Diese Soldaten haben viele von euch verschleppt, um sie als Sklaven zu mißbrauchen. Viele andere wurden von ihnen einfach umgebracht. Denkt daran, wenn sie kommen, um euch ebenfalls zu töten.«
Richard wandte sich herum und sah den Männern ins Gesicht. »Denkt daran, wenn ihr diesen Bestien gegenübertretet.« Die Zähne zusammengebissen, schlug er sich mit der Faust gegen die Brust. »Und wenn ihr diesen Männern gegenübertretet, Männern, die euch und euren Lieben diese grauenhaften Dinge angetan haben, dann tretet ihnen mit Haß im Herzen gegenüber. Bekämpft sie mit haßerfülltem Herzen, und tötet sie mit haßerfülltem Herzen. Nichts anderes haben sie verdient.«
Im Wald war es vollkommen still, während die Männer sich seine harten, für manche sicherlich erschreckenden Worte durch den Kopf gehen ließen. Sein eigener Zorn und Haß waren so übermächtig, daß er es kaum noch erwarten konnte, sich auf die Soldaten der Imperialen Ordnung zu stürzen.
Richard, durchdrungen von der Bedeutung dessen, was er ihnen am Vorabend einer Schlacht von solcher Tragweite zu erklären hatte, blickte in jedes einzelne Gesicht, als ihm plötzlich der Schriftzug auf der Statue am Eingang dieses Landes in den Sinn kam, die Worte des Achten Gesetzes der Magie: Taiga Vassternich.
»Da ist noch ein letztes, was ich euch erklären muß«, erklärte er. »Das Wichtigste überhaupt.« Richard trat als Herrscher des d’Haranischen Reiches vor sie hin, eines Reiches, das um sein Überleben und für seine Freiheit kämpfte, und rief ihnen die Worte in ihrer eigenen Sprache zu. »Erweist euch des Sieges würdig.« Es wurde gerade eben hell, als sie in die Stadt einfielen. Zurückgeblieben war nur Jennsen; Richard hatte ihr verboten, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Zum einen, weil sie zu jung und nicht annähernd so kräftig war wie die Krieger, mit denen sie es zu tun bekommen würden, aber auch, weil sie ein zu verlockendes Ziel böte. Vergewaltigung war die heilige Waffe der Gottlosen, eine Waffe, der sich dieser Feind mit erschreckender Zuverlässigkeit bediente. Um einen solchen Fang würden sich die Krieger der Imperialen Ordnung scharen. Bei Cara dagegen lag der Fall anders, denn sie war ja eine ausgebildete Kriegerin und, mit Ausnahme Richards, tödlicher als jeder andere von ihnen.
Aus einer engen Seitengasse trat ein Mann, den sie wegen seiner guten Kenntnisse der Gegend als Kundschafter vorausgeschickt hatten. Als sie bei ihm waren, traten sie alle bis dicht vor die Häuserwand, um möglichst ungesehen zu bleiben.
»Ich habe sie gefunden«, erklärte der Kundschafter atemlos. Er deutete auf das Gebiet rechts von ihrer in die Stadt hineinführenden Route.
»Wie viele sind es?«, erkundigte sich Richard.
»Meiner Meinung nach muß es sich um ihre Hauptstreitmacht innerhalb der Stadt handeln. Lord Rahl. Das Gebäude ist ihr Schlafhaus; sie scheinen noch immer alle dort und noch nicht auf den Beinen zu sein, genau wie Ihr es erwartet hattet. Der Komplex, den sie beschlagnahmt haben, besteht aus mehreren Gebäuden, in denen die Amtszimmer der Stadtverwaltung untergebracht sind. Aber ich bringe auch schlechte Nachrichten. Sie werden von Einwohnern aus der Stadt beschützt.«
Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht zu husten, und stützte sich mit einer Hand am Fensterrahmen des Gebäudes neben ihm ab.
»Was soll das heißen, sie werden beschützt?«
»Das von den Soldaten besetzte Gebäude ist von Scharen Stadtbewohnern umringt. Offenbar haben sich diese Leute dort eingefunden, um die Soldaten zu beschützen – und zwar vor uns. Mit ihrer Anwesenheit wollen sie uns daran hindern, anzugreifen.«
Richard stieß ein verärgertes Schnauben aus. »Also gut.« Er wandte sich wieder herum zu den besorgt dreinblickenden, erwartungsvollen Gesichtern. »Hört jetzt genau zu, was ich euch sage. Wir haben uns entschlossen, den Kampf gegen das Böse aufzunehmen. Wer sich dagegen auf die Seite des Bösen schlägt, indem er seine Handlanger zu beschützen sucht, setzt sich für dessen Fortbestand ein.«
Verunsichert fragte einer der Umstehenden: »Soll das etwa heißen, wir könnten, wenn sie uns aufzuhalten versuchen, gezwungen sein, gewaltsam gegen sie vorzugehen?«
»Was wollen diese Leute denn erreichen, was ist ihr Ziel? Sie wollen uns daran hindern, die Imperiale Ordnung auszulöschen. Sie hassen das Leben, deswegen verachten sie die Freiheit mehr als die Sklaverei.«
Richard sah ihnen mit grimmiger Entschlossenheit fest in die Augen. »Was ich sagen will, ist folgendes: Jeder, der den Feind schützt und, aus welchem Grund auch immer seine Macht zu erhalten sucht, ergreift für ihn Partei. Im Grunde ist es ganz einfach. Sobald diese Leute versuchen, den Feind zu beschützen oder uns daran zu hindern, zu tun, was wir tun müssen – tötet sie.«
»Aber sie sind doch nicht mal bewaffnet«, wandte jemand ein.
Richards Zorn kochte hoch. »O doch, das sind sie – ihre Waffen sind das üble Gedankengut, mit dem sie die Welt zu unterwerfen suchen. Haben sie damit Erfolg, ist dies euer Tod.«
Einen Augenblick lang herrschte bedrücktes Schweigen; dann schlug Anson sich entschlossen mit der Faust aufs Herz. »Mit haßerfülltem Herzen ... Rache ohne Erbarmen.«
Blicke eiserner Entschlossenheit machten die Runde, bis sie schließlich alle mit einem Faustschlag auf ihr Herz salutierten und das Gelöbnis aufgriffen. »Rache ohne Erbarmen.«
Richard versetzte Anson einen leichten Schlag gegen die Schulter. »Gehen wir.«
Im Laufschritt lösten sie sich aus den langen Schatten des Gebäudes und bogen in einem riesigen Schwarm um die Ecke. Die Leute am Ende der Straße wandten sich um, als sie Richards Truppe kommen sahen. Immer mehr Menschen – Männer und Frauen aus der Stadt – strömten in die Straße vor dem Gelände, auf dem sich die von den Soldaten als Kaserne und Kommandozentrale beschlagnahmten Gebäude befanden. Die Stadtbewohner machten den Eindruck, als wären sie ein ziemlich abgerissener Haufen.
»Kein Krieg! Kein Krieg!«, brüllten sie, als die Männer unter Richards Führung in rasantem Tempo die Straße entlangstürmten.
»Aus dem Weg!«, schrie Richard, während der Abstand zu ihnen sich immer mehr verringerte. Dies war nicht der Augenblick für spitzfindige Diskussionen; der Erfolg ihres Angriffs hing im Wesentlichen von ihrer Schnelligkeit ab. »Gebt den Weg frei! Das ist eure letzte Warnung! Gebt den Weg frei oder ihr sterbt!«
»Schluß mit dem Haß! Schluß mit dem Haß!«, intonierten die Stadtbewohner.
Sie machten sich keine Vorstellung, wie viel Haß sich in Richard aufgestaut hatte. Er zog das Schwert der Wahrheit. Der Zorn seiner Magie blieb auch diesmal zurück, doch er besaß genug eigenen. Er drosselte sein Tempo zu einem langsamen Trab.
»Aus dem Weg!«, rief Richard, indem er entschlossen auf die Leute zuhielt.
Eine dickliche Frau mit lockigen Haaren löste sich aus der Menschenkette und trat einen Schritt vor. Ihr rundes Gesicht war gerötet vor Zorn, als sie ihm entgegenschrie: »Schluß mit dem Haß! Kein Krieg! Schluß mit dem Haß!«
»Aus dem Weg oder du bist tot!«, rief Richard und beschleunigte seine Schritte wieder.
Die rotgesichtige Frau drohte ihm und seinen Männern mit erhobener, fleischiger Faust und stimmte einen wütenden Sprechgesang an: »Mörder! Mörder! Mörder!«
Im Vorüberlaufen, die ganze Wut des in diesem Moment beginnenden Angriffs zwischen seinen zusammengepreßten Zähnen herausschreiend, holte Richard wuchtig aus und schlug ihr den Kopf und den drohend erhobenen Arm ab. Ihr Blut klatschte in die Gesichter der Dahinterstehenden, die noch immer ihre sinnlosen Phrasen herunterleierten. Ein Mann beging den Fehler, nach Richards Waffe zu greifen, und bekam die ganze Wucht seines Angriffsstoßes ab.
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