»Was soll das alles?« rief Lady Melpomene.
»Wessen Kleidung trägst du?« beharrte diese.
Lady Melpomene versuchte sich aus dem Griff der Männer zu befreien, schaffte es aber nicht. »Die deinen!« rief sie.
»Dir gehört nichts mehr! Bin ich nicht deine einzige Gläubigerin?« fragte Lady Florence leise.
»Ja«, flüsterte Lady Melpomene.
Mit großer Geste hob Lady Florence den Schuldschein, der vor ihr auf dem Tisch gelegen hatte.
»Ich verlange Zahlung«, sagte sie. »Ich verlange, daß du mir augenblicklich die Summe von eintausendvierhundertundzwanzig Gold-Tarsks zahlst.«
»Ich kann nicht sofort zahlen«, erwiderte Lady Melpomene. »Das weißt du.«
Lady Florence wandte sich an Brandon, Präfekt in Vonda. Der Mann war damit beschäftigt, sich auf einem Zettel eine Notiz zu machen.
»Das kannst du nicht tun!« rief Lady Melpomene.
»Ein solcher Schuldschein ist auf Verlangen zahlbar!« rief Lady Florence. »Das weißt du sehr wohl.«
»Ja, ja!« rief die andere und ballte die kleinen Fäuste. »Aber ich hätte nicht gedacht, daß du die Forderung so bald stellen würdest.«
»Das ist mein gutes Recht.«
»Du mußt mir Gelegenheit geben, mein Vermögen zurückzugewinnen.«
»Das gedenke ich nicht zu tun.«
»Willst du mich denn völlig ruinieren?«
»Meine Absicht geht weit darüber hinaus!« rief Lady Florence.
»Das verstehe ich nicht.«
»Das Zahlungsverlangen ist gestellt worden, Lady Melpomene«, schaltete sich Präfekt Brandon ein. »Kannst du zahlen?«
»Du hast mich hergelockt!« rief Lady Melpomene. »Du hast mich aus dem Schutz der Mauern Vondas gelockt!«
»Die Mauern Vondas würden dir keinen Schutz mehr bieten«, widersprach der Präfekt streng, »denn deine Schulden gehören nun zur Gänze einer Bürgerin dieser Stadt.«
Lady Melpomene erschauderte. »Man hat mich hereingelegt«, sagte sie.
»Kannst du bezahlen?« fragte der Präfekt.
»Nein!« jammerte Lady Melpomene. »Nein!«
»Dann knie nieder, Lady Melpomene, freie Frau aus Vonda«, sagte der Präfekt.
»Bitte nein!« schluchzte sie.
»Ist dir lieber, daß wir dies in aller Öffentlichkeit tun, auf dem großen Platz von Vonda, wo du deinem Heimstein Schande machen würdest?« fragte der Präfekt.
»Nein, nein!«
»Knie nieder!«
Furchtsam zitternd gehorchte Lady Melpomene.
»Ich erkläre dich hiermit zur Sklavin«, sagte er.
»Nein!« rief sie. »Nein!« Aber es war bereits geschehen.
»Sie soll den Kragen tragen.«
Schluchzend senkte die Frau den Kopf.
Lady Florence stieß einen Freudenschrei aus und schlug triumphierend in die Hände. Lady Leta und Lady Perimene machten es ihr nach und lachten. Sie schlugen sich applaudierend mit der Faust gegen die Schultern und beglückwünschten damit Lady Florence zu ihrem Sieg über die langgehaßte Feindin.
»Auf Hände und Knie, Sklavin!« befahl Tenalion aus Ar, der in diesem Moment aufgestanden war. Aus einem Kasten neben sich hatte er einen Kragen mit Kette genommen.
»Dürfte ich dir unseren Freund Tenalion in neuem Lichte vorstellen?« wandte sich Lady Florence an die zitternde Sklavin am Ring. »Er ist natürlich Sklavenhändler – wie auch sein Helfer Ronald. Aber ehe ich dich an ihn verkaufe, damit du in Ar an den Meistbietenden abgegeben werden kannst, sollst du erfahren, was es bedeutet, Sklavin zu sein.«
Ich stand in der absoluten Dunkelheit des Tunnels. Es war der Haupttunnel jenes Gewirrs von Gängen unter dem Besitz der Herrin, durch das die verschiedenen Gebäude wie Vorratsschuppen, Nistschuppen, Jungtierraum und gewisse Ställe miteinander verbunden sind.
Mein Rücken schmerzte. Zweimal war ich in dieser Woche gründlich durchgepeitscht worden.
Gestern abend, angekettet in meiner Box liegend, hatte ich zwei Besucher empfangen – Taphris und später Kenneth.
»Erkennst du endlich die Macht, die ich über dich habe?« hatte die Sklavin gefragt.
»Ja«, hatte ich geantwortet.
»Ich stehe bei meiner Herrin nach wie vor in hohem Ansehen«, fuhr Taphris fort. »Ich kann dich auspeitschen lassen, wann ich will.«
»Stimmt.«
»Bist du nun bereit, mich im Tunnel zu treffen?« hatte sie gefragt.
»Nein.«
Sie stand am offenen Ende der Box. »Interessiert dich gar nicht, was ich mit dir vorhabe?«
»Was denn?«
»Ich trage einen Kragen. Ich bin eine Sklavin und muß gehorchen. Aber ich möchte gern Herrin sein.«
»Herrin?«
»Ich möchte dich besitzen, in der Abgeschiedenheit des Tunnels, als meinen eigenen Seidensklaven«, sagte sie. »Dort wirst du mir gehorchen.«
Ich schwieg.
»Ich finde deinen Körper nicht unattraktiv, Jason«, sagte sie.
»Aha.«
»Außerdem bist du ein kräftiger Mann. Ich hasse solche Männer. Du gehörst zu den Männern, in deren Armen sich eine Frau weinend wie eine Sklavin fühlen kann. Ich hasse solche Männer! Es wird mir ganz besonders gefallen, dich zu brechen und zu erniedrigen. Wir treffen uns im Tunnel.«
»Nein.«
»Na schön, du wirst es ja sehen.« Sie wandte sich ab und ging. Wartend stand ich in der Dunkelheit des Tunnels.
Ich hörte nichts.
»Ich habe Taphris aus der Scheune schleichen sehen«, hatte Kenneth gesagt, als er mich gestern abend in meiner Box besuchte.
»Ja, Herr«, hatte ich erwidert und mich in eine kniende Stellung hochgestemmt.
»Was macht dein Rücken?« fragte Kenneth.
»Tut weh«, antwortete ich. »Barus hat ganze Arbeit geleistet.«
»Wir hatten keine andere Wahl«, sagte Kenneth. »Taphris hat genau aufgepaßt.« Kenneth warf mir einen Seitenblick zu. »Taphris war eben bei dir. Was wollte sie?«
»Nichts.«
»Sprich!«
»Sie will, daß ich mich mit ihr im Tunnel treffe«, antwortete ich. »Sie möchte mich mit Gewalt zu ihrem Seidensklaven machen.«
»Dieser Sleen!« sagte Kenneth lachend. »Und was hast du geantwortet?«
»Ich habe mich geweigert.«
»Zweifellos wird sie wieder einen Vorwand finden, dich mit der Peitsche bestrafen zu lassen.«
»Zweifellos«, antwortete ich achselzuckend.
»Solche Dinge können dich für die Stallkämpfe untauglich machen«, sagte er. »Überhaupt ist das völlig überflüssig und unsinnig. Es stört die Disziplin.« Kenneth löste eine Flasche von seinem Gürtel und reichte sie mir. »Wein.«
»Danke, Herr«, sagte ich und nahm einige Schlucke zu mir. Es war Ta-Wein aus den Ta-Trauben des hügeligen Cos. Ein solches Detail zeugte von den engen Handelsbeziehungen zwischen Vonda und Cos. Im letzten Jahr waren vom Hohen Rat Vondas hohe Importzölle für die Weine bestimmter anderer Städte beschlossen worden, insbesondere für Ka-la-na-Weine aus Ar.
Ich gab Kenneth die Flasche zurück.
»Ich bin kaum noch mein eigener Herr in den Ställen«, murrte Kenneth. »Dabei geht es nicht nur um dich. Taphris mischt sich in viele Dinge ein. Die Männer trainieren durchwegs nicht mehr lange oder intensiv genug für die Kämpfe. Die Stalldirnen haben eine Todesangst vor ihr und ihren falschen Berichten an die Herrin. Selbst Barus und ich müssen aufpassen.« Kenneth legte den Kopf in den Nacken und leerte die Flasche, die er wieder an seinem Gürtel befestigte. Dann stand er auf. »Von Tag zu Tag wird die stolzer, kühner und unverschämter.«
»Sie ist entschlossen, sich durchzusetzen«, bemerkte ich.
»Dabei ist sie Sklavin«, stellte er fest.
Ich zuckte die Achseln.
»Ich finde, wir müssen eine Methode finden, unsere kleine Taphris an das zu erinnern, was sie ist.«
Ich musterte Kenneth.
»Morgen wirst du dich mit ihr im Tunnel treffen«, sagte er. »Unweit der Einmündung des Seitentunnels von Lagerschuppen vier in den Haupttunnel, zur fünfzehnten Ahn.«
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