»Aha«, sagte Mike. Ich weiß, das klingt ein wenig seltsam, gestand Astaroth, aber es ist nun einmal so.
Es sind Geschöpfe von großer Macht und glaub mir, sie sind sehr gefährlich. »Für wen?«, wollte Mike wissen. Nicht für euch, antwortete Astaroth. Jedenfalls nicht, solange ihr ihnen nicht in die Quere kommt.
»Was sind das für Wesen?«, fragte Mike. Kann ich dir nicht erklären, erwiderte der Kater. Ich darf es nicht. Selbst wenn ich es dürfte, könnte ich es wahrscheinlich nicht einmal. Aber ihr seid nicht in Gefahr. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.
Mikes Meinung nach war es schon immer eine nahezu todsichere Methode gewesen, jemanden in Panik zu versetzen, indem man ihm nur nachdrücklich genug versicherte, dass er keinen Grund hatte, Angst zu haben. Außerdem verwirrte und beunruhigte ihn Astaroths seltsames Benehmen immer mehr. Der Kater unterhielt sich mit ihm, er beantwortete seine Fragen, aber Mike hatte das Gefühl, dass er genauso gut mit seinem Schrank reden konnte oder mit der Tür.
»Was ist nur los mit dir?«, fragte er. »Warum benimmst du dich so komisch?« Auch das hat seine Gründe, erwiderte der Kater geheimnisvoll. »Über die du ebenfalls nicht reden kannst«, vermutete Mike. Stimmt, sagte Astaroth. Mike sog hörbar die Luft ein. Er streckte die Hand nach Astaroth aus und für eine Sekunde musste er sich mit aller Kraft beherrschen, den Kater nicht einfach zu nehmen und ihn zu schütteln. Er unterdrückte den Impuls mühsam, aber er fuhr fort: »Das reicht mir nicht. Wenn du willst, dass ich dein Spiel mitspiele und meine Freunde belüge, dann musst du mir schon ein paar bessere Gründe dafür nennen.« Das werde ich, antwortete Astaroth, aber jetzt nicht. »Und wann?«
Sobald alles vorbei ist.
»Vielen Dank für diese präzise Auskunft«, murmelte Mike. »Es hat etwas mit Argos zu tun, richtig? Sie sind seinetwegen hier. Sind sie hinter ihm her?« Ja, gestand Astaroth. Aber warum und wer sie geschickt hat, das darf ich dir nicht sagen.
»Ich dachte, wir wären Freunde«, sagte Mike vorwurfsvoll. Bis jetzt sind wir das auch noch, erwiderte Astaroth. Und wenn du möchtest, dass es dabei bleibt, dann hör auf, zu viele Fragen zu stellen!
»Ich frage mich ja nur, auf wessen Seite du stehst.« Das ist zum Beispiel eine von den Fragen, die du nicht stellen solltest, sagte Astaroth. »Warum? Nur weil er aus Atlantis stammt und - « Er stammt nicht nur aus Atlantis, unterbrach ihn Astaroth. Er war der Herrscher von Atlantis. Er hat mich dazu ausersehen, auf seine Tochter aufzupassen, und streng genommen gehört ihm dieses Schiff.
»Und jetzt will er es wiederhaben«, vermutete Mike.
Wenn er das wollte, hätte er es euch schon längst weggenommen, erwiderte Astaroth. Nein, keine Angst. Er will weder euer kostbares Schiff noch will er dir Serena wegnehmen.
»Warum ist er dann hier?« Weil sich eure Wege zufällig gekreuzt haben, sagte der Kater. MUSS ich dich wirklich daran erinnern, dass ihr ihn verfolgt habt und nicht umgekehrt? Er begann leise zu schnarchen, fuhr aber trotzdem fort:
Und dass er es war, der sein Leben riskiert hat, um euch zu retten? Mike blickte den Kater verblüfft an. Astaroth hatte den Kopf auf die Pfoten gelegt, das Auge geschlossen und schnarchte hörbar. Er schlief, daran bestand gar kein Zweifel. Und trotzdem fuhr seine lautlose Stimme in Mikes Kopf fort:
Es ist natürlich deine Entscheidung. Ich will dich nicht zu etwas überreden, was du nicht wirklich möchtest. Aber wenn ich du wäre, dann würde ich aufhören, ihn mit meinem Misstrauen zu verfolgen, und mir stattdessen überlegen, wie wir alle gemeinsam aus dieser Lage wieder herauskommen.
Irgendetwas stimmte hier nicht. Astaroth war schon für so manche Überraschung gut gewesen, aber dass er im Schlaf redete und dass er auf Fragen antwortete, das konnte Mike nun doch nicht glauben. Er machte einen halben Schritt auf den Kater zu, blieb wieder stehen und sagte: »Und was hat es mit all diesen Haifischen auf sich? Es ist doch bestimmt kein Zufall, dass sie ausgerechnet jetzt in unserer Nähe auftauchen?« Nein, erwiderte Astaroth. Aber auch das gehört zu den Dingen, über die du dir besser nicht den Kopf-
Mike hörte jedoch gar nicht mehr zu. Während Astaroth antwortete, hatte er sich auf Zehenspitzen der Tür genähert und jetzt riss er sie auf, stürmte auf den Gang hinaus und wäre um ein Haar gegen Argos geprallt, der hoch aufgerichtet und reglos unmittelbar vor der Tür stand. Das Gesicht des Atlanters war starr. Seine Augen waren geöffnet, aber Mike war sicher, dass er ihn im ersten Moment gar nicht zur Kenntnis nahm. Er schien konzentriert einen Punkt irgendwo im Nichts anzustarren und auch seine ganze Haltung war verspannt. Es dauerte nur eine halbe Sekunde. Als er Mikes Schritte hörte, erwachte er aus seiner seltsamen Trance, blinzelte und zauberte dann ein beinahe überzeugend wirkendes Lächeln auf sein Gesicht. »Hallo, Mike«, sagte er. »Ich wollte gerade zu dir kommen, um -« »So ist das also«, sagte Mike. Plötzlich war ihm alles klar. Von einer Sekunde auf die andere ergab Astaroths seltsames Verhalten einen Sinn, auch wenn er so schrecklich war, dass er sich im ersten Moment weigerte, es zu glauben. »Aber Sie waren doch schon bei mir«, sagte er. Argos legte perfekt gespielt die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?« »Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen«, erwiderte Mike scharf. Er machte eine Geste über die Schulter zurück. »Dort drinnen. Das war nicht Astaroth, der mit mir gesprochen hat, nicht wahr? Das waren Sie!« »Ich? Aber wie kommst du denn darauf?« »Hören Sie auf!«, sagte Mike wütend. »Wie lange geht das schon so? Erst seit heute oder habe ich schon seit zwei Wochen mit Ihnen gesprochen, wenn ich dachte, ich rede mit Astaroth? Und was haben Sie mit ihm gemacht?!« Argos spielte weiter den Unwissenden, aber es wirkte jetzt nicht mehr überzeugend. Bevor er jedoch antworten konnte, ging die Tür einer der anderen Kabinen auf und ein ziemlich verschlafener Trautman streckte den Kopf heraus.
»Was ist denn hier los?«, murmelte er. »Mike?« Er kam ganz auf den Flur heraus, schien erst in diesem Moment zu bemerken, dass Mike nicht allein war, und blickte stirnrunzelnd von Argos zu ihm und wieder zurück. »Was geht hier vor?« »Mike und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit«, sagte Argos lächelnd. »Aber ich glaube, sie ist beigelegt.« »Wissen Sie, was er getan hat?«, fragte Mike erregt. Er deutete anklagend auf den Atlanter. »Er hat Astaroth beeinflusst. Undeuchalle auch.« Du solltest das nicht versuchen, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Vor einer Minute hätte er sie noch für die Astaroths gehalten, nun aber wusste er, dass es niemand anders als Argos war, mit dem er redete. Verblüfft fragte er sich, wie er nur so dumm hatte sein können. Sie alle wussten doch, dass die alten Atlanter - zumindest einige von ihnen - über geistige Kräfte verfügt hatten, die einem normalen Menschen wie pure Zauberei vorgekommen wären. Auch Serena hatte diese Kräfte gehabt, sie aber dann abgegeben. Wieso aber war keinem von ihnen auch nur der Verdacht gekommen, dass Argos über dieselben unheimlichen Zauberkräfte verfügte? Schließlich war er ihr Vater. Nun öffneten sich nacheinander auch die anderen Türen und Singh, Ben und Serena traten auf den Gang heraus. Einzig Juan und Chris schienen von dem Streit nichts mitbekommen zu haben. »Also, jetzt mal langsam«, sagte Trautman. Er unterdrückte ein Gähnen, blinzelte und fragte: »Was genau
meinst du damit: Er hat Astaroth beeinflusst und uns
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