»Sie müssen mir von Ihrer Partei erzählen, sobald dies vorüber ist«, antwortete Feric bündig.
»Mit Vergnügen. Aber wie wollen Sie diese Sache zu Ende bringen? Was ist Ihr Ziel?«
»Mein Ziel ist einfach genug«, sagte Feric. »Der Tod des Dominators in der Zollfestung. Wenn Sie die fanatische Ergebenheit Ihrer Anhänger gewinnen wollen, dann müssen Sie ihnen eine Bluttaufe gewähren.«
Entschlossen marschierte der Haufen über die Brücke, zehn Mann nebeneinander, fünf Reihen tief, eine buntscheckige Truppe von Wirtshausbesuchern, vom Willen eines Mannes umgewandelt in eine Sturmtruppe. Für Feric war es ein tief befriedigendes Gefühl, an der Spitze der Kolonne zu marschieren; es war alles, was er sich vorgestellt hatte, als er mit dem Gedanken an eine militärische Laufbahn gespielt hatte, und mehr. Er fühlte die Kraft der massierten Formation von Männern unter seinem Kommando sein ganzes Wesen durchströmen und ihn mit absolutem Vertrauen in sein eigenes Schicksal erfüllen. Er war ein Führer. Wenn er sprach, hörte man auf ihn; wenn er befahl, folgte man ihm. Und dies ohne jegliche formale Ausbildung oder offizielle Autorität; seine Überlegenheit in diesen Dingen war eine Qualität, die von anderen als ihm innewohnend erkannt wurde, ein Führungstalent, das ohne Zweifel in seinen Genen angelegt war. Geradeso wie eine Herde von Wildpferden die Herrschaft des Leithengstes anerkennt, oder wie ein Wolfsrudel das stärkste Tier als den natürlichen Führer ansieht, so wurden diese Männer, die er nie zuvor gesehen hatte, allein von der seiner Stimme und Persönlichkeit innewohnenden Autorität mitgerissen, bereit, sich seiner Führung unterzuordnen.
Es war eine ehrfurchtgebietende und furchtbare Macht, die nur für patriotische und idealistische Zwecke eingesetzt werden durfte. Tatsächlich mußte seine Willensstärke mindestens zum Teil das Resultat seiner vollständigen Hingabe an die Sache der genetischen Reinheit und den endgültigen Triumph des wahren Menschen überall auf Erden sein. Nur die Verbindung von Idealismus und rücksichtslosem Fanatismus konnte einen so überwältigenden Willen erzeugen.
Bald hatte der Trupp die Zollfestung erreicht. Der Wachsoldat am Eingang zog bei Ferics und seiner Gefolgsleute Annäherung den Stahlknüppel, doch in seinen Augen war Furcht, und seine Stimme bebte, als er den Trupp erregter Männer anrief: »Halt! Was hat das zu bedeuten?«
Statt einer Antwort löste sich ein bärenstarker Mann mit einem roten Gesicht aus dem Gedränge der Männer und schlug dem unglücklichen Wachsoldaten einen Bierkrug auf den Schädel. Der Soldat brach in die Knie und hielt sich den blutenden Kopf. Jemand nahm ihm den Knüppel ab, und mit Gebrüll stürmte die Vorhut des Trupps in die Festung, gefolgt von Feric, Bogel und dem Rest des Haufens.
Der Trupp brandete in den Abfertigungsraum, stieß die entlang des schwarzen Steintresens anstehenden Einreisewilligen derb beiseite und konfrontierte die vier Beamten dahinter mit einer massiven Phalanx vierschrötiger Gestalten und zornroter Gesichter. Die drei wahren Männer reagierten mit Verblüffung und Furcht auf dieses bedrohliche Verhalten; der verächtliche Mork mimte unerschütterliche Ruhe, aber Feric fühlte, wie er in wilder Verzweiflung bemüht war, sein Dominanznetz über diese neuen und gefährlichen Helder zu werfen.
»Was hat dieses Benehmen zu bedeuten?« verlangte der bärtige ältere Beamte zu wissen. »Verlassen Sie sofort diesen Raum!«
Feric spürte ein plötzliches Nachlassen der hitzigen Entschlossenheit seiner Anhänger; Morks psychische Abwehr wurde von der Festigkeit des tapferen alten Kriegers unterstützt, und die Entschlossenheit von Ferics Truppe war erschüttert.
Feric drängte sich nach vorn und erreichte den Tresen. Er beugte sich über die schwarze Steinplatte und packte den Dominator Mork an der Gurgel. Während seine kraftvolle Hand ihm die Luft abdrückte, zog er den Nichtswürdigen halb über den Tresen. Morks Gesicht lief aus Mangel an Sauerstoff dunkelviolett an und Feric fühlte, wie des Doms psychische Energien dahinschwanden.
»Das ist die elende Kreatur!« rief Feric. »Dieses Ungeheuer ist der Dom, der diese Festung in Knechtschaft hält!«
»... ersauf in deiner Galle, Saumensch!« gurgelte Mork, als er sah, daß das Spiel aus war. Feric festigte seinen Griff, und das Gebabbel des Dom wurde zu einem heiseren Würgen. Ein gewaltiger Aufschrei stieg aus der Menge empor. Ungezählte Arme griffen über den Tresen, packten Mork bei den Schultern, Haaren und Armen und zerrten den halb bewußtlosen Dom über den Tresen, bis er zwischen den Männern am Boden lag.
Der Würgegriff hatte Mork zu sehr geschwächt, als daß ihm eine ernstliche Gegenwehr möglich gewesen wäre; überdies konnte kein Dominator hoffen, den gemeinschaftlichen Willen von mehr als vierzig Männern zu unterdrücken, die sich seiner gefährlichen Identität bewußt und von rechtschaffenem Zorn erfüllt waren.
»Eines Tages werdet ihr euch alle vor Zind beugen und unseren Befehlen folgen, wertloses Gesindel!« keuchte Mork, während er auf die Beine zu kommen suchte.
Als Antwort traf ein halbes Dutzend derb gestiefelter Füße die Mißgeburt in den Brustkorb und warf sie auf den Boden zurück. Ein weiterer Tritt, diesmal gegen den Kopf, nahm dem Dom das Bewußtsein. Als sein Körper erschlaffte, erhob sich ein Triumphgebrüll, und er verschwand unter einem Hagel von Stiefeltritten und Knüppelschlägen.
Innerhalb von einer oder zwei Minuten war Mork nichts als ein blutiger Sack voll zerschlagener Knochen, der formlos auf dem Fliesenboden des Abfertigungsraumes lag.
Feric wandte seine Aufmerksamkeit den drei Beamten zu, die stumm hinter dem Tresen standen. In ihren benommenen Mienen begann sich Bestürzung zu malen.
Der jüngste Beamte gewann als erster die Fassung zurück. »Mir ist, als wäre ich gerade aus einem langen schrecklichen Traum erwacht«, murmelte er. »Ich fühle mich wieder als ein Mensch. Was ist geschehen?«
»Ein Dominator ist geschehen!« sagte der alte Soldat. Er reichte über den Tresen und legte die Hand auf Ferics Schulter. »Sie hatten recht, Rechtmann Jaggar!« rief er aus. »Nun, da das schmutzige Ungeziefer und sein Dominanzmuster gebrochen ist, erkenne ich, daß wir alle weniger als wahre Menschen waren, seit Mork hier eintraf. Wir verdanken Ihnen unsere Mannesehre!«
»Sie verdanken Ihre Mannesehre nicht mir, sondern der geheiligten Sache, für die wir streiten«, erwiderte Feric. »Und das ist die Sache der genetischen Reinheit.« Er wandte sich halb zur Seite, um auch die Truppe der Stadtbewohner anzusprechen. »Lassen wir uns das alle eine Lehre sein!« erklärte er. »Wir sehen, wie leicht sogar Zollwachen in einem Dominanzmuster gefangen werden konnten. Die Doms sind überall und nirgends; man kann sie kaum erkennen und ist machtlos, unfähig, sich selbst zu befreien, wenn man in ihr Netz gefallen ist. Aber wenn Sie bemerken, daß andere sich verhalten, als könnten sie in den psychischen Tentakeln eines Dominators gefangen sein, dann können Sie diese Landsleute so leicht befreien, wie Sie einem Huhn den Hals umdrehen. Jeder von uns sei der Wächter seines Bruders! Möge dieser kleine Sieg wie ein Leuchtfeuer in Ihren Herzen weiterbrennen! Tod den Dominatoren! Lang lebe Heldon! Keiner von uns darf ruhen, ehe der letzte Dom in den Staub getreten ist, ehe der letzte bewohnbare Quadratmeter Erdboden unter der Herrschaft wahrer Menschen ist! Ertränken wir alle Dominatoren und Bastarde in dem Meer ihres eigenen Blutes!«
Gewaltiger Beifall brandete auf; Zollsoldaten und sogar ein Teil der Reisenden, die auf ihre Abfertigung warteten, schlossen sich dem Jubel der Stadtbewohner an. Feric fühlte sich von kräftigen Händen ergriffen, und bevor er wußte, wie ihm geschah, saß er auf den Schultern der triumphierenden Männer. Unter weiterem Gebrüll und Hurrarufen trugen die guten Helder ihn im Triumphzug aus der Zollfestung und auf die Brücke.
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