Die Anwesenden gehorchten, ohne ein Wort zu sagen, und Nisa tauschte ein triumphierendes Lächeln mit dem Biologen — trotz aller Hoffnungslosigkeit des Augenblicks.
„Zweifellos hat der Stern einen Planeten, ich vermute sogar zwei, nach der Krümmung der Isograven zu urteilen. Die Planeten müssen, wie Sie sehen…“ — der Expeditionsleiter fertigte rasch eine genaue Skizze an — „… ziemlich groß sein und folglich eine Atmosphäre haben. Vorläufig besteht keine Notwendigkeit zu landen, da wir noch genügend atomaren festen Sauerstoff haben.“
Erg Noor verstummte, um seine Gedanken zu sammeln.
„Wir werden zu einem Satelliten des Planeten und ihn auf seiner Umlaufbahn umkreisen“, fuhr er fort. „Wenn sich seine Atmosphäre als geeignet erweist und wir unsere Luft verbraucht haben, dann reicht der planetarische Treibstoff noch immer aus, um zu landen und um Hilfe zu rufen. „Innerhalb des nächsten halben Jahrs können wir die Richtung berechnen, unsere Erkenntnisse über die Sirda durchgeben, ein Hilfsschiff anfordern und unser Schiff retten.“
„Wenn uns das gelingt…“, sagte Pur Hiss und schnitt ein Gesicht, um seine aufflackernde Freude zu verbergen.
„Ja, wenn!“, stimmte Erg Noor zu. „Aber es ist klarerweise unser Ziel. Wir müssen all unsere Kraft daransetzen, genau das zu erreichen. Sie, Pur Hiss und Ingrid, führen die Beobachtungen und Berechnungen der Planetenausmaße durch. Ber und Nisa, Sie beide errechnen aufgrund der Planetenmasse die Fluchtgeschwindigkeit und daraus die Umlaufgeschwindigkeit sowie den optimalen Radianten für den Umlauf des Sternenschiffs!“
Die Forscher begannen, für alle Fälle auch Vorbereitungen für eine Landung zu treffen. Der Biologe, die Geologin und die Ärztin bereiteten den Abwurf einer automatischen Aufklärungsstation vor, die Mechaniker stellten die Landeradargeräte und — scheinwerfer ein und machten einen Raketensatelliten für die Übermittlung der Botschaft auf die Erde klar.
Nach dem Schrecken und der Hoffnungslosigkeit, die sie ausgestanden hatten, ging die Arbeit besonders schnell voran und wurde nur unterbrochen, wenn das Sternenschiff durch Gravitationswirbel wieder mal ins Schaukeln geriet. Inzwischen hatte die Tantra ihre Geschwindigkeit so stark gedrosselt, dass diese Schwankungen der Besatzung nichts mehr anhaben konnten.
Pur Hiss und Ingrid stellten zwei Planeten fest. Auf eine Annäherung an den äußeren musste verzichtet werden — er war riesig, kalt und von einer starken, wahrscheinlich giftigen Atmosphäre eingehüllt, die für sie den Tod hätte bedeuten können. Hätten sie sich eine Todesart aussuchen sollen, so wäre es wahrscheinlich besser gewesen, an der Oberfläche des Eisensterns zu verbrennen, als das Schiff durch eine tausend Kilometer dicke Eisschicht zu stoßen und dann in der Finsternis einer Ammoniakatmosphäre zu ertrinken. Solche schrecklichen Riesenplaneten gab es auch im Sonnensystem, nämlich Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
Die Tantra näherte sich unaufhaltsam dem Stern. Nach neunzehn Tagen lagen die Ausmaße des inneren Planeten vor — er war größer als die Erde. Da er sich ziemlich nahe an seiner eisernen Sonne befand, jagte er mit rasender Geschwindigkeit auf seiner Bahn dahin — das Jahr des Planeten betrug kaum mehr als zwei bis drei Erdenmonate. Der unsichtbare T-Stern erwärmte ihn wahrscheinlich ausreichend mit seinen schwarzen Strahlen — und sollte es dort eine Atmosphäre geben, so hatte sich vielleicht auch Leben entwickelt. In diesem Fall würde eine Landung besonders gefährlich sein…
Fremdes Leben, das sich unter den Bedingungen anderer Planeten entwickelt und einen anderen Weg der Evolution beschritten hatte, war ungeachtet der Tatsache, dass es sich im ganzen Kosmos in einer gemeinsamen Form von Eiweißkörpern manifestierte, für Erdenbewohner äußerst gefährlich. Die Abwehrkräfte, die die irdischen Organismen im Verlaufe von Millionen von Jahrhunderten gegen schädliche Abfälle und krankheitserregende Bakterien entwickelt hatten, waren gegenüber fremden Lebensformen hilflos. Und im selben Maße waren auch Lebewesen anderer Planeten auf der Erde gefährdet.
Die Haupttätigkeit tierischen Lebens — töten, um zu fressen, und fressen, um zu töten — äußerte sich bei einem Zusammentreffen von Tieren verschiedener Welten mit bedrückend brutaler Grausamkeit. Unglaubliche Krankheiten, schlagartig auftretende Epidemien, ungeheuerlich sich vermehrende Schädlinge und schreckliche Verletzungen waren die Folgen der ersten Forschungsreisen zu bewohnbaren, aber von Menschen unbewohnten Planeten. Deshalb führten auch andere Welten, die von intelligenten Lebewesen besiedelt waren, eine Vielzahl von Versuchen und vorbereitenden Maßnahmen durch, bevor sie mittels Sternenschiffe in direkten Kontakt mit fremden Welten traten. Auf der Erde, die weitab von den dicht gedrängten Lebenszentren der Galaxis liegt, waren noch keine Gäste von Planeten anderer Sterne, noch keine Vertreter anderer Zivilisationen angekommen. Der Rat für Sternschifffahrt hatte erst vor Kurzem die Vorbereitungen für den Empfang von Freunden von nicht weit entfernten Sternen im Ophiuchus, Cygnus, Ursa Major und Apus abgeschlossen.
Besorgt über ein mögliches Zusammentreffen mit fremden Lebensformen, ließ Erg Noor aus den hintersten Lagerräumen biologische Abwehrmittel heranschaffen.
Die Tantra hatte endlich ihre Umlaufgeschwindigkeit der des inneren Planeten des Eisensterns angeglichen und begann ihn zu umkreisen. Die verschwommene, braune Oberfläche des Planeten oder, besser gesagt, seiner Atmosphäre mit dem Widerschein des riesigen dunkelbraunen Sterns war nur im Elektroneninvertor sichtbar. Sämtliche Expeditionsmitglieder waren mit den Geräten beschäftigt.
„Die Temperatur der oberen Schichten auf der Tagseite beträgt dreihundertzwanzig auf der Kelvinskala!“
„Die Achsendrehung ungefähr zwanzig Tage!“
„Die Radargeräte zeigen das Vorhandensein von Land und Wasser an.“
„Die Dicke der Atmosphäre ist tausendsiebenhundert Kilometer.“
„Die genaue Masse: 43,2 Erdmassen.“
Die Meldungen erfolgten rasch hintereinander, und die Eigenschaften des Planeten wurden immer deutlicher.
Erg Noor fasste die erhaltenen Zahlen zusammen, um Material für die Berechnung der Umlaufbahn zu sammeln. 43,2 Erdmassen — der Planet war riesig. Seine Anziehungskraft würde das Schiff am Boden festnageln. Die Menschen würden wie hilflose Insekten an einem Fliegenfänger kleben…
Dem Expeditionsleiter fielen Schauergeschichten ein — halb Legenden, halb wahre Geschichten — über alte Sternenschiffe, die aus den verschiedensten Gründen auf Riesenplaneten zu landen kamen. Die damaligen Schiffe mit ihrer geringen Geschwindigkeit und ihren schwachen Triebwerken gingen oft verloren. Das Ende war ein Aufheulen der Motoren und ein krampfartiges Zucken des Schiffes, das nicht in der Lage war, sich loszureißen, und auf der Planetenoberfläche festklebte. Das Sternenschiff blieb unversehrt, aber den Menschen wurden sämtliche Knochen gebrochen — ein unbeschreibliches Grauen, das nicht selten aus dem abgehackten Jammerschrei der letzten Sendungen gesprochen hatte…
Solange sie den Planeten umkreisten, drohte der Besatzung der Tantra kein derartiges Schicksal. Sollten sie jedoch auf dessen Oberfläche aufsetzen müssen, so würden nur die allerkräftigsten Leute die Last ihres eigenen Gewichts an diesen ihren zukünftigen Zufluchtsort schleppen können, einem Zufluchtsort, an dem sie vielleicht Jahrzehnte ihres Lebens verbringen mussten… Könnten sie unter solchen Bedingungen überleben? Unter der Last der drückenden Schwere, im ewigen Dunkel der infraroten schwarzen Sonne, in der dichten Atmosphäre? Aber wie dem auch sei, es würde eine Hoffnung auf Rettung und nicht den Tod bedeuten, und außerdem hatten sie gar keine andere Wahl!
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