Damit mußte Una sich wohl oder übel zufriedengeben.
Es dauerte weitere fünf Jahre, ehe die beiden Reisenden endgültig in der Bergfestung ankamen. Sie waren staubig und müde und in Lumpen gekleidet, und man behandelte sie – zur Schande des ganzen Landes – zunächst wie Vagabunden und Landstreicher. Erst als der Mann den Topas vorwies, den er um den Hals trug, erkannte man ihn als Lady Unas einzigen Sohn.
Die Amtseinsetzung und die anschließenden Festlichkeiten zogen sich über fast einen Monat hin; danach widmete sich der junge zweiundachtzigste Lord von Stormhold den Regierungsgeschäften. Er traf so wenige Entscheidungen wie möglich, aber diejenigen, die er traf, waren ausnahmslos klug, auch wenn dies nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen war. Er war ein tapferer Krieger – obwohl seine linke Hand vernarbt und kaum zu gebrauchen war – und ein schlauer Stratege. So führte er sein Volk zum Sieg über die Nördlichen Goblins, als diese den Paß für Reisende blockierten, und er schloß einen stabilen Frieden mit den Adlern der High Crags, einen Frieden, der bis heute andauert.
Seine Frau, Lady Yvaine, war eine schöne Frau aus fernen Landen (wobei niemand genau wußte, woher sie kam). Als sie und ihr Ehemann nach Stormhold kamen, bezog sie eine Zimmerflucht in einer der höchsten Zinnen der Zitadelle. Diese Zimmer standen seit langem leer, weil die Palastbewohner sie für unbewohnbar hielten – das Dach war bei einem Steinschlag vor tausend Jahren eingestürzt. Seitdem lagen die Räume unter freiem Himmel: Der Mond und die Sterne schienen herein, und leuchteten so hell in der dünnen Gebirgsluft, daß man das Gefühl hatte, man könnte in den Himmel greifen und sie mit der Hand herunterholen.
Tristran und Yvaine waren glücklich miteinander. Nicht in alle Ewigkeit, denn die diebische Zeit holt zu guter Letzt alles in ihr staubiges Lagerhaus, aber in Anbetracht dieser unabänderlichen Gegebenheiten waren sie sehr lange glücklich. Dann kam der Tod in der Nacht und wisperte sein Geheimnis ins Ohr des zweiundachtzigsten Lord von Stormhold. Dieser nickte mit seinem grauen Kopf und schwieg für immer. Sein Volk brachte seine sterblichen Überreste in die Ahnenhalle, wo sie bis zum heutigen Tage in Frieden ruhen.
Nach Tristrans Tod wurde von manchen behauptet, er sei Mitglied der Bruderschaft des Schlosses und maßgeblich an der Unterwerfung des Unseelie Court beteiligt. Aber die Wahrheit starb mit ihm, wie so vieles. Niemand konnte den Beweis antreten, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Yvaine wurde die Lady von Stormhold und erwies sich als bessere Monarchin in Kriegs- und Friedenszeiten, als man es sich je erhofft hatte. Sie alterte nicht wie ihr Ehemann, und ihre Augen blieben so blau, ihr Haar so golden-weiß und – wie die freien Bürger von Stormhold es gelegentlich beobachten konnten – ihr Temperament so aufbrausend, wie an dem Tag, an dem Tristran ihr zum ersten Mal auf der Lichtung am Teich begegnet war.
Bis heute hat sie nicht aufgehört zu hinken, obgleich niemand auf Stormhold je ein Wort darüber fallenläßt, genausowenig wie über die Tatsache, daß sie manchmal in der Dunkelheit glitzert und strahlt.
Man sagt, daß sie jede Nacht, sofern die Staatsgeschäfte es zulassen, auf die höchste Zinne des Palasts steigt, wo sie Stunde um Stunde verweilt und den kalten Wind der hohen Berge nicht zu bemerken scheint. Sie sagt nichts, sondern blickt nur hinauf in den dunklen Himmel und beobachtet mit traurigen Augen den langsamen Tanz der unendlichen Sterne.
Zuerst und im besonderen gilt mein Dank Charles Vess. Er ist derjenige unter den heutigen Künstlern, der den großen viktorianischen Feen- und Elfenmalern am nächsten kommt, und ohne seine Kunst und Inspiration stünde kein einziges Wort auf diesen Seiten. Jedesmal wenn ich ein Kapitel vollendet hatte, rief ich ihn an und las es ihm vor, und er lauschte geduldig und kicherte genau an den richtigen Stellen.
Mein Dank gilt auch Jenny Lee, Karen Berger, Paul Levitz, Merrilee Heifetz, Lou Aronica, Jennifer Hershey und Tia Maggini: Sie alle haben mir geholfen, dieses Buch zu schreiben.
Immens viel zu verdanken habe ich Hope Mireless, Lord Dunsany, James Branch Cabell und C. S. Lewis, wo immer sie sich gegenwärtig aufhalten mögen, denn von ihnen habe ich gelernt, daß Märchen auch für Erwachsene da sind.
Tori hat mir ein Haus geliehen; ich habe das erste Kapitel dort geschrieben, und als Gegenleistung wollte sie nur einen Baum.
Einige Leute haben das Buch gelesen, während ich es geschrieben habe, und mir gesagt, was ich richtig und was ich falsch gemacht habe. Sie sind nicht schuld daran, wenn ich nicht auf sie gehört habe. Vor allem danke ich hier Amy Horsting, Lisa Henson, Diana Wynne Jones, Chris Bell und Susanna Clarke.
Meine Frau Mary und meine Assistentin Loraine haben mehr als ihren Teil beigetragen, denn sie haben die ersten handschriftlichen Kapitel abgetippt, wofür ich ihnen gar nicht genug danken kann.
Die Kinder waren offen gestanden überhaupt keine Hilfe, und ich glaube, ich möchte es auch nie anders haben.
Neil Gaiman Juni 1998