King wirbelte geduckt herum und schoss eine zweite Salve auf Danica ab, die hinter dem Metalltisch Deckung suchte. Mit einer Hand kippte sie ihn um, damit er sie abschirmen konnte. King schoss weiter, während die Kugeln vom Tisch abprallten. Er hoffte, eine seiner UV-Salven würde sich durch die Tischplatte bohren und Danica treffen. Als Kings Pistolen leer waren, schleuderte Danica ihm den schweren Metalltisch entgegen, als bestehe er aus Schaumstoff, dann wandte sie sich um und rannte aus dem Zimmer.
Während um ihn herum der Kampf tobte, kam Blade zu dem Schluss, dass er am besten auch die Flucht antreten sollte. Er konzentrierte sich und zwang sich, gegen die Wirkung des Medikaments anzukämpfen. Es gelang ihm, sich auf eine Seite zu drehen und den Stuhl zum Kippen zu bringen, so dass er der Länge nach auf dem Fußboden landete.
Grimwood entging nicht das Geräusch, das Blade verursachte hatte, und wollte sofort nach ihm greifen. Der trat aber wild um sich und rammte seine schweren Stiefel mitten in den Oberkörper des großen Vampirs und schleuderte ihn nach hinten.
Grimwood krachte auf die dünne Trennwand, durchbrach sie und landete in einer Wolke aus Gips und Holzstücken im Raum nebenan.
King lief zu Blade, packte seinen Unterarm und zog ihn mühsam auf die Beine. Er lud nach, drehte sich um, und feuerte eine weitere Salve blauen Feuers auf den geduckten Asfier. Der Vampir rannte aus seinem Versteck wie eine Ratte, die vor einem Feuerwerk davonlief.
King sah zu Blade. „Lass uns ‘nen Abflug machen, Kemosabe.“
Halb trug, halb schleppte er Blade zur Tür und dann hinaus in den dunklen Korridor der Polizeiwache. Vom anderen Ende des Gangs kamen Cumberland und Haie mit sorgenvollen Gesichtern angelaufen. Sie hatten den Lärm gehört. Jemand hatte den Feueralarm und gleichzeitig den Eindringlingsalarm ausgelöst, aber von einem Feuer konnte Cumberland nichts entdecken. Doch aus einem unerklärlichen Grand wusste er, dass beide Alarme mit Blade zu tun hatten.
Am Ende des Korridors angekommen, kam er schlitternd zum Stehen und sah, dass sein schlimmster Alptraum Wirklichkeit geworden war. Blade kam von einer Rauchwolke umgeben aus dem Verhörraum gestolpert, ein großer und muskulöser junger Mann stützte ihn. Blade bewegte sich, als sei er betrunken, doch sein Begleiter wirkte mehr als kräftig genug, um ihn notfalls auch zu tragen.
Wichtiger war dabei aber, dass der junge Mann bewaffnet war.
Cumberland griff nach seiner Pistole. „Er haut ab!“
King feuerte eine letzte Salve in den Verhörraum, um zu verhindern, dass die Vampire ihnen folgen konnten. Dann zog er eine Granate aus seinem Waffengurt und warf sie durch die Türöffnung. Im nächsten Augenblick ging sie hoch und wirbelte Trümmerstücke umher. Die beiden Detectives wurden zu Boden geschleudert. Eine lange Feuerzunge reichte bis an die Decke vor dem Raum, schwarzer Rauch quoll in den Korridor.
Blade ließ sich zitternd gegen die Wand sinken. Er fühlte, dass er kurz vor einer Ohnmacht stand. Der Hunger war unerträglich geworden, und er musste jeden letzten Rest von Selbstkontrolle aufbringen, um sich nicht einfach umzudrehen und seine Zähne in den Hals des jungen Mannes zu bohren, der ihn gerade eben gerettet hatte. Er stöhnte leise auf.
„Stirb mir ja nicht weg, Motherfucker!“ King schob seinen Arm um Blade und hob ihn an, damit er wieder aufstand.
Mit einem Knurren kam Blade hoch und schlich durch den Korridor davon, wobei er den größten Teil seines Gewichts auf King verlagerte.
Zwanzig Meter entfernt war ein halbes Dutzend uniformierter Officers in den Nahkampf mit einem zweiten Eindringling verstrickt, einer athletisch aussehenden jungen Frau, die eine Militärhose und dazu eine moderne, hautenge Motorradjacke trug. Drei Männer lagen bereits friedlich schlafend übereinander auf dem Boden, ohne etwas davon zu merken, dass sie Nasenbrüche und Prellungen am Kopf davongetragen hatten. Innerhalb von Sekunden hatte sie zwei der restlichen drei Männer ebenfalls ausgeschaltet.
King kam um die Ecke gelaufen und rief der Frau zu: „Whistler, wir brauchen sofort das Serum!“
Blade hob den Kopf, Hoffnungsschimmer trat in seine blutunterlaufenen Augen. Whistler? Nein, er musste sich verhört haben.
Abigail Whistler beschrieb eine elegante Drehung und trat mit dem Stiefel in die Schläfe des letzten Polizisten, der daraufhin mit einem dumpfen Knall gegen die Wand flog und in sich zusammensackte. Abigail hob ihren Rucksack auf und zog einen Inhalator heraus, den sie King zuwarf. Der drückte das Gerät behutsam in Blades zitternde Hände.
Als er erkannte, was er vor sich hatte, setzte Blade das Mundstück sofort an seine Lippen und biss zu, während er gleichzeitig eine seitlich angebrachte Lasche zog. Er ignorierte die blitzenden Lichter, die durch die abrupte Bewegung vor seinen Augen tanzten. Das Gerät zischte, das Serum strömte kühl und klar in seine Lungen und wanderte von dort weiter in seinen Körper. Das hungernde, schreiende Vampirvirus wurde rasch leiser, seine natürliche Kraft und Vitalität kehrten gleichzeitig zurück. Erleichtert sank er in sich zusammen und atmete tief durch, während er seinen Körper zwang, wieder in seinen Normalzustand zurückzukehren.
Im nächsten Augenblick konnte er mit klarem Blick zu King emporblicken. Seine übernatürliche Kraft war wiederhergestellt, und ohne große Anstrengung riss er seine Handschellen auseinander.
King grinste ihn zufrieden an. „Hey, Blacula, wieder bereit, auf die Piste zu gehen?“
Blade reagierte mit einem schnellen Haken gegen Kings Kiefer. Der taumelte nach hinten und starrte Blade verstört an, dessen Gesicht wie aus Stein gemeißelt aussah. „Nenn mich nie wieder so, sonst bekommst du von mir ein lebenslanges Hirntrauma.“
King rieb sich den Kiefer, dann zuckte er mit den Schultern und warf Blade eine seiner Pistolen zu.
Eine zähe Truppe.
Cumberland und Haie stürmten um die Ecke auf sie zu, brüllten irgend etwas und hielten ihre FBI-Dienstmarken hoch. Spontan sprang King mit einen Satz vor und verpasste Haie einen Schlag ins Gesicht, der den Detective zu Boden schickte. Gleichzeitig bekam Cumberland von Blade einen Tritt gegen die Brust, der ihn durch die Tür bis zur Herrentoilette schleuderte. Mit einem unangenehmen Geräusch krachte er mit dem Spiegel über dem Waschbecken zusammen, sank zu Boden und stand nicht wieder auf.
Es klang, als käme eine ganze Herde Vieh angetrampelt, doch um die Ecke stürmte stattdessen Grimwood, dicht gefolgt von den drei überlebenden Vampirpflegern. Grimwoods Haare rauchten, über seine breite Brust zog sich eine lange Brandwunde.
Blade hantierte sekundenlang mit Kings Pistole, eher er verstand, dass es sich um eine Automatikwaffe handelte. Er stand auf und straffte seine Schultern, dann jagte er eine Salve explosiver Kugeln nach der anderen in den Korridor. Die Geschosse schlugen in Wände und Boden ein und explodierten in gleißendem UV-Licht, während die Vampire versuchten, irgendwo Schutz zu suchen. Grimwood und seine Helfer waren gezwungen, sich vor diesem Sperrfeuer zurückzuziehen.
Blade und King rannten den Korridor entlang, um zu Abigail aufzuschließen. Der Rauch des Schusswechsels hing schwer in der Luft und reizte beide immer wieder zum Husten. Die Notbeleuchtung schien allmählich schwächer zu werden, und sie konnten kaum noch die Hand vor Augen erkennen.
Ein Stück vor ihnen stürmte ein Trupp Polizisten aus dem Treppenhaus, allesamt schwer bewaffnet und mit kugelsicheren Westen ausgerüstet. Einer von ihnen kaute noch immer auf einem letzten Rest seines Gurkensandwichs herum, da er aus seiner Pause geholt worden war.
Als sie Blade und King sahen, eröffneten sie sofort das Feuer.
Blade und die anderen duckten sich in eine Nische, während um sie herum Kugeln in den Wänden einschlugen. Sie mussten sich hart gegen die Wand pressen, da ein Projektil nach dem anderen an ihnen vorbeijagte. Das Mündungsfeuer der Waffen erhellte das rauchgeschwängerte Zwielicht wie ein Stroboskopscheinwerfer.
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