»Der, der zwischen dem Zentauren und dem Riesen geht, sieht nicht nach Übergabe aus«, sagte Glozell. »Wer kann das sein? Der Knabe Kaspian ist es nicht.«
»Nein, wirklich nicht«, bestätigte Seifenspan. »Ich garantiere Ihnen, daß dies ein grimmiger Krieger ist. Wo mögen die Rebellen ihn nur herbekommen haben? Er ist – das möchte ich dem privaten Ohr Eurer Lordschaft anvertrauen – königlicher als Miraz. Und was für einen Panzer er trägt! Keiner von unseren Schmieden könnte so etwas machen.« »Ich wette meinen Apfelschimmel, er überbringt eine Herausforderung und keine Kapitulation«, sagte Glozell. »Wie das?« fragte Seifenspan. »Wir haben den Feind hier in der Hand. Miraz wird doch nicht so hirnverbrannt sein, seinen Vorteil in einem Zweikampf aufs Spiel zu setzen.« »Man könnte ihn dazu bringen«, meinte Glozell ganz leise. »Still«, wisperte Seifenspan. »Treten Sie ein wenig hierher, damit der Posten uns nicht hören kann. Habe ich die Meinung Eurer Lordschaft richtig verstanden?«
»Wagt der König diesen Kampf«, flüsterte Glozell, »so würde er entweder töten oder getötet werden.« »Jawohl«, stimmte Seifenspan zu und nickte mit dem Kopf. »Tötet er den Gegner, so haben wir den Krieg gewonnen.« »Gewiß. Und wenn nicht?« »Nun, wenn nicht, so könnten wir den Krieg ebensogut ohne den König gewinnen wie mit ihm. Ich brauche Eurer Lordschaft wohl nicht zu sagen, daß Miraz kein großer Anführer ist. Und danach wären wir beide siegreich und ohne König.« »Und ist es Ihre Meinung, mein Lord, Sie und ich könnten mit diesem Land auch ohne einen König fertig werden?« Glozells Gesicht verzog sich abscheulich: »Man darf nicht vergessen«, erwiderte er, »wir waren es, die Miraz einstmals auf den Thron setzten. Welche Früchte haben all die Jahre, da er sich des Throns erfreute, für uns getragen? Welche Dankbarkeit hat er uns bezeigt?«
»Das mögen Sie wohl sagen«, antwortete Seifenspan. »Aber sehen Sie, dort kommt jemand, der uns zum Zelt des Königs holen will.«
Als sie Miraz’ Zelt erreichten, sahen sie Edmund und seine beiden Begleiter davor sitzen. Sie hatten ihre Herausforderung übergeben, sich zurückgezogen und wurden nun mit Kuchen und Wein bewirtet, während der König über das Schreiben nachdachte. Den drei Telmarer Herren erschienen diese drei Abgesandten in der Nähe sehr bestürzend. Im Zelt fanden sie Miraz unbewaffnet vor, wie er gerade sein Frühstück beendete. Sein Gesicht war gerötet, und seine Brauen hatten sich verfinstert.
»Da!« stieß er wütend aus und schob ihnen das Pergament über den Tisch zu. »Haben Sie gesehen, was für eine Sammlung von Märchenfiguren unser Neffe, dieser Affe, uns gesandt hat?« »Mit Ihrer Erlaubnis, Sire«, sagte Glozell, »wenn der junge Krieger, den wir eben draußen gesehen haben, der in dem Schreiben erwähnte König Edmund ist, so würde ich ihn nicht eine Märchenfigur, sondern einen höchst gefährlichen Ritter nennen.« »König Edmund, pah«, sagte Miraz. »Glaubt Eure Lordschaft an die alten Ammenmärchen von Peter, Edmund und den anderen?«
»Ich verlasse mich auf meine Augen, Eure Majestät«, antwortete Glozell.
»Nun, diese Unterhaltung führt zu nichts«, meinte Miraz. »Aber wegen der Herausforderung sind wir, glaube ich wohl, einer Meinung?«
»Das vermute ich auch, Sire«, antwortete Glozell. »Und die wäre also?« fragte der König.
»Die Herausforderung muß unbedingt abgelehnt werden«, erklärte Glozell. »Mich hat wirklich noch niemand einen Feigling nennen können, aber ich muß offen erklären, daß mein Herz zittern würde, wenn ich gegen diesen jungen Mann kämpfen sollte. Und wenn – was anzunehmen ist – sein Bruder, König Peter, noch gefährlicher ist, so, mein Herr König, bei Ihrem Leben, halten Sie sich fern von ihm.«
»Schande über Sie«, rief Miraz. »Einen solchen Rat hatte ich nicht gewünscht. Glauben Sie, ich würde Sie fragen, wenn ich Angst davor hätte, mit diesem Peter zusammenzutreffen – falls es einen solchen Mann überhaupt gibt? Meinen Sie etwa, ich fürchte mich vor ihm? Ich wünschte Ihren Rat, ob es für uns richtig ist, den Kampf anzunehmen, und ob wir unseren augenblicklichen Vorteil in einem Zweikampf aufs Spiel setzen können.«
»Worauf ich nur antworten kann, Eure Majestät«, antwortete Glozell, »daß die Herausforderung in jeder Beziehung abzulehnen ist. In dem Antlitz des fremden Ritters steht Tod.« »Schon wieder dasselbe«, rief Miraz, der ernstlich böse wurde. »Sie versuchen es so darzustellen, als sei ich ebenso ein Feigling wie Eure Lordschaft.«
»Wie es Eurer Majestät beliebt«, entgegnete Glozell verdrossen. »Sie reden wie ein altes Weib, Glozell«, sagte der König. »Was meinen Sie, Lord Seifenspan?«
»Lassen Sie die Hände davon, Sire«, war die Antwort. »Eure Majestät sagte selbst, daß es nicht gut sei, den Vorteil aufs Spiel zu setzen, und traf damit ins Schwarze. Das gibt Eurer Majestät einen ausgezeichneten Grund, abzulehnen, ohne daß die Ehre oder der Mut Eurer Majestät in Frage gestellt werden.« »Mein Himmel«, rief Miraz und sprang auf. »Sind Sie denn heute auch verhext? Glauben Sie denn etwa, ich suche nach Gründen für eine Ablehnung? Sie können mich ebensogut ins Gesicht einen Feigling nennen.« Die Unterhaltung verlief genauso, wie die beiden Lords sie sich wünschten, und also sagten sie nichts weiter. »Ich weiß, woher das kommt«, sagte Miraz, nachdem er sie mit Augen angeblickt hatte, die ihm fast aus dem Kopf zu fallen drohten. »Sie beide sind wahre Hasenfüße und haben die Frechheit, mein Herz nach dem Ihren zu beurteilen. Gründe für eine Ablehnung – so etwas! Entschuldigungen, um nicht kämpfen zu müssen! Sind Sie Krieger? Sind Sie Telmarer? Sind Sie Männer? Wenn ich nun also ablehne, wozu mich Klugheit und Gründe der militärischen Führung drängen könnten, so werden Sie glauben, daß ich mich fürchte, und werden das auch anderen beibringen. Ist es nicht so?«
»Kein Mann im Alter Eurer Majestät«, erwiderte Glozell, »wird von einem besonnenen Krieger Feigling genannt, wenn er den Zweikampf mit einem in der Blüte seiner Jahre ablehnt.« »So bin ich also nicht nur eine Memme, sondern auch ein Greis mit einem Fuß im Grabe«, brüllte Miraz. »Ich werde Ihnen sagen, meine Herren, wohin das führt. Mit Ihren weibischen Ratschlägen, die um den Kern der Sache herumgehen – nämlich was zweckmäßig ist –, erreichen Sie das Gegenteil von dem, was Sie beabsichtigen. Ich hatte ablehnen wollen. Jetzt aber werde ich annehmen! Ich will mich nicht schämen müssen, weil irgendeine Zauberkraft oder ein Verrat Ihnen das Blut in den Adern gefrieren läßt.« »Wir beschwören Eure Majestät«, sagte Glozell, aber Miraz war bereits aus dem Zelt gestürmt, und sie konnten hören, wie er Edmund laut zuschrie, daß er annehmen wolle. Die beiden Herren blickten einander leise lächelnd an. »Ich wußte wohl, er würde es tun. Man mußte ihn nur richtig in Zorn bringen«, bemerkte Glozell. »Aber ich werde ihm nicht vergessen, daß er mich einen Feigling nannte. Das soll er mir büßen.« Große Erregung herrschte in Aslans Mal, als die Kunde eintraf und den verschiedenen Geschöpfen mitgeteilt wurde. Edmund hatte mit einem der Hauptleute von Miraz schon den Platz für den Kampf bezeichnet, der mit Pfählen und Seilen abgegrenzt wurde. Zwei Telmarer sollten an je zwei Ecken als Kampfrichter stehen und einer in der Mitte der einen Seite. Die Richter für die beiden anderen Ecken und die andere Seite wurden von König Peter gestellt. Peter erklärte Kaspian gerade, daß er keiner dieser drei sein könne, weil es bei diesem Kampf um sein Thronrecht ginge, als eine tiefe, schläfrige Stimme sagte: »Eure Majestät, bitte.« Peter wandte sich um, und da stand der älteste der Wohlbeleibten Bären. »Wenn es Euch beliebt, Eure Majestät«, sagte er, »ich bin ein Bär; das bin ich, so wahr ich hier stehe.« »Sicherlich, das bist du, und noch dazu zweifellos ein guter Bär«, antwortete Peter. »Ja«, sagte der Bär, »und es ist immer das Recht der Bären gewesen, einen Kampfrichter zu stellen.« »Laßt das nicht zu«, flüsterte Trumpkin Peter zu. »Er ist ein gutes Geschöpf, aber er wird uns Schande machen. Er wird an seinen Pfoten saugen und einschlafen. Noch dazu vor den Augen des Feindes.«
Читать дальше