»Von Ihnen nehme ich keine Befehle entgegen!«, fuhr Guillam auf. Er trat auf Blays zu und hielt plötzlich ein winziges Messer in der Hand, wie man es zum Häuten von Wild benutzte. Seine Mundwinkel zitterten, und seine fahlen Augen glänzten. »Vergessen Sie nicht, dass ich Meister im Umgang mit Degen und Schwert bin! Ohne mich können Sie mit den Schwertern der Hölle nicht das Geringste anfangen. Und ohne diese Klingen ist Ihr schöner Aufstand von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie brauchen mich, Blays; ich brauche Sie nicht. Meine privaten Vorlieben gehen Sie einen Dreck an! Mir sagt niemand, was ich zu tun und zu lassen habe! Weder Sie noch die Barone oder…«
Eine große Pranke schloss sich um sein Handgelenk und drückte kräftig zu. Guillam stieß einen Schmerzensschrei aus, und sein Gesicht wurde schneeweiß. Tränen rollten ihm über die Wangen, während Bedivere seine Hand wie in einem Schraubstock festhielt.
»Sie tun nichts, das unsere Pläne gefährden könnte«, sagte Sir Bedivere ruhig, »sonst zerquetsche ich Sie mit bloßen Händen, Sie Zwerg!«
Er ließ los, stöhnend versuchte Guillam die Finger zu bewegen.
»Später können Sie Ihrem widerwärtigen Zeitvertreib nachgehen, wenn Sie wollen«, fuhr Sir Bedivere fort. »Aber solange Harald nicht fest auf dem Thron sitzt und unseren Weisungen gehorcht, werden Sie alles vermeiden, was unserer Mission schadet! Ist das klar?«
Guillam nickte rasch. Bedivere wandte sich ab und blickte in das Menschengewühl. Der rötliche Glanz war bereits aus seinen Augen gewichen, aber der Wahnsinn blieb, wie immer.
Blays schüttelte den Kopf, als Guillam ungeschickt das Messer in den Ärmel schob. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, weshalb er sich mit einem Berserker und einem Perversen zusammengetan hatte, um ein Komplott gegen seinen König zu schmieden. Es war alles Johanns Schuld. Er hatte sich als zu schwach erwiesen. Hätte er mehr Stärke und Tatkraft gezeigt und die notwendigen Schritte unternommen, dann wäre es nie zu dieser Entwicklung gekommen. Du hättest nie das Curtana-Schwert ins Spiel bringen dürf en, Johann! Alles andere, und wir hätten uns irgendwie geeinigt.
Aber sobald das Alte Arsenal wieder auf gespürt war, konnte ich nichts mehr f ür dich tun, Johann. Harald war aus anderem Holz geschnitzt. Er kannte die Spielregeln der Macht. Einen starken König auf dem Thron des Waldkönigreichs, der mit den Baronen statt gegen sie arbeitete; das war es, was das Land brauchte. Dann konnte man den Dunkelwald zurückdrängen und die Dämonen vernichten. Dann wäre alles wieder so wie früher. Alles.
Ich hasse dich, Johann! Ich hasse dich, weil du mich zum Verräter gemacht hast!
Cecelia glitt strahlend durch die Menge, plauderte mit Leuten, die sie nicht ausstehen konnte, und lächelte, bis ihre Wangenmuskeln schmerzten. Die Luft wurde trotz der vielen Ventilationsschlitze allmählich stickig und schneidend, und das unentwegte Dröhnen zu vieler Stimmen zerrte an Cecelias Gemüt, bis sie am liebsten laut aufgeschrien hätte. Schließlich fand sie, dass sie genug gelitten hatte. Sie nahm Gregory am Arm und führte ihn mit sanfter Gewalt zur Punschterrine, auf der Suche nach Ruhe und einem stärkenden Getränk.
»Mit wem müssen wir uns denn noch unterhalten?«, stöhnte sie und trank durstig ihr Glas leer.
»Mit jedem, der uns in den Weg läuft«, entgegnete Gregory ruhig. »Die Leute müssen völlig davon überzeugt sein, dass es in ihrem Interesse ist, sich mit uns zu verbünden.«
Cecelia streckte ihr Glas aus und wartete, bis es nachgefüllt war. »Weißt du, Gregory, es gab Zeiten, da konnte ich bis in den Morgen hinein trinken und tanzen, dann vier Stunden schlafen und fröhlich weitermachen. Aber sieh mich jetzt an! Der Abend hat erst angefangen, und ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich werde zu alt für solche Fest.«
»Unsinn!«, widersprach Gregory galant.
»O doch«, beharrte Cecelia mit Trauer in der Stimme. »Ich bin einundvierzig, habe ein Doppelkinn und Hängebrüste.«
»Was soll das?«, fragte Gregory energisch. »Du bist so jung und schön wie immer. Das weiß keiner besser als ich.«
Cecelia lächelte und lehnte sich müde an die Brust des jungen Gardeoffiziers. »Mein lieber Gregory, du verstehst es, Komplimente zu machen. Deshalb habe ich dich so gern in meiner Nähe.«
»Nur deshalb?«
Cecelia lachte sinnlich und löste sich wieder von ihm.
»Später, mein Lieber, später. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.« Dann zögerte sie und sah ihn nachdenklich an. »Gregory…«
»Mylady?«
»Weshalb bleibst du eigentlich bei mir? Du weißt, dass ich mich nie von Darius scheiden lasse.«
»Ja«, sagte Gregory, »das weiß ich.«
»Liebst du mich?«
»Vielleicht. Weshalb zerbrichst du dir den Kopf darüber, solange wir unseren Spaß haben? Grübeln können wir morgen. Heute gehören wir zusammen, und ich war nie glücklicher. Nie!«
Cecelia nahm seinen Kopf in ihre Hände, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn zärtlich. »Danke, mein Lieber«, sagte sie leise und ließ ihn wieder los. »Und jetzt tu mir den Gefallen und unterhalte dich eine Weile allein mit diesen grässlichen Leuten. Ich bleibe hier sitzen und genehmige mir ein paar Minuten Kopfschmerzen.«
Gregory nickte gutmütig und stürzte sich mannhaft in das Gewühl. Cecelia warf einen zweifelnden Blick auf den Punsch, doch dann zuckte sie die Achseln und trank noch einen Schluck. Ein Glas mehr oder weniger würfe sie nicht um. Darius gesellte sich zu ihr und tupfte sich mit einem seidenen Taschentuch, das schon bessere Zeiten gesehen hatte, den Schweiß von der Stirn.
»Wie läuft der Plan?«, fragte er und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Punschterrine.
»Gar nicht schlecht«, meinte Cecelia. Sie hielt ihm ihr Glas hin, aber er schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Darius. Die meisten Gäste stehen auf unserer Seite; die übrigen müssen wie immer zu ihrem Glück überredet werden.«
»Gib mir sofort Bescheid, wenn jemand versucht, vorzeitig aufzubrechen.«
»Abgemacht. Ich gehe davon aus, dass du deinen Giftdolch mitgebracht hast.«
»Natürlich. Und die Wachposten haben ihre Order. Keiner verlässt lebend diesen Raum, solange ich nicht mein Einverständnis gegeben habe. Das Komplott ist so weit gediehen, dass wir jetzt keinen Verrat mehr riskieren können. Viele Köpfe würden rollen.«
Cecelia nickte sachlich und begann auf einmal zu frösteln.
Sie streckte die Hand nach Darius aus, doch der hatte sich umgedreht und beobachtete seine Gäste. Cecelia stand auf und trat neben ihn. Die Tänzer standen etwas unsicher auf den Beinen, machten jedoch durch Begeisterung wett, was ihnen an Geschick und Rhythmusgefühl fehlte. Der Lärmpegel schwoll an, und das Gelächter wurde rauer und ausgelassener.
»Der Wein geht allmählich zur Neige«, sagte Cecelia.
»Wann beginnen wir mit der Demaskierung?«
»Bald, meine Liebe, bald. Wir dürfen nichts überstürzen.
Das Vertrauen in uns und unsere Sache muss sich noch etwas festigen. Wenn ich glaube, dass sie so weit sind, gebe ich dir ein Zeichen, und wir nehmen beide die Masken ab. Das bricht vermutlich das Eis, und die anderen folgen unserem Beispiel.«
»Und wenn nicht?«, fragte Cecelia ruhig. »Wenn es uns nicht gelingt, sie zu überzeugen?«
»Es muss gelingen«, erwiderte Darius ebenso ruhig.
»Sonst sind wir diejenigen, die diesen Raum nicht lebend verlassen.«
Julia ging forschen Schrittes durch den hell erleuchteten Gang und rieb sich geistesabwesend die schmerzenden Knöchel. So ein alberner Wachposten glaubte doch nicht im Ernst, dass er ihr vorschreiben konnte, welchen Korridor sie benutzen durfte und welchen nicht. Zweifellos würde er seinen beleidigenden Tonfall bereuen, wenn er wieder zu sich kam. Julia grinste und blieb dann unvermittelt stehen, um zu horchen. Sie hätte schwören können, dass da etwas war…
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