»Möglich wäre es«, meinte Barus. »Eine schwierige Sache. Manchmal wird auch das Kaissa um hohe Einsätze gespielt«, setzte er nachdenklich hinzu. Kaissa ist ein kompliziertes Brettspiel, das auf Gor weit verbreitet ist.
Barus schaute sich zu Taphris um. »Die hübsche Spionin begleitet uns.«
»Ja, Herr«, erwiderte ich.
Taphris senkte den Kopf und errötete. »Hier!« rief Barus nun im Nistschuppen. »Komm und lausch!«
Ich kniete mich neben ihn in den Sand. Vor ihm begann sich eine kleine Delle zu zeigen, in der sich etwas bewegte. Plötzlich brach die hornbesetzte Schnauze eines Tharlarion durch den heißen Sand. Die Augen blinzelten, die Zunge zuckte vor und zurück und entfernte den Sand vom Maul. Der Kopf war etwa acht Zoll breit.
»Maulgurt!«, forderte Barus.
Ich griff nach einem der bereitliegenden Ledergurte.
Der Kopf des schlüpfenden Wesens, etwa einen Fuß lang, ragte inzwischen voll aus dem Sand. Ein Krallenfuß zuckte aus der Tiefe empor. Das Geschöpf fauchte.
Ich wickelte dem kleinen Ungeheuer den Gurt um die Schnauze und band ihn fest. Es wand sich hin und her und befreite sich zur Hälfte von der ledrigen Hülle, in der es gesteckt hatte, und zog sie damit halb aus dem Sand.
»Ein Schutztuch, Taphris!« rief Barus.
Gemeinsam zogen Barus und ich das junge Wesen aus dem Sand. Mit dem Fuß stieß ich die klebrige Hülle zurück.
»Paß auf den Schwanz auf!« sagte Barus zu Taphris, die einen Schritt zurücktrat.
Barus und ich warfen den jungen Tharlarion auf den Rücken und rollten ihn in das dicke Leinen. Darin findet er auf dem Weg zum Jungtierraum Schutz vor der Tunnelluft. Ich bückte mich und wuchtete mir das Tier mit Barus’ Hilfe auf die Schultern. Der Kopf bewegte sich an einem etwa zwei Fuß langen Hals und stieß gegen meinen Oberschenkel; das zugebundene Maul konnte keinen Schaden anrichten. Das Gewicht betrug hundertundzwanzig bis hundertunddreißig Pfund. Barus zog den Riegel zurück und öffnete die große Falltür an einer Seite des Schuppens. Im Lichte des im Nistschuppen lodernden Feuers ging ich vorsichtig die Rampe hinab. Der darunter verlaufende Tunnel war mit einer einzelnen Bohle ausgelegt, die eine Art Steg bildete. So konnte man sich darin auch bei Dunkelheit bewegen. Man brauchte nur mit beiden Füßen auf dem Brett zu bleiben. Mit Hilfe des Holzes und ein wenig Übung, die man sich zulegt, indem man beim erstenmal einer Fackel folgt, bereitet es keine Mühe, sich bei Dunkelheit in den Tunneln zurechtzufinden. Von der Decke herabhängende Schnüre, die man mit den Händen streicht, deuten Abzweigungen an. Schrägen weisen auf Ausgänge hin. Die Schnüre besitzen Knoten an der Seite, auf der die Abzweigung kommt. Wenn man beispielsweise durch einen Nebengang geht und sich dem Haupttunnel nähert, dann wird das durch eine verknotete Reihe Schnüre angedeutet, die einem eine klare Ankündigung gibt.
»Jason«, sagte Barus, den ich über mir in der Öffnung der Falltür erblickte.
»Ja, Herr?« erwiderte ich und drehte mich auf der Rampe um. Der junge Tharlarion hatte sich von seiner Verwirrung noch nicht erholt und lag reglos auf meiner Schulter.
»Wenn du den Burschen im Jungtierraum abgegeben hast, kommst du in den Nistschuppen zurück. Sicher schlüpfen in dieser Nacht noch andere Tiere.«
»Ja, Herr.«
»Morgen kannst du dich ausruhen.«
Ich war überrascht. »Ja, Herr?«
»Und morgen abend meldest du dich im Haus.«
Diese Anweisung verstand ich nicht.
»Du hattest recht, als du vorhin sagtest, die Herrin sei guter Laune«, fuhr Barus fort. »Das ist sie in der Tat.«
»Ja, Herr.«
»Ihre Gäste treffen heute abend ein, anscheinend vorwiegend im Schutze der Dunkelheit.«
»Ja Herr.«
»Sie freut sich auf den morgigen Abend«, fuhr er fort. »Es heißt, sie habe für ihre Gäste ein exotisches Vergnügen vorbereitet.«
»Sollte ich eine Rolle dabei spielen?« fragte ich.
»Unmöglich ist es nicht.«
»Weißt du, worum es geht?«
»Nein«, antwortete Barus, »aber ich kann es mir denken.«
Nachdenklich stand ich im Tunnel.
»Dem Jungen darf nicht kalt werden«, sagte Barus. »Bring es in den Jungtierraum.«
»Ja, Herr«, sagte ich und wandte mich ab.
»Warte, Herr!« hörte ich Taphris rufen.
Wieder drehte ich mich um und sah das Mädchen, das sich die dünne Sklaventunika überstreifte und hastig die Rampe herabkam.
Ich kehrte ihr den Rücken zu und begann meinen Marsch durch den Tunnel. Ich hörte, wie die Falltür über uns geschlossen wurde. Augenblicklich herrschte undurchdringliche Finsternis in dem unterirdischen Gang.
Ich marschierte ungezwungen los, wobei ich mit dem rechten Fuß auf dem Mittelbrett blieb.
»Warte, Sklave!« rief sie hochmütig.
Aber ich wartete nicht. Ich kannte mich im Tunnel sehr gut aus.
»Warte, Sklave! Warte, Sklave!« rief sie zornig. Dann hörte ich sie durch die Dunkelheit stolpern.
Taphris war eine Plage. Ich hatte es satt, unentwegt von ihr verfolgt zu werden. Kenneth und Barus hatten ebenfalls genug von ihrem Herumspionieren; nichts entging ihr, und ständig gab sie Meldungen an ihre Herrin durch. Die beiden hätten nichts dagegen gehabt, das Mädchen aus den Ställen verschwinden zu sehen.
Ich spielte mit dem Gedanken, den jungen Tharlarion abzulegen und mich des Mädchens einmal gründlich anzunehmen. Aber dann verzichtete ich doch darauf. Nicht daß ich Angst vor der Herrin hatte. Vielmehr durfte dem Jungtier nicht kalt werden. Ich hatte sein Schlüpfen überwacht. Ich fühlte mich für das Wesen verantwortlich. Außerdem respektierte ich es. Es war ein freies Tier. Es war kein Sklave.
»Ich weiß nicht, wie ich dir jemals danken soll, Lady Florence«, sagte Lady Melpomene atemlos.
»Ach, keine Ursache«, erwiderte Lady Florence. »Immerhin haben wir einen gemeinsamen Heimstein und sind schnell wieder Freundinnen geworden.«
»Wie sehr ich unsere früheren Differenzen bedauere!« fuhr Lady Melpomene fort und umfaßte die Hände ihres Gegenübers.
Lady Florence nickte. Ihr Gesicht war deutlich zu sehen hinter dem dünnen Hausschleier, der gut zu einem weniger formellen Abendessen unter Freunden paßte. Lady Melpomene trug einen ähnlichen Schleier. Beide Frauen waren vornehm gewandet.
Ich stand mit Kenneth hinter einem Vorhang. Durch den Vorhangstoff konnten wir verfolgen, was sich im großen Saal des Hauses der Lady Florence aus Vonda abspielte. Es war nicht nur ein großer, sondern auch ein prachtvoll ausgestatteter Saal, mit Mosaiken und kunstvollen Kachelmustern, mit Wandbehängen und schlanken Säulen. In der Mitte war ein Kreis kleiner Tische errichtet, daran saß auf Kissen und Matten eine Handvoll Gäste. Außer der Gastgeberin und ihrem besonderen Hausgast, der Lady Melpomene, waren es vier Männer und zwei Frauen. Schimmernde weiße Decken hüllten die Tische ein, darauf lag goldenes Geschirr. Jedem Gast waren winzige Tospit- und Larma-Scheiben aufgetragen worden, außerdem kleine Gebäckstücke und in einer winzigen goldenen Schale mit einem kleinen Goldlöffel die winzigen schwarzen Eier des weißen Grunt. Der erste Wein, ein leichter Weißwein, wurde von Pamela und Bonnie dargereicht. Beide Sklavinnen sahen in ihren weiten, klassisch-weißen Gewändern prächtig aus. Ihre Arme waren natürlich nackt, wie es bei Sklavinnen üblich ist, ebenso wie die Füße. Schmale Silberkragen zierten ihre Hälse.
»Wenn diese Papiere unterzeichnet sind«, sagte Lady Melpomene und hob lachend einige Dokumente hoch, die vor ihr auf dem Tisch lagen, »werde ich meine Schulden los sein.«
Es gab höflichen Applaus, Fäuste wurden gegen die linke Schulter geschlagen.
»Und all dies verdanke ich meiner lieben Freundin, Lady Florence!«
Wieder gab es Beifall, in den Lady Florence aber nicht einfiel; vielmehr verbeugte sie sich leicht.
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