Edgar Burroughs - Die Götter des Mars
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Tausendmal schalt ich mich, da ich mich in eine solche Falle hatte locken lassen, wie diese Gruben darstellten. Nun erkannte ich, daß es viel besser gewesen wäre, unsere Streitmacht intakt zu halten und von der Talseite her einen abgestimmten Angriff zu führen, um im Vertrauen auf den Zufall und unsere großen kämpferischen Fähigkeiten die Erstgeborenen zu überwältigen und die ungefährdete Auslieferung Dejah Thoris’ an mich zu erzwingen.
Der Rauch des Feuer trieb mich den Korridor entlang immer weiter dorthin zurück, wo das Wasser war, das ich schon in der Dunkelheit strömen hörte. Meine Männer hatten die letzte Fackel mitgenommen. Auch wurde dieser Korridor nicht durch die Ausstrahlung des phosphoreszierenden Felsgesteins erleuchtet wie jene auf den unteren Ebenen. Diese Tatsache gab mir die Gewißheit, daß ich mich nicht weit von den oberen Gruben befand, die direkt unter dem Tempel lagen.
Schließlich spürte ich, wie das Wasser um meine Füße plätscherte. Der Rauch quoll dick hinter mir. Ich litt unsäglich. Mir blieb wohl nur eine Möglichkeit, nämlich, von beidem den leichteren Tod zu wählen, der mir mit Sicherheit bevorstand. So ging ich den Korridor hinunter, bis das kalte Wasser von Omean mich völlig umgab, und schwamm durch äußerste Dunkelheit weiter – wohin?
Der Selbsterhaltungstrieb ist stark, selbst wenn man, furchtlos und im Besitz der höchsten Denkfähigkeiten, weiß, daß der Tod – ein gewisser und unabwendbarer – dicht vor einem lauert. So schwamm ich langsam weiter und wartete darauf, daß mein Kopf die Decke des Korridors berührte. Dies hätte bedeutet, daß ich den Endpunkt meiner Flucht erreicht hatte und damit die Stelle, wo ich für immer in ein namenloses Grab sinken mußte.
Zu meinem Erstaunen prallte ich gegen eine kahle Mauer, noch ehe ich an dem Punkt war, wo das Wasser die Decke erreichte. Hatte ich mich geirrt? Ich tastete umher. Nein, ich hatte den Hauptkorridor erreicht, und dennoch gab es Raum und Atemluft zwischen der Wasseroberfläche und der felsigen Decke über mir. Nun bewegte ich mich den Hauptkorridor entlang in der Richtung, die Carthoris und die Spitze der Kolonne vor einer halben Stunden eingeschlagen hatten. Ich schwamm und schwamm, und mir wurde bei jedem Zug leichter ums Herz, denn ich wußte, daß ich mich immer mehr dem Punkt näherte, wo keine Möglichkeit mehr bestand, daß das Wasser vor mir tiefer sein konnte als um mich herum. Ich war überzeugt, sehr bald wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Damit bestand wieder die Chance, den Tempel von Issus zu erreichen, und zwar jenen Teil, wo die schöne Gefangene schmachtete.
Doch selbst als meine Hoffnung am größten war, spürte ich den plötzlichen Aufprall, als mein Kopf gegen die Felsen über mir stieß. Nun war demnach das Schlimmste eingetreten. Ich hatte eine der seltenen Stellen erreicht, wo ein Marstunnel plötzlich auf ein niederes Niveau abfällt. Irgendwo dahinter stieg er wieder an, das war mir klar, aber was nützte mir diese Kenntnis, da ich nicht wußte, wie weit er dieses Niveau genau unter der Wasseroberfläche beibehielt?
Es gab nur eine einzige, schwache Hoffnung, und davon ließ ich mich leiten. Ich füllte meine Lungen mit Luft, tauchte unter und schwamm durch dunkelblaue, eisige Finsternis immer weiter den überfluteten Gang entlang. Immer wieder stieg ich mit ausgestreckter Hand auf, doch nur, um die enttäuschenden Felsen dicht über mir zu spüren.
Nicht mehr lange würden meine Lungen die Anspannung aushalten. Ich fühlte, daß ich bald aufgeben mußte. An ein Zurückschwimmen war auch nicht zu denken, ich war schon zu weit vorgedrungen. Ich wußte genau, daß ich es nie schaffen würde, wieder an den Punkt zu gelangen, wo ich das Wasser dicht über meinem Kopf gespürt hatte. Der Tod starrte mir ins Gesicht, auch kann ich mich keines Moments erinnern, an dem ich den eisigen Atem seiner toten Lippen so deutlich auf meiner Stirn gespürt hätte.
Mit meiner schnell schwindenden Kraft unternahm ich eine weitere wahnsinnige Anstrengung. Schwach stieg ich zum letzten Mal auf – meine überanstrengten Lungen lechzten nach Atem, der sie jedoch mit einem fremden und erstarrenden Element füllen würde, aber stattdessen spürte ich den wiederbelebenden Zustrom lebensspendender Luft durch meine gierende Nase in die sterbenden Lungen.
Einige Schwimmzüge brachten mich zu einem Punkt, wo meine Füße den Boden berührten, und kurz danach gelangte ich völlig aus dem Wasser und rannte wie wahnsinnig den Korridor entlang. Ich suchte nach dem ersten Ausgang, der mich nach Issus bringen würde. Sollte ich Dejah Thoris abermals nicht retten können, so war ich wenigstens entschlossen, ihren Tod zu rächen. Doch würde kein anderes Leben meinen Rachedurst befriedigen als das des fleischgewordenen Unholds, der die Ursache allen unermeßlichen Leidens in Barsoom war.
Früher als ich erwartet hatte kam ich an etwas, das mir als plötzlicher Ausgang in den darüber befindlichen Tempel erschien. Er befand sich an der rechten Seite des Korridors, der wahrscheinlich zu weiteren Eingängen in das Gebäude darüber führte.
Für mich war einer so gut wie der andere. Was wußte ich schon, wohin sie alle führten! Ohne darauf zu warten, abermals entdeckt und an meinem Vorhaben gehindert zu werden, lief ich schnell den kurzen, steilen Anstieg hinauf und stieß die Tür an seinem Ende auf.
Sie tat sich langsam nach innen auf, und ehe sie vor mir wieder zugeschlagen werden konnte, sprang ich in den dahinterliegenden Raum. Obwohl die Abenddämmerung noch nicht eingesetzt hatte, war er hell erleuchtet. Seine einzige Bewohnerin lag ausgestreckt auf einer niedrigen Liege auf der anderen Seite und schlief offensichtlich. Auf Grund der Wandbehänge und des reichen Mobiliars des Raumes schlußfolgerte ich, daß es sich um den Wohnraum einer Priesterin, womöglich Issus selbst, handelte.
Bei diesem Gedanken geriet mein Blut in Wallung. Sollte das Schicksal gnädig genug gewesen sein, mir dieses gräßliche Geschöpf allein und schutzlos in die Hände zu spielen? Mit ihr als Geisel konnte ich die Erfüllung all meiner Forderungen durchsetzen. Vorsichtig näherte ich mich der Daliegenden auf leisen Sohlen. Ich kam ihr immer näher, doch ich hatte den Raum erst zur Hälfte durchquert, als sie sich bewegte und sich bei meinem Hinzueilen aufrichtete und mich anblickte.
Zunächst spielte sich Angst auf dem Gesicht der Frau, die mich ansah, dann ungläubige Verwirrung, dann Hoffnung und Dankbarkeit.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust, als ich zu ihr trat, Tränen stiegen mir in die Augen, Worte, die aus mir herausbrechen wollten, blieben mir in der Kehle stecken, als ich meine Arme ausbreitete und einmal mehr die Frau an mich drückte, die ich liebte – Dejah Thoris, Prinzessin von Helium.
22. Sieg und Niederlage
»John Carter, John Carter«, schluchzte sie und druckte ihr liebes Köpfchen an meine Schulter. »Selbst jetzt kann ich kaum glauben, was meine Augen mir sagen. Als dieses Mädchen, Thuvia, mir sagte, du seist nach Barsoom zurückgekehrt, hörte ich es zwar, konnte es jedoch nicht verstehen, weil ich mir sagte, ein solches Glück sei unmöglich für jemanden, der all diese Jahre in der schweigenden Einsamkeit so gelitten hatte. Als ich schließlich erfaßte, daß es wahr war, und erfuhr, an welch schrecklichem Ort man mich gefangenhielt, zweifelte ich doch, daß selbst du mich hier erreichen könntest.
Als die Tage verstrichen und ein Mond nach dem anderen vorüberging, ohne daß mich auch nur die leiseste Kunde von dir erreichte, ergab ich mich in mein Schicksal Und nun, da du gekommen bist, kann ich es kaum glauben. Seit einer Stunde höre ich den Lärm einer Auseinandersetzung im Palast. Ich wußte nicht, was es bedeutete, doch ich hoffte gegen jede Vernunft, daß es die Männer von Helium seien, angeführt von meinem Prinzen.«
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