Maester Aemon berührte seine eigene Kette, und seine knochigen, faltigen Finger strichen über die schweren Metallglieder.»Weiter.«
«Er hat mir erklärt, das Ordensband eines Maesters bestehe aus einer Kette von einzelnen Gliedern, die ihn daran erinnern sollen, daß er zum Dienen vereidigt ist«, sagte Jon nachdenklich.»Ich habe ihn gefragt, warum jedes Glied aus anderem Metall besteht. Eine Silberkette würde viel besser zu seinem grauen Gewand passen, habe ich ihm gesagt. Maester Luwin lachte. Ein Maester schmiedet seine Kette mit Studien, hat er mir erklärt. Die verschiedenen Metalle stehen für verschiedene Lehren, Gold für die Studien von Geld und Rechnungswesen, Silber für das Heilen. Eisen für die Kriegskunst. Und er sagt, es gäbe noch andere Bedeutungen. Das Band soll den Maester an das Reich erinnern, dem er dient, ist es nicht so? Lords sind Gold und Ritter Stahl, aber zwei Glieder sind noch keine Kette. Man braucht dazu noch Silber und Eisen und Blei, Blech und Kupfer und Bronze und den ganzen Rest, und die sind Bauern und Schmiede und Händler und ähnliches. Eine Kette braucht die unterschiedlichsten Metalle, und ein Land braucht die unterschiedlichsten Menschen.«
Maester Aemon lächelte.»Und?«
«Die Nachtwache braucht auch die Nachtwache. Wozu sonst
Grenzer, Kämmerer und Baumeister? Lord Randyll könnte aus Sam keinen Krieger machen, und auch Ser Alliser kann es nicht. Man kann Blech nicht zu Stahl verwandeln, sosehr man es auch schmiedet, doch das bedeutet nicht, daß Blech nutzlos wäre. Warum sollte Sam nicht Kämmerer werden?«
Chett stieß ein wütendes Knurren aus.»Ich bin Kämmerer. Glaubst du, es wäre leichte Arbeit für Feiglinge? Die Kämmerer halten die Nachtwache am Leben. Wir jagen und ernten, kümmern uns um die Pferde, melken die Kühe, sammeln Feuerholz, kochen die Mahlzeiten. Was glaubst du, wer deine Kleider näht? Wer bringt Nachschub aus dem Süden? Die Kämmerer.«
Maester Aemon sprach sanfter.»Ist dein Freund ein Jäger?«
«Er haßt die Jagd«, mußte Jon einräumen.
«Kann er ein Feld pflügen?«fragte der Maester weiter.»Kann er einen Wagen fahren oder ein Schiff segeln? Kann er eine Kuh schlachten?«
«Nein.«
Chett stieß ein häßliches Lachen aus.»Ich habe gesehen, was mit weichen Lordlingen passiert, wenn man sie an die Arbeit schickt. Laß sie Butter rühren, und ihre Hände bekommen Blasen und bluten. Gib ihnen eine Axt zum Holzhacken, und sie schlagen sich den eigenen Fuß ab.«
«Ich weiß etwas, das Sam besser als jeder andere kann.«
«Ja?«sagte Maester Aemon.
Argwöhnisch sah Jon zu Chett hinüber, der neben der Tür stand, seine Furunkel rot und böse.»Er könnte Euch helfen«, fuhr er eilig fort.»Er kann rechnen, lesen und schreiben. Ich weiß, Chett hingegen kann nicht lesen, und Clydas hat schwache Augen. Sam hat alle Bücher in der Bibliothek seines Vaters gelesen. Er wäre auch gut zu den Raben. Tiere scheinen ihn zu mögen. Ghost hat sich sofort mit ihm angefreundet. Es gibt eine Menge, was er tun könnte, nur eben nicht kämpfen. Die Nachtwache braucht jeden Mann. Warum einen ohne jeden Sinn töten? Nutzt statt dessen seine Begabungen.«
Maester Aemon schloß die Augen, und einen kurzen Moment lang fürchtete Jon, er sei eingeschlafen. Endlich sagte er:»Maester Luwin war dir ein guter Lehrer, Jon Snow. Dein Verstand ist so kühn wie deine Klinge, so scheint es.«
«Bedeutet das…?«
«Es bedeutet, daß ich über das, was du mir erzählt hast, nachdenken werde«, erklärte der Maester mit fester Stimme.»Und nun, glaube ich, bin ich müde genug zum Schlafen. Chett, geleite unseren jungen Bruder zur Tür.«
Sie hatten in einem Espenwäldchen gleich neben der Bergstraße Schutz gesucht. Tyrion sammelte totes Holz, während ihre Pferde Wasser aus einem Bergbach tranken. Er bückte sich, um einen gesplitterten Ast aufzuheben, und untersuchte ihn eingehend.»Wird das gehen? Ich bin nicht geübt im Feuermachen. Das hat Morrec für mich erledigt.«
«Ein Feuer?«sagte Bronn und spuckte aus.»Bist du so hungrig, daß du dafür sterben würdest, Zwerg? Oder hast du den Verstand verloren? Ein Feuer lockt meilenweit die Clans an. Ich will diese Reise überleben, Lannister.«
«Und wie willst du das bewerkstelligen?«fragte Tyrion. Er klemmte den Ast unter den Arm und stocherte im spärlichen Unterholz herum, suchte nach mehr. Sein Rücken schmerzte von der Mühe des Bückens. Seit Tagesanbruch, nachdem Ser Lyn Corbray sie mit steinerner Miene durch das Bluttor geführt und ihnen verboten hatte, je zurückzukommen, waren sie geritten.
«Wir haben keine Chance, wenn's ans Kämpfen geht«, erklärte Bronn,»aber zwei kommen schneller voran als zehn und sind nicht so leicht zu entdecken. Je weniger Zeit wir in diesen Bergen verbringen, desto wahrscheinlicher erreichen wir das Flußland. Reite hart und schnell, sage ich. Reise bei Nacht und verkrieche dich bei Tag, vermeide die Straße, wo es geht, mach keinen Lärm und zünde kein Feuer an.«
Tyrion Lannister seufzte.»Ein glänzender Plan, Bronn. Versuch es damit, wenn du willst… und verzeih mir, wenn ich mich nicht damit aufhalte, dich zu begraben.«
«Du meinst, du willst mich überleben, Zwerg?«Der Söldner grinste. Er hatte eine dunkle Lücke in seinem Lächeln, wo die Kante von Ser Vardis Egens Schild ihm einen Zahn
ausgeschlagen hatte.
Tyrion zuckte mit den Schultern.»Bei Nacht hart und schnell zu reiten ist eine sichere Methode, am Berg auszurutschen und sich den Hals zu brechen. Ich ziehe es vor, langsam und entspannt zu reisen. Ich weiß, daß dir der Geschmack von Pferden zusagt, Bronn, nur wenn unsere Tiere diesmal unter uns wegsterben, werden wir versuchen müssen, Schattenkatzen zu satteln, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so glaube ich, daß uns die Clans entdecken werden, egal was wir auch tun. Ihre Augen sind überall. «Er deutete auf die hohen, windumtosten Klippen rundum.
Bronn verzog das Gesicht.»Dann sind wir tot, Lannister.«
«Wenn ja, so ziehe ich es vor, bequem zu sterben«, erwiderte Tyrion.»Wir brauchen Feuer. Die Nächte hier oben sind kalt, und warmes Essen wird uns die Bäuche wärmen und aufmuntern. Glaubst du, wir könnten hier Wild finden? Lady Lysa hat uns freundlicherweise mit einem veritablen Festmahl aus Pökelfleisch, hartem Käse und altem Brot versorgt, nur würde ich mir ungern so fern vom nächsten Maester einen Zahn abbrechen.«
«Fleisch kann ich besorgen. «Unter einer Strähne von schwarzem Haar hervor beobachtete Bronn mit seinen dunklen Augen Tyrion voller Argwohn.»Ich sollte dich mit deinem Feuer hier zurücklassen. Wenn ich dein Pferd nähme, stünden meine Chancen doppelt gut, es zu schaffen. Was würdest du dann tun, Zwerg?«
«Sterben höchstwahrscheinlich. «Tyrion bückte sich, um einen weiteren Zweig aufzuheben.
«Denkst du, ich würde es nicht tun?«
«Du würdest es sofort tun, wenn dein Leben davon abhinge. Schließlich warst du auch schnell damit, deinen Freund Chiggen zum Schweigen zu bringen, als er diesen Pfeil in den Bauch bekam. «Bronn hatte den Kopf des Mannes am Haar zurückgerissen, die Spitze seines Dolches unterm Ohr hineingetrieben und später Catelyn Stark erklärt, der andere Söldner sei seiner Wunde erlegen.
«Er war so gut wie tot«, sagte Bronn,»und sein Stöhnen lockte sie an. Chiggen hätte dasselbe für mich getan… und er war kein Freund, nur ein Mann, mit dem ich gemeinsam geritten bin. Täusche dich nicht, Zwerg. Ich habe für dich gekämpft, aber ich liebe dich nicht.«
«Ich brauche deine Klinge«, erwiderte Tyrion,»nicht deine Liebe. «Er warf seinen Armvoll Holz zu Boden.
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