»Iwoso«, wandte sich Bloketu an ihre Zofe, »vielleicht gestatte ich Hci, um dich zu werben.«
»Nein, bitte nicht!« rief Iwoso, die Hci ehrlich zu fürchten schien. Ich sollte erst später begreifen, was es mit dieser Empfindung auf sich hatte.
»Ich werde die Entscheidung treffen«, sagte Bloketu, »ob du ihn erhören wirst oder nicht.«
»Nein, bitte!« flehte Iwoso.
»Willst du mir widersprechen, Zofe?«
»Nein.«
»Eigentlich müßte sie mit gesenktem Kopf auf dem Boden knien«, sagte Hci.
»Ihr Männer wollt doch nichts anderes, als uns alle zu euren hilflosen Sklavinnen zu machen«, sagte Bloketu zornig.
Ich bemerkte den Blick, der Bloketu von Cuwignaka zugeworfen wurde, und sagte mir, daß er sie in seiner Vorstellung wohl entkleide. Wahrscheinlich versuchte er sich klarzumachen, wie sie als Sklavin aussehen würde.
»Möchtest du Iwoso haben?« fragte Bloketu zornig.
Hci, direkt angesprochen, zuckte die Achseln. »Sie ist eine Gelbmesser«, sagte er. »Als Sklavin käme sie vielleicht in Frage, ich weiß nicht.«
»Wenn du sie haben willst, mußt du sie richtig umwerben.«
»Ich umwerbe keine Gelbmesserfrau«, sagte Hci. »Die bringe ich um oder stecke sie in meinen Kragen.« Mit diesen Worten spornte er seine Kaiila an und galoppierte davon.
»Was für ein arroganter junger Mann!« sagte Bloketu.
»Bitte laß nicht zu, daß er mich umwirbt«, flehte Iwoso.
»Ich werde tun, was mir gefällt«, antwortete Bloketu.
»Ja, Bloketu«, sagte Iwoso.
»Du hast Angst vor ihm, nicht wahr?«
»Ja. Ich hätte schreckliche Angst, zu ihm in sein Zelt ziehen zu müssen.«
»Interessant.«
»Du bist frei, die Tochter eines Häuptlings«, sagte Iwoso. »Deshalb verstehst du meine Angst nicht. Ich bin eigentlich nur eine Sklavin.«
»Ich werde tun, was mir beliebt!«
»Bitte zwinge mich nicht, seinem Begehren nachzugeben!«
»Mach mich nicht wütend, Zofe!« fauchte Bloketu, »sonst schicke ich dich vielleicht für die Nacht zu ihm! Bedenke, daß du noch nicht wichtig bist.«
Iwoso antwortete nicht. Bloketus letzte Formulierung verstand ich nicht. Wieso war Iwoso noch nicht wichtig? Ich schloß daraus, daß etwas geschehen könnte, das Iwoso zu einer wichtigen Person machen würde. Sobald dieses Ereignis eingetreten war, brauchte sie sich vermutlich wegen Hci oder anderer Kaiila-Krieger keine Sorgen mehr zu machen.
»Warum sollte Iwoso einmal wichtig werden?« fragte Cuwignaka in diesem Augenblick und arbeitete weiter an der Tierhaut, die vor ihm gespannt war. Die Frage erschien mir angemessen. Auch wenn sie als Zofe einer Häuptlingstochter arbeitete, war Iwoso im Grunde nur eine Sklavin.
»Es ist nicht wichtig«, sagte Bloketu.
»Es hat mit den Gelbmessern zu tun, nicht wahr?« fragte Cuwignaka.
»Vielleicht«, antwortete Bloketu lächelnd. Sie mußte sehr eitel sein, eine Eigenschaft, die Cuwignaka erkannt zu haben schien.
»Wenn Iwoso Bedeutung erlangen soll«, fuhr Cuwignaka fort, »wirst du sicher in entsprechendem Maße noch bedeutender werden.«
»Mag sein.«
»Und wenn du eine wichtige Position bekleidest«, sagte Cuwignaka verwirrt, »dann würde dein Vater Watonka sicher in eine noch wichtigere Stellung aufsteigen?«
»Vielleicht.«
»Aber was kann man Bedeutsameres sein als Häuptling der Isanna?« fragte Cuwignaka ratlos.
»Darf ich etwas sagen, Herrin?« fragte Iwoso.
»Ja.«
»Wenn man es schafft, Frieden zwischen unseren Völkern zu stiften, den Kaiila und den Gelbmessern«, sagte sie, »dann würde man doch vom Prestige her eine sehr wichtige Stellung innehaben.«
»Stimmt«, sagte Cuwignaka.
»Eine solche Tat«, fuhr Iwoso fort, »wäre mit dem Erringen von hundert Coups vergleichbar, mit der Rolle eines Oberhäuptlings der Kaiila.«
»Das stimmt in der Tat«, sagte Cuwignaka und lehnte sich neben der angepflockten Tierhaut zurück.
Bloketu schien erleichtert zu sein. Vage machte ich mir klar, daß Iwoso eine sehr kluge junge Frau zu sein schien.
»Und ich habe die Hoffnung«, fuhr die Zofe fort, »in dieser Angelegenheit ein wenig helfen zu können, bei diesem Friedensschluß zwischen unseren Völkern.«
»Deine Motive sind edel, Mädchen«, sagte Cuwignaka. »Ich hoffe, du hast Erfolg.«
»Danke«, antwortete Iwoso.
Das ganze Gespräch erfüllte mich mit Unbehagen, aber ich vermochte nicht genau zu sagen, was mir daran seltsam vorkam.
Cuwignaka griff nach seinem Gerbmesser und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit.
»Wir wollen zu den Zelten der Isanna zurückkehren, Herrin«, sagte Iwoso drängend. Bisher hatte ich nicht oft gehört, daß sie Bloketu als Herrin anredete. Sie schien es eilig zu haben, uns zu verlassen.
»Waren wir nicht hergekommen, um dieses hübsche Mädchen zu besuchen?« fragte Bloketu. »Dabei wurden wir von Hci gestört.« Anscheinend hatte sie ihre Überlegenheit gegenüber Cuwignaka noch nicht genug ausgekostet. Ich wußte nicht, warum sie ihn so sehr haßte.
»Vertrödelt mit mir nicht eure Zeit«, sagte Cuwignaka, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.
»Du scheinst sehr fleißig zu sein – was machst du da, hübsches Mädchen?« fragte Bloketu.
»Ich gerbe Leder«, antwortete Cuwignaka. »Eine Arbeit, die eigentlich dir anstünde!«
»Freches Mädchen!« rief Bloketu.
»Ich lasse mich nicht gern verspotten.«
»Du bist sehr berühmt«, verkündete die Häuptlingstochter. »Alle Kaiila kennen dich. Ebenso die Staubfuß-Krieger, mit denen wir Handel treiben.«
Cuwignaka brummte gereizt vor sich hin. Natürlich hatte sich seine Geschichte im Ödland herumgesprochen. Zum Beispiel treiben die Staubfüße Handel mit mehreren fremden Stämmen, die wiederum mit anderen Ödland-Bewohnern in Berührung kommen. So sind die Staubfüße und die Flieher zwar ebenso verfeindet wie Kaiila und Flieher, doch handeln die Staubfüße mit den Sleen, die ihrerseits mit Gelbmessern und Fliehern Geschäfte machen. Auf diesen Wegen konnte sich Cuwignakas Geschichte auch bei feindlichen Stämmen herumgesprochen haben.
»Was man vermutlich aber nicht weiß«, fuhr Bloketu fort, »ist, wie hübsch und fleißig du bist.«
»Hübschheit allein genügt nicht, auch wenn du anscheinend recht gut zurechtkommst«, erwiderte Cuwignaka.
»Wir wollen gehen, Herrin«, sagte Iwoso.
»Halt den Mund!« fauchte Bloketu. »Cuwignaka, was meinst du damit!«
»Bei den Kaiila ist allgemein bekannt«, sagte Cuwignaka, lehnte sich zurück und schaute das Mädchen an, »daß du zu kaum etwas taugst.«
»Oh?« rief Bloketu. Offenbar war sie erschrocken, plötzlich dem herausfordernden, offenen Blick des knienden Mannes ausgesetzt zu sein.
»O ja.«
»Den meisten Männern scheint das aber nichts auszumachen«, nahm Bloketu ihren Hochmut zusammen.
»Das liegt daran, daß du die Tochter eines Häuptlings bist.«
»Nein, weil ich schön bin!«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Viele Männer.«
»Da muß es dunkel gewesen sein.«
»Nein!«
»Man sagt dir so etwas, weil du Watonkas Tochter bist, weil die Männer sich eine Kaiila vom Häuptling erhoffen.«
»Nein!«
Cuwignaka zuckte die Achseln, und ich mußte lächeln. Sehr schnell hatte er das Ruder herumgerissen und das Mädchen in die Defensive getrieben. Schon bei einem so einfachen Wortwechsel war er ihr geistig überlegen.
»Alle sagen, daß ich schön bin!« rief Bloketu ärgerlich.
»Hab’ ich es dir jemals gesagt?«
»Indirekt schon. Draußen auf der Prärie hast du gesagt, es genüge nicht, nur schön zu sein.«
»Ach? Na, das mag schon sein. Bei den Kaiila, wo es viel zu tun gibt, genügt es bestimmt nicht, einfach nur schön zu sein.«
»Und damit gibst du zu, daß ich schön bin!« sagte sie triumphierend.
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