baumeln herab wie Moos in der Finsternis. Andere klappern mit den Zähnen, schnappen hungrig in der Luft wie zuckende Schlangen, die aus ihrem Nest verscheucht wurden. Ihre schiere Anzahl, jedes einzelne Gesicht so blass wie Perlmutt, vermittelt den Eindruck einer Flut von schwärendem Eiter.
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