»Natürlich. Denn zu dieser Zeit hatte man mir noch nichts von dir gesagt. Erst später erfuhr ich, daß ich den Preis zur passenden Zeit dir mitteilen sollte.«
»Und natürlich wolltest du das tun?« fragte Maxwell.
»Ja«, sagte die Todesfee. »Ich wollte es tun. Und jetzt habe ich es getan, und die Sache ist abgeschlossen.«
»Du kannst mir noch eines sagen. Was ist das Ding?«
»Das«, sagte die Todesfee, »kann ich nicht.«
»Du kannst nicht, oder du willst nicht?«
»Ich will nicht«, sagte die Todesfee.
Verraten, dachte Maxwell. Die menschliche Rasse war verraten von diesem sterbenden Wesen, das ihm den Preis nie mitgeteilt hätte, mochte es jetzt sagen, was es wollte. Von diesem Ding, das durch Jahrtausende hinweg seinen kalten Haß gegen die Menschheit genährt hatte. Und jetzt, da niemand es mehr erreichen konnte, erzählte es noch spöttisch, wie sehr es die Menschen verraten hatte. Die Menschen sollten es erfahren.
»Und du hast dem Rollenfüßler auch über mich Bescheid gesagt«, rief er. »Deshalb wartete Churchill ganz zufällig an der Erdstation auf mich. Er sagte, er sei von einer Reise zurückgekehrt, aber das stimmt nicht. Er war gar nicht fort.«
Er stand ärgerlich auf. »Und was war mit dem Maxwell, der sterben mußte?«
Er wandte sich dem Busch zu, und der Busch war leer. Die dunkle Wolke, die seinen Stamm umzittert hatte, war verschwunden.
Verschwunden, dachte Maxwell. Nicht tot, sondern verschwunden. Die Substanz eines elementaren Geschöpfes war zurückgekehrt zu den Elementen. Die unvorstellbaren Fesseln, die sie zu einer Art Lebewesen zusammengehalten hatten, waren endlich so geschwächt, daß die letzte Energie wie eine Handvoll Staub in der Luft verwehte.
Als die Todesfee lebte, war man nur schwer mit ihr ausgekommen. Und jetzt, da sie tot war, fühlte er sich nicht leichter. Eine Zeitlang hatte er Mitleid verspürt, wie jeder Mensch, der ein Geschöpf sterben sah. Aber er wußte, daß das Mitleid verschwendet war, denn die Todesfee mußte mit einem heimlichen Gelächter gestorben sein.
Es gab nur noch eine Hoffnung. Er mußte das Zeit-College dazu überreden, den Verkauf des Dings so lange hinauszuzögern, bis er Verbindung mit Arnold aufgenommen und ihm seine Geschichte irgendwie klargemacht hatte. Eine Geschichte, die jetzt noch phantastischer als zuvor klang.
Er wandte sich um und ging in die Schlucht hinunter. Bevor er den Wald erreichte, blieb er noch einmal stehen und sah zurück zum Hang. Der Busch hob sich geduckt vom Himmel ab, die Wurzeln fest im Boden verankert.
Als Maxwell an der Feenlichtung vorbeikam, war eine Gruppe von Trollen mürrisch dabei, den Boden zu glätten und an den verunstalteten Stellen neue Grassamen zu säen. Von dem Stein war nichts zu sehen.
Maxwell hatte die Hälfte des Weges zum Wisconsin-Campus hinter sich, als Gespenst plötzlich auftauchte und im Sitz neben ihm Platz nahm.
»Ich habe eine Botschaft von Oop«, sagte er ohne jede Einleitung. »Du sollst nicht in die Hütte zurückkehren. Die Zeitungsleute scheinen dir auf der Spur zu sein. Als sie bei der Hütte nachsehen wollten, trat Oop in Aktion. Er hat sie vor die Tür gesetzt, aber sie strolchen immer noch in der Nähe herum und suchen nach dir.«
»Danke«, sagte Maxwell. »Es freut mich, wenn ich Bescheid weiß. Obwohl ich glaube, daß es jetzt nicht mehr viel ausmacht.«
»Die Ereignisse laufen nicht nach deinen Wünschen?«
»Sie laufen überhaupt nicht«, korrigierte Maxwell. Er zögerte, dann meinte er: »Ich nehme an, Oop hat dir erzählt, worum es geht.«
»Oop und ich sind ein Herz und eine Seele«, sagte Gespenst. »Ja, natürlich hat er es mir erzählt. Er schien zu glauben, daß du damit einverstanden seist. Aber wenn …«
»Das ist es nicht«, unterbrach ihn Maxwell. »Ich wollte nur wissen, ob ich dir alles noch einmal erzählen muß. Du weißt also, daß ich in der Reservation war, um das Foto von Lamberts Bild vorzuzeigen?«
»Ja«, sagte Gespenst. »Das Bild, das Nancy Clayton besitzt.«
»Ich glaube, ich habe mehr entdeckt, als ich wollte«, fuhr Maxwell fort. »Ich erfuhr etwas, das uns überhaupt nichts mehr nützt. Es war die Todesfee, die dem Rollenfüßler den Preis verriet. Sie sollte ihn mir nennen, aber sie wollte nicht. Sie behauptet zwar, daß sie dem Rollenfüßler den Preis bereits genannt hatte, bevor sie von mir erfuhr, aber ich bezweifle das. Die Todesfee lag im Sterben, als sie mit mir sprach, doch das heißt nicht, daß sie die Wahrheit sagte. Sie war immer schon eine unangenehme Kundin.«
»Die Todesfee liegt im Sterben?«
»Sie ist jetzt tot. Ich hielt Wache, bis sie starb. Ich zeigte ihr das Foto nicht, weil ich sie nicht mehr stören wollte.«
»Trotzdem hat sie dir von dem Rollenfüßler erzählt?«
»Nur, um mich wissen zu lassen, daß sie die menschliche Rasse seit ihrem Aufstieg gehaßt hatte. Und um mich wissen zu lassen, daß sie sich letzten Endes gerächt hatte. Sie hätte gern gesagt, daß uns auch die Kobolde und das übrige Kleine Volk hassen, aber sie sprach es nicht direkt aus. Sie wußte vielleicht, daß ich ihr nicht glauben würde. Obwohl ein Satz von O’Toole mich auf den Gedanken gebracht hat, daß auch bei den Kobolden noch eine alte Ablehnung besteht. Eine Ablehnung, aber bestimmt kein Haß. Doch die Todesfee bestätigte, daß das Ding verkauft werden soll und daß es der Preis für das Wissen des Kristallplaneten ist. Ich dachte es mir von Anfang an. Und die gestrigen Worte des Rollenfüßlers waren praktisch die letzte Sicherheit. Doch es scheint, daß der Rollenfüßler die Situation selbst nicht fest in der Hand hat. Weshalb sonst hätte er mir aufgelauert und mir einen Handel vorgeschlagen? Es klang so, als hätte er Angst, ich könnte ihm das Geschäft verderben.«
»Die Sache sieht also ziemlich hoffnungslos aus«, stellte Gespenst fest. »Mein guter Freund, du tust mir aufrichtig leid. Können wir irgend etwas tun — Oop und ich und vielleicht das Mädchen, das gestern so tapfer mit dir und Oop trank? Die mit der Katze.«
»Es sieht hoffnungslos aus«, sagte Maxwell, »aber ich kann noch einiges versuchen. Erst gehe ich zu Harlow Sharp und rede ein ernstes Wort mit ihm, dann schlage ich ein paar Türen ein und schnappe mir Arnold. Wenn ich Arnold dazu überreden kann, den gleichen Preis für das Ding zu zahlen wie der Rollenfüßler, dann schlägt sich Sharp sicher auf meine Seite.«
»Das klingt nobel«, sagte Gespenst, »aber ich betrachte das Ergebnis mit Skepsis Harlow Sharp läßt vielleicht mit sich reden, denn er ist dein Freund, aber von Arnold kann man das nicht behaupten. Und es wird ihm gar nicht gefallen, wenn du ein paar Türen einschlägst.«
»Du weißt, was ich glaube«, sagte Maxwell. »Ich glaube, daß du recht hast. Aber sicher kann ich es erst sagen, nachdem ich es versucht habe. Kann sein, daß Arnold ausnahmsweise einen moralischen Tag hat und seine Vorurteile und seine Aufgeblasenheit beiseiteschiebt.«
»Ich muß dich warnen«, sagte Gespenst. »Harlow Sharp hat wenig Zeit. Er macht sich Sorgen. Shakespeare ist heute morgen angekommen …«
»Shakespeare!« stöhnte Maxwell. »Um Himmels willen, den hatte ich ganz vergessen. Ja, natürlich, er hält heute abend seine Rede. Einen besseren Zeitpunkt konnte er sich gar nicht aussuchen.«
»Es scheint, daß William Shakespeare ein etwas schwieriger Mann ist«, sagte Gespenst. »Er wollte sofort durch das neue Zeitalter bummeln, von dem man ihm soviel erzählt hatte. Das Zeit-College konnte ihn gerade noch dazu bewegen, seine elisabethanische Kleidung gegen normale Straßenkleider zu vertauschen, weil sie ihm drohten, sie würden ihn überhaupt nicht gehen lassen, wenn er sich nicht umzog. Und jetzt schwitzen die Verantwortlichen bei dem Gedanken, daß ihm etwas zustoßen könnte. Sie müssen ihn bremsen, aber sie dürfen ihn auch nicht verärgern. Denn der Saal ist bis zum letzten Stehplatz ausverkauft, und sie können kein Risiko eingehen.«
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