»Hier, in dieser Welt. Was macht dich so sicher, Zedd?«
Zedd deutete mit dem Finger auf den leeren Platz in ihrem Kreis rings um die Huldigung. »Setz dich hin, Richard. Dein Herumgerenne macht mich nervös. Du bist wie ein Hund, der darauf wartet, rausgelassen zu werden.«
Während Richard ein letztes Mal das Fenster überprüfte, fragte Kahlan Zedd: »Was sind diese in den Grußformeln genannten Chimären?«
»Ach«, meinte Zedd achselzuckend, »es handelt sich lediglich um ein paar ziemlich lästige Kreaturen. Aber…«
»Lästig!« Ann schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Wohl eher katastrophal!«
»Und ich habe sie herbeigerufen?« fragte Kahlan, deren Stimme einen zunehmend besorgten Unterton annahm. Sie hatte die Namen der drei in den Grußformeln Genannten laut ausgesprochen, um eine Magie zu vervollständigen, die Richard das Leben rettete. Sie hatte die Bedeutung der Worte nicht gekannt, aber gewußt, daß Richard ohne sie spätestens ein, zwei Atemzüge später gestorben wäre.
Zedd machte eine abwiegelnde Handbewegung, um ihre Befürchtungen zu beschwichtigen. »Nein, nein. Wie Ann schon sagte, können sie durchaus Ärger machen, aber…«
Richard zupfte die Hosen an den Knien an und schlug die Beine übereinander. »Zedd, bitte, beantworte meine Frage. Was macht dich so sicher, daß sie nicht hier sind?«
»Weil die Chimären aus den Grußformeln eine Dreiergruppe darstellen. Das ist zum Teil der Grund dafür, daß es überhaupt drei sind: Reechani, Sentrosi, Vasi.«
Kahlan wäre um ein Haar aufgesprungen. »Ich dachte, man darf sie nicht laut aussprechen.«
»Sollte man auch nicht. Ein ganz normaler Mensch kann sie aber ohne gefährliche Folgen benennen. Ich kann sie laut aussprechen, ohne sie herbeizurufen; Ann kann es, und Richard ebenfalls. Nicht aber so überaus seltene Menschen wie du.«
»Wieso gerade ich?«
»Weil du über eine Magie verfügst, die es dir ermöglicht, sie zugunsten eines anderen herbeizurufen. Ohne die Gabe aber, die den Schleier schützt, könnten die in den Grußformeln genannten Chimären, getragen von deiner Magie, sogar bis in diese Welt herüberwechseln. Die Namen der drei Chimären sollten eigentlich ein Geheimnis sein.«
»Dann wäre es also möglich, daß ich sie in diese Welt gerufen habe?«
»Bei den Gütigen Seelen«, meinte Richard leise. Aus seinem Gesicht war alles Blut gewichen. »Dann könnten sie tatsächlich hier sein.«
»Nein, nein. Es gibt zahllose Schutzvorrichtungen sowie zahlreiche Bedingungen, die ebenso zwingend erforderlich wie außergewöhnlich sind.« Zedd hob einen Finger, um Richards Frage abzuwürgen, bevor sie ihm über die bereits geöffneten Lippen kam. »Unter anderem müßte Kahlan dann deine dritte Ehefrau sein.«
Zedd bedachte Richard kurz mit einem gönnerhaften Schmunzeln. »Zufrieden, Meister kenn-ich-alles-schon-aus-einem-Buch?«
Richard entfuhr ein Stoßseufzer. »Gut.« Ein weiterer deutlich vernehmbarer Seufzer, dann kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. »Gut. Sie ist erst meine zweite Frau.«
»Was!« Zedd warf die Arme in die Höhe und wäre beinahe nach, hinten gekippt. Mit einem verärgerten Schnauben zog er seine Ärmel wieder herunter. »Was soll das heißen, sie ist erst deine zweite Frau? Ich kenne dich dein ganzes Leben, Richard, und ich weiß, außer Kahlan hast du noch niemanden geliebt. Warum in aller Schöpfung solltest du eine andere heiraten?«
Richard räusperte sich und wechselte einen gequälten Blick mit Kahlan. »Hör zu, das ist eine lange Geschichte, am Ende läuft es jedenfalls darauf hinaus, daß ich Nadine heiraten mußte, um in den Tempel der Winde zu gelangen und dadurch der Pest ein Ende zu bereiten. Demzufolge ist also Kahlan meine zweite Frau.«
»Nadine.« Zedd kratzte sich an seiner eingefallenen Wange. »Nadine Brighton? Diese Nadine?«
»Ja.« Richard stocherte im Staub herum. »Nadine … starb kurz nach der Hochzeitszeremonie.«
Zedd stieß ein leises Pfeifen aus. »Nadine war ein nettes Mädchen – sie wollte Heilerin werden. Das arme Ding. Ihre Eltern werden am Boden zerstört sein.«
»Ja, das arme Ding«, meinte Kahlan kaum vernehmbar.
Es war Nadines beharrlich ehrgeiziges Streben gewesen, sich Richard zu angeln, und dieser Ehrgeiz hatte nur wenige Grenzen gekannt. Unzählige Male hatte Richard Nadine in unmißverständlichen Worten klar gemacht, es sei nichts zwischen ihnen und daran würde sich auch niemals etwas ändern, und überdies wolle er, daß sie so schnell wie irgend möglich verschwinde. Zu Kahlans Erbitterung hatte Nadine daraufhin stets gelächelt und gemeint: »Was immer du willst, Richard« und weiter ihre Ränke geschmiedet.
Obwohl sie Nadine niemals etwas wirklich Schlimmes gewünscht hätte, schon gar nicht jenen fürchterlichen Tod, den sie gestorben war, brachte Kahlan es nicht fertig, Bedauern für diese hinterhältige Hure, wie Cara sie genannt hatte, an den Tag zu legen.
»Wieso bist du so rot im Gesicht?« fragte Zedd.
Kahlan hob den Kopf; Zedd und Ann sahen sie an.
»Nun ja…« Kahlan wechselte das Thema. »Augenblick mal. Als ich die drei Grußformeln aussprach, war ich gar nicht mit Richard verheiratet. Wir wurden erst nach unserem Eintreffen hier bei den Schlammenschen getraut.«
»Um so besser«, meinte Ann. »Das nimmt einen weiteren Trittstein aus dem Pfad der Grußformeln.«
Richard ergriff Kahlans Hand. »Das muß nicht unbedingt zutreffen. Als wir gezwungen waren, die Worte zu sprechen, um die Bedingungen für mein Betreten des Tempels zu erfüllen, sprachen wir die Worte in unserem Herzen, um behaupten zu können, wir seien aufgrund dieses Treuegelübdes getraut worden.«
»Manchmal funktioniert Magie, jedenfalls die Magie der Welt der Seelen, nach diesen doppelsinnigen Regeln.«
Ann verlagerte unangenehm berührt ihr Gewicht. »Wie wahr.«
»Aber wie ihr es euch auch immer zurechtlegt, damit wäre sie immer noch erst seine zweite Frau.« Zedd beäugte die beiden argwöhnisch. »Die Geschichte wird jedesmal komplizierter, sobald du nur den Mund aufmachst. Ich muß die ganze Chose hören.«
»Wir können dir vor unserer Abreise einen kleinen Teil davon erzählen. Sobald du in Aydindril ankommst, werden wir die Zeit haben, dir alles zu berichten. Aber jetzt müssen wir umgehend durch die Sliph zurückkehren.«
»Warum diese Hast, mein Junge?«
»Jagang wünscht sich nichts sehnlicher als die gefährliche Magie, die in der Burg der Zauberer aufbewahrt wird, in die Hände zu bekommen. Das wäre verhängnisvoll. Du wärst der beste Schutz für die Burg der Zauberer, Zedd, aber findest du nicht auch, daß Kahlan und ich bis dahin besser wären als nichts?«
»Jedenfalls waren wir dort, als Jagang Marlin und Schwester Amelia nach Aydindril schickte.«
»Amelia!« Ann schloß die Augen und preßte die Hände an ihre Schläfen. »Sie ist eine Schwester der Finsternis. Wißt ihr, wo sie sich zur Zeit aufhält?«
»Die Mutter Konfessor hat auch sie getötet«, meinte Cara hinten an der Tür.
Kahlan warf der Mord-Sith einen mißbilligenden Blick zu; Cara erwiderte ihn, grinsend wie eine stolze Schwester.
Ann öffnete ein Auge und linste zu Kahlan hinüber. »Das ist keine Kleinigkeit. Erst einen Zauberer, der seine Anweisungen von dem Traumwandler erhält, anschließend eine Frau, die die finsteren Fähigkeiten des Hüters selbst beherrscht.«
»Es war eine Verzweiflungstat«, meinte Kahlan. »Nichts sonst.«
Zedd pflichtete ihr mit einem kurzen, brummigen Lachen bei. »Verzweiflungstaten können sehr mächtige Magie enthalten.«
»Genau wie diese Geschichte mit dem Aussprechen der drei Grußformeln«, erwiderte Kahlan. »Eine Verzweiflungstat, um Richard das Leben zu retten. Was sind diese in den Grußformeln genannten Chimären? Warum warst du so besorgt?«
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