Wir müssen sie mit mindestens zehn Punkten Vorsprung besiegen.«
Den völlig verdutzten Männern klappte der Unterkiefer herunter. Derart einseitige Siege gab es nur in völlig unausgeglichenen Partien unter Kindern. Dass eine Ja’La-Mannschaft auf diesem spielerischen Niveau mit mehr als vier oder fünf Punkten Vorsprung gewann, war vollkommen beispiellos.
»Für jeden Punkt, den sie weniger erzielen, erhält jeder Spieler der unterlegenen Mannschaft einen Peitschenhieb«, fuhr Richard fort.
»Ich möchte, dass diese blutige Auspeitschungsorgie im ganzen Lager in jedermanns Mund ist.
Danach wird niemand mehr lachen, vielmehr wird jede Mannschaft, die gegen uns antreten muss, zutiefst beunruhigt sein. Wer beunruhigt ist, macht Fehler, und sobald ihnen ein solcher Fehler unterläuft, werden wir bereit sein zuzuschlagen. Wir werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen und den Beweis erbringen, dass jeder Augenblick mit kaltem Schweiß getränkter Schlaflosigkeit berechtigt war. Anschließend werden wir die zweite Mannschaft mit einem Vorsprung von zwölf Punkten schlagen, so dass die nächste Mannschaft noch weit größere Angst vor uns haben wird.«
Richard wies mit seinem rotbemalten Finger auf die Soldaten in seiner Mannschaft. »Ihr wisst um die Wirkung solcher Taktiken. Ihr habt jede Stadt, die sich euch in den Weg gestellt hat, dem Erboden gleichgemacht, damit die noch nicht Eroberten in Erwartung eures Angriffs vor Angst zitterten, weil sie um euren Ruf wussten. Ihre Angst hat euch die Eroberung erleichtert.«
Ein Feixen ging über die Gesichter der Soldaten. Endlich konnten sie Richards Vorhaben in einen Zusammenhang bringen, mit dem sie sich auskannten.
»Wir haben ein klares Ziel: Die Mannschaft mit den rot bemalten Gesichtern muss allen anderen Angst einflößen.« Er schlug mit der Faust in seine offene Hand. »Damit wir sie anschließend eine nach der anderen vernichtend schlagen können.«
In der plötzlich entstandenen Stille ballten alle ihre Hand zur Faust, schlugen sich damit vor die Brust und schworen, genau das zu tun. Sie alle waren versessen darauf zu gewinnen, ein jeder von ihnen aus einem anderen Grund.
Doch keines dieser Motive hatte etwas mit dem von Richard gemein. Insgeheim hoffte er, dass es gar nicht erst zur Partie gegen die Mannschaft des Kaisers kommen und er sehr viel eher seine Chance erhalten würde - trotzdem musste er notfalls für diesen Fall vorbereitet sein. Vermutlich aber würde sich vorher keine brauchbare Chance ergeben, und in diesem Fall musste er sicherstellen, dass sie das Turnierfinale erreichten.
Schließlich wandte er sich wieder zu Johnrock herum und vollendete dessen Bemalung mit einigen eine ungemein wuchtige Attacke symbolisierenden Sinnbildern, die er auf seine beiden muskulösen Arme auftrug.
»Nimmst du mich als Nächsten dran, Rüben?«, bat einer der Männer.
»Und danach mich«, rief ein anderer.
»Immer schön der Reihe nach«, erwiderte Richard. »Also, während ich arbeite, müssen wir unsere Strategie besprechen. Ich möchte, dass jeder genau weiß, was er zu tun hat, wenn er in dieses Spiel geht. Wir alle müssen genauestens mit dem Plan vertraut sein und die Zeichen kennen, damit wir uns gleich vom ersten Augenblick an auf unseren Gegner stürzen können. Ich möchte, dass denen das Lachen im Halse stecken bleibt.«
Einer nach dem anderen nahmen die Männer auf dem umgestülpten Eimer Platz und ließen sich von Richard das Gesicht bemalen. Und bei jedem machte dieser sich ans Werk, als ginge es um Leben oder Tod - was in gewisser Weise ja auch stimmte.
Mit seinen nüchternen Ausführungen hatte er alle für sich eingenommen. Eine feierliche Stimmung hatte sie überkommen, während sie schweigend auf dem Boden kauerten und zuschauten, wie ihre Angriffsspitze einige der todbringendsten Ideen Gestalt annehmen ließ, wie nur er sie zu erzeugen wusste. Auch wenn ihnen die Sprache dieser Symbole unbekannt war, so verstanden sie doch die Bedeutung dessen, was Richard tat. Das angsteinflößende Erscheinungsbild jedes Einzelnen von ihnen war offenkundig.
Als alle bemalt waren, fiel Richard auf, dass es so aussah, als hätte man eine fast vollständige Zusammenstellung der den Tanz mit dem Tod darstellenden Symbole vor sich, der zur Sicherheit noch einige Symbole von den Kästchen der Ordnung hinzugefügt worden waren. Weggelassen hatte er nur jene, die er sich selbst vorbehielt, jene Elemente des Tanzes, welche die tödlichsten Schnitte ermöglichten – Schnitte, die bis auf den Grund der gegnerischen Seele schnitten. Einer der Soldaten aus seiner Mannschaft hielt ihm ein poliertes Metallstück vors Gesicht, damit er sehen konnte, wie er die Elemente des Tanzes mit dem Tod bei sich selbst auftrug. Als er seinen Finger in die rote Farbe tauchte, stellte er sich vor, es sei Blut.
Die Männer schauten mit gebannter Aufmerksamkeit zu. Er war ihr Anführer in der Schlacht, ihm würden sie beim Ja’La dh Jin folgen. Und dies war sein neues Gesicht, das sie sich mit großem Ernst einprägten. Zum Abschluss fügte er noch die Lichtblitze des Con Dar hinzu, symbolische Darstellungen der von Kahlan beschworenen Kraft, als sie mit ihm gemeinsam versucht hatte, Darken Rahl, im Glauben er sei bereits tot, am Öffnen der Kästchen der Ordnung zu hindern. Es war eine Kraft, die für Rache stand.
Der Gedanke an Kahlan, an ihren Gedächtnisverlust, den Raub ihrer Persönlichkeit, die Vorstellung, dass sie Jagang und den üblen Glaubensüberzeugungen der Imperialen Ordnung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war und er sie immer nur mit dem entsetzlichen Bluterguss im Gesicht vor sich sah, ließ sein Blut vor Zorn hochkochen. Con Dar bedeutete »Blutrausch«.
Kahlan hatte den Arm schützend um Julian gelegt, als sie Jagang dicht auf den Fersen folgten. Unter den stumm staunenden Blicken einiger und dem Jubel vieler bahnte sich das kaiserliche Gefolge einen Weg durch das weitläufige Armeelager. Nicht wenige feierten ihn mit rhythmischem Rufen seines Namens und ermunterten ihn zur Führerschaft in ihrem Kampf zur Vernichtung jedweden Widerstandes gegen die Imperiale Ordnung, andere rühmten ihn als »Jagang, den Gerechten«. Und stets sank unfehlbar ihr Mut, dass so viele ihn oder die Bruderschaft der Imperialen Ordnung für die Wahrer der Gerechtigkeit halten konnten. Dankbar für die schützende Geste blickte Julian von Zeit zu Zeit mit ihren vertrauensvollen, kupferfarbenen Augen zu ihr hoch. Was Kahlan ein wenig beschämte, wusste sie doch, dass sie dem Mädchen in Wahrheit kaum Schutz zu bieten vermochte. Eher konnte sie am Ende gar selbst der Anlass dafür sein, dass man ihr ein Leid antat. Es brach ihr schier das Herz, dass die völlig verängstigte Julian ein weiteres Mal Gefangene dieser Rohlinge war. Diese Eindringlinge aus der Alten Welt, die Unschuldigen im Namen eines höheren Zieles größtes Leid zufügten, waren Verräter an der Idee des Guten. Sie waren zu aufrichtigem Mitgefühl gar nicht fähig, da sie das Gute nicht zu würdigen wussten, sich vielmehr darüber lustig machten. Ihr Tun war nicht vom Streben nach Werten, sondern von quälender Missgunst bestimmt. Kahlans einzige echte Genugtuung seit ihrer Gefangennahme durch Jagang war, dass sie für Julian eine Fluchtmöglichkeit hatte bieten können, doch die war nun ebenfalls dahin.
Auf dem Marsch durch das Lager schlang Julian ihren Arm fest um Kahlans Hüfte und krallte ihre Hand fest in deren Hemd. Es war nicht zu übersehen, dass ihre Furcht, trotz des üblen Wesens der Soldaten ringsumher, eher Jagangs Leibwache galt. Männer wie diese hatten sie verfolgt und schließlich aufgespürt. Eine Zeitlang hatte sie ihnen entwischen können, doch obwohl sie in den verlassenen Ruinen der alten Stadt Caska über hervorragende Ortskenntnisse verfügte, war sie immer noch ein Kind und einer von solch erfahrenen und zu allem entschlossenen Soldaten durchgeführten Hetzjagd nicht gewachsen. Nun war sie abermals eine Gefangene in diesem schier endlosen Armeelager, und es bestand so gut wie keine Hoffnung, sie noch einmal aus der Gewalt der Imperialen Ordnung zu befreien.
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