»Woher stammen die Belege?«, fragte Jane Salter. Ihr Gesicht war leicht gerötet — die Luft in der Maschine war kurz vor dem Start sehr warm. Sie war von dem ganzen militärischen Brimborium, gelinde gesagt, wenig beeindruckt.
»Zwei Wissenschaftler der Taskforce haben während der letzten zwei Wochen auf meine Anweisung hin Biopsiebefunde zusammengetragen. Ich hatte einfach so eine Ahnung. Wir wissen, dass HERVs unter allen möglichen Bedingungen exprimiert werden, aber die Viruspartikel waren bisher noch nie infektiös.«
»Wir wissen immer noch nicht, welchen Zweck die nichtinfektiösen Partikel haben und ob sie überhaupt zu etwas nütze sind«, entgegnete Salter. Die anderen Mitarbeiter, die jünger waren und weniger Erfahrung hatten, saßen still auf ihren Sitzen und begnügten sich damit, zuzuhören.
»Ein guter Zweck ist es nicht«, erwiderte Augustine und tippte auf seine Armlehne. Er schluckte heftig und sah wieder aus dem Fenster. »Die HERVs produzieren auch weiterhin nichtinfektiöse Viruspartikel … bis SHEVA dann irgendwann das gesamte Werkzeugarsenal liefert, alles was notwendig ist, damit das Virus sich zusammenfinden und aus der Zelle entkommen kann. Ich weiß von sechs Experten, unter anderem von Jackson, dass SHEVA wahrscheinlich anderen HERVs gewissermaßen beibringt, wie man wieder infektiös wird. Am aktivsten sind sie bei Menschen, deren Zellen sich schnell teilen, das heißt bei SHEVAFeten.
Möglicherweise müssen wir uns mit Erregern auseinander setzen, die seit Jahrmillionen nicht mehr aufgetaucht sind.«
»Erreger, die bei Menschen vielleicht keine Krankheiten mehr erzeugen«, sagte Dicken.
»Können wir dieses Risiko eingehen?«, entgegnete Augustine.
Dicken zuckte die Achseln.
»Was werden Sie denn nun empfehlen?«, wollte Salter wissen.
»In Washington herrscht schon Ausgangssperre, und sobald jemand ein Schaufenster einwirft oder ein Auto umstürzt, wird das Kriegsrecht ausgerufen. Keine Demonstrationen mehr, keine provokativen Kommentare … Politiker lassen sich nicht gern lynchen. Das gemeine Volk ist wie eine Kuhherde, und mittlerweile hat es so oft geblitzt, dass sogar die Cowboys nervös werden.«
»Ein unglücklicher Vergleich, Dr. Augustine«, sagte Salter trocken.
»Na ja, ich werde ihn noch ausbauen. In zwanzigtausend Fuß Höhe bin ich nie so ganz in Form.«
»Sie glauben, wir werden das Kriegsrecht bekommen«, sagte Dicken, »und dann können wir alle schwangeren Frauen vorführen lassen und ihre Kinder absondern … zur Untersuchung?«
»Entsetzliche Vorstellung«, räumte Augustine ein. »Die meisten Feten werden sterben, vielleicht sogar alle. Aber wenn sie überleben, können wir uns wahrscheinlich mit der Ansicht durchsetzen, dass sie in Quarantäne genommen werden müssen.«
»Das heißt doch nur Öl ins Feuer gießen«, sagte Dicken.
Augustine stimmte nachdenklich zu. »Ich habe mir lange den Kopf nach einer Alternative zerbrochen. Ich werde auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen.«
»Vielleicht sollten wir nicht gerade jetzt Staub aufwirbeln«, gab Salter zu bedenken.
»Ich habe derzeit nicht die Absicht, irgendetwas zu sagen oder zu tun. Die Arbeit geht weiter.«
»Es wäre besser, wenn wir auf sicherem Terrain wären«, sagte Dicken.
»Da haben Sie verdammt Recht«, erwiderte Augustine mit einer Grimasse. » Terra firma , und je eher desto besser.«
»Jeder hat was zu meckern«, meinte Mitch, während sie auf der Staatsstraße Nummer 27 aus der Stadt fuhren. Er hielt sich von den Highways fern; die großen Verkehrswege waren ständig durch Demonstrationen verstopft — Fernfahrer, Motorradfahrer, sogar Fahrradfahrer, alle versuchten sich in zivilem Ungehorsam. Dennoch mussten sie mitten in der Innenstadt zwanzig Minuten warten, bis die Polizei ein paar Tonnen Müll weggeräumt hatte, den protestierende Angestellte der Stadtreinigung dort abgeladen hatten.
»Wir haben sie im Stich gelassen«, sagte Kaye.
»Du hast sie nicht im Stich gelassen«, erwiderte Mitch und versuchte, einen Schleichweg zu finden.
»Ich habe alles vermasselt und meinen Standpunkt nicht durchgesetzt«, brummte Kaye nervös vor sich hin.
»Stimmt was nicht?«, fragte Mitch.
»Alles in Ordnung«, erwiderte Kaye, »außer der ganzen blöden Welt.«
In West Virginia fuhren sie auf einen Campingplatz und zahlten dreißig Dollar für einen Zeltstellplatz. Unter einer jungen Eiche baute Mitch das KuppelLeichtzelt auf, das er in Österreich gekauft hatte, bevor ihm Tilde begegnet war, und daneben stellte er den kleinen Campingkocher. Von hier aus überblickten sie ein weites Tal, wo zwei Traktoren verlassen auf einem sorgfältig gepflügten Acker standen.
Die Sonne war vor zwanzig Minuten untergegangen, und dünne Wolken bildeten Flecken am Himmel. Allmählich wurde es kühl.
Kaye hatte klebrige Haare, und die Elastikbündchen ihrer Unterhose scheuerten.
Etwa hundert Meter weiter hatte eine Familie zwei Zelte aufgebaut; ansonsten war der Campingplatz leer.
Kaye kroch durch die Regenklappe ins Zelt. »Komm rein«, sagte sie zu Mitch. Sie zog das Kleid aus und legte sich auf den Schlafsack, den Mitch ausgerollt hatte. Mitch drehte den Campingkocher herunter und steckte den Kopf ins Zelt.
»Welch eine Frau!«, sagte er bewundernd.
»Riechst du mich?«
»Aber sicher, Ma’am«, erwiderte er im besten NorthCarolinaAkzent des Sicherheitsbeamten Benson. Er legte sich neben sie.
»Hier ist es noch ein bisschen warm.«
»Ich rieche dich auch«, sagte Kaye. Sie machte ein verlangendes, ernstes Gesicht. Mit ihrer Hilfe zog er das Hemd aus, und nachdem er die Unterhose beiseite geworfen hatte, griff er nach seinem Kulturbeutel, in dem er die Kondome aufbewahrte. Er wollte gerade das Folienpäckchen aufreißen, da beugte sie sich nach vorn und küsste sein erigiertes Glied. »Diesmal nicht«, sagte sie. Sie leckte ihn geschickt und blickte auf. »Ich will dich jetzt, und zwar ohne etwas dazwischen.«
Mitch griff nach ihrem Kopf und zog ihren Mund von sich weg.
»Nein«, sagte er.
»Warum nicht?«
»Du hast deine fruchtbaren Tage.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich sehe es an deiner Haut. Und ich kann es riechen.«
»Da habe ich keinen Zweifel«, sagte sie bewundernd. »Kannst du eigentlich alles riechen?« Sie rückte näher zu ihm, richtete sich über seinem Kopf auf und stellte ein Knie auf seine andere Seite.
»Brücke«, sagte Mitch und erwiderte die Liebkosung.
Sie beugte sich nach vorn und bearbeitete ihn herzhaft, während er mit dem Mund zwischen ihren Beinen aktiv war.
»Balletttänzerin«, sagte Mitch mit dumpfer Stimme.
»Du bist auch fruchtbar«, sagte sie. »Jedenfalls hast du mir nie etwas anderes gesagt.«
»Mhm.«
Sie stemmte sich wieder hoch, rollte von ihm herunter und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte. »Du bist ein Ausscheider«, sagte sie.
Mitch zog eine verblüffte Grimasse. »Wie bitte?«
»Du scheidest SHEVA aus. Der Test bei mir ist positiv.«
»Du liebe Güte, Kaye. Du kannst einem aber wirklich die Stimmung verderben.« Mitch rückte von ihr ab und setzte sich mit angezogenen Beinen in eine Ecke des Zeltes. »Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht.«
»Irgendetwas hält mich für deine Frau«, sagte Kaye. »Die Natur sagt, dass wir lange zusammenbleiben werden. Und ich möchte, dass sie Recht behält.«
Mitch war wie vor den Kopf gestoßen. »Ich auch, aber deshalb brauchen wir uns doch nicht wie Idioten zu benehmen.«
»Jeder Mann will mit einer fruchtbaren Frau schlafen. Das liegt in seinen Genen.«
»So ein Quatsch«, erwiderte Mitch und rückte noch weiter von ihr weg. »Was machst du denn da?«
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