Vielleicht noch pathologischer sind Hitlers sekretorische und fäkale Besessenheiten. ›Faulige Gerüche‹, ›Pestilenz‹, ›Eiter‹, ›stinkende Misthaufen‹, übelriechende Senkgruben‹ und dergleichen sind in dem Buch überaus häufig. Immer wieder zeigt Hitler seine krankhafte Furcht vor Körpersekreten und Stoffwechselprozessen. Immerfort beschreibt er die verhaßten Krieger von Zind als ›sabbernd‹, ›defäkierend‹, ›urinierend‹ und so weiter. Ungeheuer sind mit Schleim bedeckt, der die Vorstellung von Nasenschleim erweckt. Die Kräfte des Bösen werden in Begriffen von schädlichen Ausscheidungen, Schmutz, üblen Gerüchen und Entstellungen beschrieben, während die Kräfte des Guten ›makellos‹, ›glänzend‹ und ›diszipliniert‹ sind. Ihre Personen und Ausrüstungsgegenstände haben schimmernde Oberflächen, die zu sterilem Glanz poliert sind. Die analen Bezüge dieser Dichotomie sollten selbst dem Laien einleuchtend sein.
Die Gewalt in dem Roman grenzt ans Psychotische. Hitler beschreibt die gräßlichsten Gemetzel, als fände er sie nicht nur attraktiv, sondern meine sogar, daß seine Leser davon in gleicher Weise fasziniert wären. Es besteht kein Zweifel, daß die Behandlung der Gewalt in Herr des Hakenkreuzes dem Buch einen besonderen morbiden Reiz hinzufügt. Hier wird dem Leser mit etwas aufgewartet, wenn das das richtige Wort ist, was in der gesamten Literatur einzigartig sein mag: die gräßlichsten, perversesten und abscheulichsten Gewalttaten, geschildert von einem Schriftsteller, der offenbar beabsichtigt, solche entsetzlichen Spektakel als erbaulich, erhebend und sogar als Ausdruck von edler Denkart vorzustellen. Selbst ein De Sade ging nicht so weit, denn seine Schrecken sind schlimmstenfalls als sexueller Kitzel gemeint, während Hitler Massenvernichtung, rücksichtsloses Abschlachten, übelkeiterregende Exzesse von Gewalt und Völkermord mit frommer Selbstgerechtigkeit, Tugend und Ehre gleichsetzt und darüber hinaus schreibt, als erwarte er nichts anderes, als daß der durchschnittliche Leser seinen Standpunkt als selbstverständliche Wahrheit teile. Sicherlich liegt darin der entscheidende Beweis, daß die Kraft des Buches nicht im Können des Autors liegt, sondern in den ungezügelten pathologischen Fantasien, die er unbedenklich in Druck gegeben hat.
Damit nicht genug, haben wir es hier mit dem erstaunlichen Fall zu tun, daß in dem Roman nicht eine einzige Frau auftritt. Es läßt sich mit einiger Berechtigung sagen, daß Asexualität ein Kennzeichen der typischen Science-Fantasy-Literatur ist; Frauen erscheinen nur als keusche, ›züchtige‹, schablonenhafte Gestalten, als Gegenstände romantischen Interesses für den Helden, als Preise, die gewonnen werden müssen. Herr des Hakenkreuzes ist nicht nur frei von diesem traditionellen romantischen Interesse, der Roman nimmt es schließlich sogar auf sich, die Notwendigkeit der weiblichen Hälfte der menschlichen Rasse zu leugnen. Am Ende wird alle menschliche Reproduktion durch die Technik der Zellkernverschmelzung in den Aufzuchtbehältern riesiger Vermehrungsanstalten vorgenommen, wobei die SS-Männer sich selbst duplizieren, eine unheimliche Art von männlicher Parthenogenese.
Es ist verlockend, diese weitgehende Leugnung der Existenz von Frauen dem phallischen Fetischismus hinzuzufügen und mit einer Diagnose unterdrückter Homosexualität von Seiten Hitlers aufzuwarten. Es ist wahr, daß Hitler, obwohl er nie heiratete, auf Science-Fiction-Kongressen einen gewissen Ruf als ein Don Juan genoß. Auf der anderen Seite ist unterdrückte Homosexualität häufig ein Element im Charakterbild des Frauenhelden. Gleichwohl würde es sicherlich vermessen sein, nach den verfügbaren Hinweisen post mortem eine solche Diagnose zu stellen. Es genügt zu sagen, daß Hitlers Einstellung zu Frauen im allgemeinen und zur Sexualität im besonderen kaum gesund war.
So tritt uns Herr des Hakenkreuzes, weit davon entfernt, wie so viele andere Science-Fantasy-Romane eine zynisch geschriebene, formelhafte und schlau auf die phallische Fixierung der Massen spekulierende Darstellung zu sein, als das Besessenheitsprodukt einer verwirrten, aber starken Persönlichkeit vor Augen. Die Kraft des Buches entspringt nicht der Geschicklichkeit des Autors, sondern der Reichhaltigkeit der pathologischen Selbstdarstellung, mit der er den Roman vollständig unbewußt ausstattete. Es ist wohlbekannt, daß die Kunst von Psychotikern selbst dem völlig normalen Verstand als brillant und ansprechend erscheinen kann. Solche Kunstwerke gewähren uns einen beängstigenden Einblick in eine verderbliche Realität, die glücklicherweise außerhalb unserer persönlichen Erfahrung liegt. So kommen wir vom intimen Kontakt mit dem Unaussprechlichen bewegt und tief aufgewühlt davon.
Wer mit dem Genre der kommerziellen Science-Fiction-Literatur nicht vertraut ist, mag überrascht sein, zu erfahren, daß solche pathologischen Erzeugnisse durchaus nicht selten sind. Die Science-Fiction-Literatur kennt einen Überfluß an Geschichten von allmächtigen phallischen Übermenschen, fremdartigen Lebewesen, die als fäkale Surrogate dargestellt werden, phallischen Totems, vaginalen Kastrationssymbolen (wie das Ungeheuer mit den vielen saugenden, mit rasiermesserscharfen Zähnen gefüllten Mündern im vorliegenden Buch), sublimen homoerotischen oder sogar päderastischen Beziehungen und dergleichen. Während einige wenige der besseren Schriftsteller auf diesem Gebiet von solchen Elementen sparsamen und überlegten Gebrauch auf einer bewußten Ebene machen, sprudelt das meiste von diesem Material aus dem Unterbewußten in die Arbeit von Schriftstellern, die auf einer rein oberflächlichen Ebene schreiben.
Herr des Hakenkreuzes weicht nur in der Intensität und bis zu einem gewissen Grade im Gehalt von der beträchtlichen Masse pathologischer Literatur ab, die innerhalb des Science-Fiction-Bereichs veröffentlicht wird. Man muß Hitlers einigermaßen ungewöhnlichen Hintergrund betrachten, um eine befriedigende Erklärung für den besonderen Erfolg dieses Buches zu finden.
Adolf Hitler wurde in Österreich geboren und wanderte nach Deutschland aus, in dessen Armee er während des Weltkriegs diente, bevor er 1919 nach New York emigrierte. In der Zeit zwischen dem Ende des Weltkriegs und seiner Auswanderung nach Amerika war Hitler mit einer kleinen radikalen Partei verbunden, den Nationalsozialisten. Sehr wenig ist über diese obskure Gruppe bekannt, die sich um 1923 wieder auflöste, volle sieben Jahre, bevor der kommunistische Staatsstreich die Angelegenheit zu einer rein akademischen Frage machte. Es scheint jedoch klar zu sein, daß die Nationalsozialisten die Machenschaften der Sowjetunion um viele Jahre früher erkannten als andere und entschiedene Antikommunisten waren.
Die Themen Nationalsozialismus und Deutschland blieben für Hitler zeitlebens wunde Punkte; er diskutierte sie nur mit großem Widerwillen und deutlicher Bitterkeit und auch das angeblich nur, wenn er betrunken war. Die Nationalsozialisten tat er, ohne Zweifel durchaus zu Recht, als einen jämmerlichen Bierhallendebattierklub ab. Aber seine frühe, leidenschaftliche und auch später andauernde Ergebenheit in die Sache des Antikommunismus war wohlbekannt und verwickelte ihn in zahlreiche hitzige Debatten und Fehden innerhalb der kleinen Welt von ScienceFiction-Liebhabern, in der er sich bewegte, bis die Einvernahme Englands im Jahre 1948 den imperialistischen Appetit der Sowjetunion selbst dem naivsten Apologeten des Kommunismus deutlich vor Augen führte.
Sind Bildersprache, Gewalt, Fetischismus und Symbolismus im Herr des Hakenkreuzes klare Manifestionen von Hitlers ungesunden unterbewußten Besessenheiten, so darf man annehmen, daß Elemente politischer Allegorie im Roman bewußte Schöpfungen eines Verstandes waren, der tief besorgt über die Lage der Weltpolitik und das unglückliche Schicksal seines angestammten Europas war.
Читать дальше