Norman Spinrad
Der stählerne Traum
Adolf Hitler im Büro von Hugo Gernsback am 4.12.1931 in New York, für dessen Magazine er Illustrationen zeichnete, u.a. für »Your Body« und »Amazing Stories«, sowie Übersetzungen aus dem Deutschen von Hermann Noordings Erzählungen für das Magazin »Science Wonder Stories« anfertigte.
ADOLF HITLER wurde am 20. April 1889 als Sohn des k.k. Zollamtsoffiziers Alois Hitler und seiner Ehefrau Klara, geb. Pölzl in Braunau am Inn (Österreich) geboren. Als junger Mann übersiedelte er nach Deutschland und diente während des Großen Krieges in der deutschen Armee. Nach dem Krieg geriet er in München für kurze Zeit in den Bannkreis rechtsradikaler politischer Bewegungen bevor er, von Mißerfolgen enttäuscht, Ende 1919 nach New York auswanderte. So lange er englisch lernte, fristete er eine unsichere Existenz als Straßenmaler und Gelegenheitsübersetzer in Greenwich Village, dem Zufluchtsort der New Yorker Bohemiens. Nach mehreren Jahren dieses ungebundenen Lebens begann er als Illustrator für Zeitschriften und Comic-Hefte zu arbeiten. 1930 lieferte er seine ersten Illustrationen für das Science-Fiction-Magazin ›Amazing‹, und zwei Jahre später war er ein gesuchter Illustrator für Science-Fiction-Magazine. Im Jahre 1935 vertraute er seinem Englisch soweit, daß er sein Debüt als Science-Fiction-Autor wagte. Den Rest seines Lebens widmete er als Schriftsteller, Illustrator und Herausgeber dem Genre der Science Fiction. Obgleich er den heutigen SF-Freunden vor allem durch seine Romane und Kurzgeschichten bekannt ist, war Hitler während des goldenen Zeitalters der dreißiger Jahre ein beliebter Illustrator, gab mehrere Anthologien heraus, schrieb lebendige Rezensionen und gab fast zehn Jahre lang die Fanzeitschrift Storni heraus, die große Beliebtheit gewann.
Für seinen Roman Herr des Hakenkreuzes, den er kurz vor seinem Tod im Jahre 1953 vollendete, wurde ihm vom Internationalen Science-Fiction-Con 1955 posthum der Hugo Gernsback Award zuerkannt, ein alljährlich verliehener, begehrter ScienceFiction-Literaturpreis. Viele Jahre lang war er ein gern gesehener Gast auf Science-Fiction-Treffen, weithin bekannt als ein geistreicher und unermüdlicher Unterhalter. Seit der Veröffentlichung des Buches sind die farbenfrohen Uniformen und Embleme, die er in Herr des Hakenkreuzes vor der Welt erstehen ließ, bevorzugte Kostüme bei den traditionellen Karnevalsveranstaltungen im Rahmen des Weltcons geworden. Hitler starb 1953, doch die Romane und Kurzgeschichten, die er hinterließ, bleiben allen Freunden des Genres ein Vermächtnis.
Herr des Hakenkreuzes
Ein Science-Fiction-Roman von ADOLF HITLER
Mit einem gewaltigen Ächzen von ermüdetem Metall und einem Zischen von entweichendem Dampf kam der Dampfwagen aus Gormond mit nur dreistündiger Verspätung im schmutzigen Hof des Stationsgebäudes von Pormi zum Stillstand; eine für borgravische Verhältnisse durchaus achtbare Leistung. Ein Sortiment humanoider Gestalten entstieg watschelnd dem Fahrzeug und stellte die übliche Vielfalt von Hauttönungen, Körperformen und Gangarten zur Schau. Essensreste von dem mehr oder weniger ununterbrochenen Picknick, das diese Mutanten während der zwölfstündigen Fahrt abgehalten hatten, hafteten an ihrer derben und vorwiegend fadenscheinigen Kleidung. Ein säuerlicher, ungewaschener Geruch ging von dieser buntscheckigen Herde aus, als sie über den schlammigen Hof zu dem schmucklosen Betonschuppen trottete, der als Abfertigungsgebäude diente.
Endlich entstieg dem Dampfwagen eine Gestalt von überraschendem und unerwartetem Adel: ein hochgewachsener, athletisch gebauter Mann in der Blüte seiner Jahre. Sein Haar war blond, seine Haut hell, die Augen waren blau und strahlend. Seine Haltung war vollkommen, sein schlichter blauer Rock sauber und in gutem Zustand.
Feric Jaggar verkörperte vom Scheitel bis zur Sohle den geotypisch reinen Menschen. Dies war das einzige, was eine so beengte und langdauernde Zwangsgemeinschaft mit dem Bodensatz von Borgravia erträglich machte; die Untermenschen konnten nicht umhin, seine genetische Reinheit zu erkennen. Sein Anblick genügte, um Mutanten und Bastarde in die Schranken zu weisen, und meistenteils richteten sie sich danach.
Feric trug seine weltlichen Besitztümer in einer Ledertasche, die er mühelos trug; dies ermöglichte ihm, das schmierige Abfertigungsgebäude ganz zu meiden und sich direkt auf den Ulmboulevard zu begeben, der zur Brücke über die Ulm führte und die verschmutzte kleine Grenzstadt in der kürzesten Linie durchmaß. Endlich war der Tag gekommen, da er die borgravischen Schweineställe hinter sich lassen und sein Geburtsrecht als genotypisch reiner Mensch und Helder beanspruchen konnte, ein Mann mit einem makellosen Stammbaum, der sich über zwölf Generationen zurückverfolgen ließ.
Das Herz voller Hoffnung, den Sinn erfüllt von Gedanken an die Zukunft und seine Ziele, war Feric beinahe imstande, das schäbige Schauspiel zu ignorieren, das von allen Seiten auf ihn eindrang, als er die ungepflasterte Straße zum Fluß hinunterging. Dieser Boulevard war wenig mehr als ein lehmiger Graben zwischen zwei Reihen primitiver Schuppen und Hütten aus rohen Brettern, Flechtwerk und rostigem Blech. Nichtsdestoweniger schien er der Stolz und die Freude der Bewohner von Pormi zu sein, denn die Vorderseiten dieser elenden Gebäude waren behangen mit grellbemalten Schildern und unbeholfenen Illustrationen, welche auf die im Inneren feilgehaltenen Waren hinwiesen, überwiegend Landesprodukte, aber auch Gebrauchtartikel aus der höheren Zivilisation jenseits der Ulm. Damit nicht genug, hatten viele Ladenbesitzer längs der Straße Stände errichtet, wo faulig aussehendes Obst, schmierige Kartoffeln und von Fliegen umschwärmtes Fleisch zum Verkauf auslagen; diese stinkende Ware priesen sie mit sich überschlagenden Stimmen den Kreaturen an, die sich auf der Straße drängten und ihrerseits mit schrillem Feilschen zum allgemeinen Lärm beitrugen.
Die ranzigen Gerüche, das heisere Geschnatter und die insgesamt ungesunde Atmosphäre gemahnten Feric an den großen Markt von Gormond, der borgravischen Hauptstadt, wo das Schicksal ihn so viele Jahre hindurch festgehalten hatte. Als Kind hatte man ihn gegen enge Kontakte mit den Einheimischen der umliegenden Viertel abgeschirmt; als junger Mann hatte er keine Mühe gescheut, um solche Gegenden nach Möglichkeit zu meiden.
Natürlich war es niemals möglich gewesen, den Anblick der verschiedenartigen Mutanten zu meiden, die jeden Winkel und jede Gasse von Gormond bevölkerten, und das Genreservoir hier in Pormi schien um keinen Deut weniger verdorben als jenes, das in der borgravischen Hauptstadt vorherrschte. Das Straßengesindel war hier wie in Gormond ein durcheinandergewürfeltes Gemisch von bastardisierten Mutationen. Blauhäute, Echsenmenschen, Harlekine und Blutgesichter waren noch das mindeste; wenigstens ließ sich sagen, daß solche Geschöpfe sich rasseecht vermehrten. Aber es gab alle nur denkbaren Mischungen: die Schuppenhaut eines Echsenmannes mochte statt grün bläulich oder rötlich verfärbt sein; eine Blauhaut konnte das flekkige Aussehen eines Harlekins haben; das warzige Antlitz eines Krötenmenschen mochte sich schmutzigweiß oder lilarot zeigen.
Die gröberen Mutationen waren zum größten Teil rasseechter, und wenn auch nur aus dem Grund, daß zwei solche genetischen Katastrophen im selben Lebewesen meistens in einem nicht lebensfähigen Fötus zu enden pflegten. Viele der Ladenbesitzer hier in Pormi waren Zwerge von dieser oder jener Art — bucklig, mit drahtigem schwarzen Haar bedeckt, ein wenig spitzköpfig, viele mit sekundären Hautmutationen —, die unfähig waren, anstrengendere Arbeit zu verrichten. In einer kleinen Stadt wie dieser traten die selteneren Mutanten weniger in Erscheinung als in den Orten, die man in Borgravia für Großstädte hielt. Als Feric sich seinen Weg durch die übelriechende Menge bahnte, machte er dennoch drei Eierköpfe aus, deren nackte, chitinartige Schädel rötlich in der warmen Sonne glänzten, und stieß im Vorbeigehen ein Papageiengesicht an. Diese groteske Kreatur fuhr sofort herum und klappte gereizt die hornig vorspringenden Kiefer aufeinander, bis sie ihn als den erkannte, der er war.
Читать дальше