Das Grabgeräusch stammte aus einem kleinen Stollen, den man in eine Bergwand geschlagen hatte. Die Goblins betrieben auf diese Weise Bergbau. Brox beobachtete, wie ein viertes Wesen zur Gruppe trat. In einer Hand hielt der Goblin eine Öllampe. Er zog einen Sack hinter sich her, der fast so groß wie er selbst war. Goblins waren zwar klein, aber ungewöhnlich kräftig.
Im Gegensatz zu den anderen wirkte der Neuankömmling gut gelaunt. »Hab eine neue Ader gefunden. Mehr Eisen.«
Die anderen Goblins wirkten erleichtert. »Gut«, sagte der Erste. »Keine Zeit zum Jagen. Das müssen die anderen tun.«
Brox wäre am liebsten seinen Instinkten gefolgt und hätte sie angegriffen. Aber er wusste, dass Krasus das nicht gewollt hätte. Der Orc betrachtete die Goblins. Sie wirkten so, als seien sie noch eine Zeitlang beschäftigt. Er würde zu dem Magier zurückkehren und von seiner Entdeckung berichten. Krasus wusste bestimmt, was richtig war, ob sie die Goblins gefangen nehmen oder ihnen besser aus dem Weg gehen sollten.
Ein Schlag traf ihn schwer am Hinterkopf. Er ging in die Knie. Etwas landete auf seinem Rücken und drückte seine Kehle zu. Ein zweiter Schlag traf seinen Kopf.
»Eindringling! Hilfe, Eindringling!«
Die hohe Stimme schnitt durch die Watte in seinem Schädel. Ein Goblin hatte sich hinter ihm angeschlichen. Die Fäuste dieses Volkes waren klein, also war er vermutlich mit einem Hammer oder Stein bewaffnet.
Der Orc wollte sich aufrichten, aber der Goblin schlug weiter auf ihn ein. Blut lief über seine Stirn und tropfte auf seine Lippe. Der Geschmack seines eigenen Lebenssafts weckte den Krieger in ihm. Er rollte sich auf den Rücken.
Etwas quakte unter ihm, dann landete der Orc auf etwas Weichem. Die Schläge hörten endlich auf. Brox wälzte sich weiter herum, bis sich der Goblin unter ihm nicht mehr regte.
Dann stand der Krieger auf. Die Stimmen der anderen Goblins waren nahe heran gekommen. Ein Stein schlug heftig gegen seine Schulter. Brox hörte, wie Metall über Metall schabte und wusste, dass die Goblins Messer bei sich trugen.
Blind griff er nach seiner Axt, konnte sie jedoch nicht finden. Der Orc wollte sich das Blut aus den Augen wischen, aber eine kreischende Gestalt sprang gegen seine Brust. Der Goblin hielt sich mit einer Hand an ihm fest und versuchte ihm mit der anderen eine Messerklinge ins Auge zu jagen.
Brox war noch damit beschäftigt, ihn abzuwehren, als bereits ein zweiter Angreifer auf seiner Schulter landete. Eine Klinge schnitt schmerzhaft in sein Ohr. Brox riss die Kreatur von seiner Schulter und schleuderte sie so weit wie möglich von sich. Er hörte ihre Schreie, während er mit beiden Händen nach dem Goblin auf seiner Brust griff.
Im gleichen Moment schnappte jemand nach seinen Beinen. Brox hob den Fuß und trat kräftig zu. Zufrieden hörte er, wie Knochen unter seinem Tritt brachen. Der Druck auf sein linkes Bein verschwand. Er wiederholte seine Taktik, doch dieses Mal gelang es dem Goblin, der sein anderes Bein festhielt, sich rechtzeitig zur Seite zu drehen. Selbst dabei ließ er nicht los.
Dem Goblin, der auf seiner Brust hockte, gelang es, sein Messer in Brox’ Schulter zu stoßen. Die Kreatur kicherte, als sie erneut mit der Klinge ausholte.
Der Orc schwang seine Faust und traf den Goblin am Kopf. Das Kichern endete in einem Gurgeln, dann fiel die Kreatur zu Boden.
Doch Brox erhielt keine Atempause. Ein neuer Angreifer krachte gegen seinen Bauch und ließ ihn nach Luft schnappen. Brox kippte nach hinten. Zumindest einen Vorteil hatte sein Sturz, denn der Goblin, der sein Bein festgehalten hatte, wurde halb davon erschlagen und ließ kreischend los.
Ein zweiter Goblin sprang auf den am Boden liegenden Orc und begann mit einem Stein auf ihn einzuschlagen. Das war nicht gerade der ehrenhafte Tod, den Brox sich vorgestellt hatte. In den epischen Heldengesängen kam kein einziger Orc vor, den Goblins umgebracht hatten.
Die beiden Wesen auf seiner Brust schrien auf, als ein rotes Licht sie einhüllte und zur Seite schleuderte. Der eine kollidierte mit einem weiteren Goblin, der zweite mit einer Felswand.
»Wir müssen alle erwischen!«, rief Krasus.
Brox schüttelte sich und sah, wie die beiden am Boden liegenden Goblins plötzlich vom Fels verschluckt wurden. Ihre Schreie brachen abrupt ab, als ihre Köpfe verschwanden.
Eine weitere Kreatur, die entweder klüger oder wagemutiger als die anderen war, warf einen Stein und traf den Magier am Kopf. Brox öffnete noch den Mund, um Krasus zu warnen, aber es war bereits zu spät. Der Stein traf den hageren Magier mit solcher Wucht, dass er von ihm abprallte und den Schädel des Goblins zertrümmerte.
Die Nackenhaare des Orcs stellten sich auf. Instinktiv keilte er nach hinten aus. Der Goblin, der ihm gerade ein Messer in den Rücken rammen wollte, brach zusammen.
Krasus stand reglos und mit geschlossenen Augen da. Brox kam vorsichtig auf die Beine. Er wollte den Magier nicht aus seiner Konzentration reißen.
»Keiner ist entkommen«, murmelte Krasus nach einem Moment. Dann öffnete er den Mund und betrachtete die Leichen. »Wir haben alle erwischt.«
Der Orc hob seine Axt auf und senkte beschämt den Kopf. »Vergib mir, weiser Mann. Ich handelte mit der Dummheit eines Kindes.«
»Es ist vorbei, Brox … und dank dir haben wir vielleicht eine Abkürzung zu unserem Ziel gefunden.«
Krasus’ Hand begann zu leuchten, dann berührte er den Krieger an der Schulter und heilte seine Wunden.
Brox war erleichtert, dass er sich nicht entehrt hatte. Neugierig sah er den Magier an. Malfurion blickte ebenfalls auf den Magier, schien jedoch zu verstehen, worum es ging.
»Sie wissen am besten, wie man das Nest des Drachen erreicht«, sagte Krasus. Seine Hand glühte immer noch. »Sie werden uns den Weg zeigen.«
Brox runzelte die Stirn. Alle Goblins, die am Boden lagen, waren tot. Nein, einer erhob sich schwankend zwischen den Felsen. Im ersten Moment fragte sich der Orc, wie er diesen Aufprall überlebt hatte, doch dann erkannte er, dass der Goblin tot war.
»Wir sind die Diener des Lebens«, flüsterte Krasus deutlich angewidert. »Daher kennen wir auch den Tod sehr gut.«
»Bei Mutter Mond …«, stieß Malfurion hervor.
Brox schickte den Geistern ein kurzes Gebet, dann betrachtete er den lebenden Toten. Er erinnerte ihn an die Geißel. Instinktiv umklammerte er seine Axt fester, fragte sich, ob der Goblin angreifen würde.
»Beruhigt euch, meine Freunde. Ich habe nur die Erinnerungen an diesen Weg erweckt. Er wird ihn gehen, dann ist die Angelegenheit erledigt. Ich bin kein Nathrezim. Es macht mir keine Freude, Leichen meinen Willen aufzuzwingen.« Er zeigte auf den toten Goblin, der sich schwerfällig umdrehte und in nördliche Richtung bewegte. »Kommt, lasst uns diese unerfreuliche Sache möglichst schnell beenden, damit wir uns auf das Nest des dunklen Drachen vorbereiten können.«
Ruhig folgte Krasus dem makabren Wesen. Nach einem Moment tat es ihm Malfurion gleich. Brox zögerte, dann dachte er an all das Böse, dem sie gegenüber gestanden hatten und erkannte, dass der Magier richtig handelte. Also ging auch er ihm nach.
Archimonde sah zu, wie seine Krieger an allen Fronten zurückgedrängt wurden. Er sah zu, wie sie von den Angreifern zu Dutzenden aufgespießt oder von deren Nachtsäblern zerrissen wurden. Er bemerkte auch, wie viele Verbündete der Armee getötet wurden.
Archimonde sah all das … und lächelte.
Der Armee fehlten der Zauberer, der Druide, der ältere Magier und der grünhäutige Krieger, dessen Wut der Dämon bewundernswert fand.
»Es ist so weit«, zischte er.
Jarod versuchte Rhonin aufzuwecken, aber der Zauberer reagierte nicht. Nur die Augen hatte der Mensch geöffnet, aber ihr Blick war leer, als wäre das Bewusstsein dahinter verschwunden.
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