Das Wetter erzeugte Dünen und Wüstengebiete. Meteoritenaufschläge in der Nähe schleuderten Steine und Felsbrocken herbei. Die Rampe war nicht mehr gleichmäßig geformt.
Die Schwerkraft trug ihren Teil bei. Mit der Zeit verdichtete sich die Rampe, doch auch dies geschah nicht gleichmäßig. Unterschiedlich dichte Materialien fielen unterschiedlich schnell in sich zusammen. Manche Bereiche wurden hart wie Stein, während andere so weich wie Talg blieben.
Im Durchschnitt war der Abhang zum Krater hin nur leicht abschüssig. Von Nahem betrachtet, war die Rampe zerklüftet und schrecklich uneben.
Als er den Eingangskrater erreichte, richtete der einsame Marsbewohner sein Fahrzeug zum Schiaparelli-Becken hin aus. Das Gelände der Rampe war unerwartet schwierig, sah jedoch nicht schlimmer aus als andere Gebiete, die er bereits mit sicherer Hand durchfahren hatte.
Er wich den kleinen Dünen aus und überquerte vorsichtig die größeren. Bei jeder Kurve, jedem Anstieg, jedem abschüssigen Wegstück und jedem Felsbrocken passte er ganz genau auf. Er plante jeden Kurswechsel und durchdachte alle Alternativen.
Es war nicht genug.
Als der Rover einen anscheinend ganz gewöhnlichen Hang hinunterfuhr, wich der dichte harte Boden auf einmal weichem Pulver. Da die ganze Fläche mehr als fünf Zentimeter hoch mit Staub bedeckt war, gab es keinerlei Hinweise auf die abrupte Veränderung des Untergrunds.
Das linke Vorderrad des Rovers sank ein. Aufgrund der plötzlichen Schräglage hob das rechte Hinterrad vollständig vom Boden ab. Dadurch verstärkte sich der Druck auf das linke Hinterrad, das den Halt verlor und ebenfalls in den Staub abrutschte.
Ehe der Reisende reagieren konnte, kippte der Rover auf die Seite. Dabei flogen die ordentlich auf dem Dach gestapelten Solarzellen in alle Richtungen davon wie ein weggeworfenes Kartenspiel.
Der Anhänger, der mit dem Zughaken am Rover hing, wurde mitgerissen. Die Drehung belastete den Haken so stark, dass das widerstandsfähige Verbundmaterial zerbrach wie ein dürrer Zweig. Auch die Schläuche, die beide Fahrzeuge verbanden, rissen ab. Der Anhänger überschlug sich auf der weichen Erde und kam auf dem Ballondach abrupt zur Ruhe.
Der Rover hatte weniger Glück. Er rollte den Hügel hinab und warf den Reisenden umher, als wäre er ein Kleidungsstück im Trockner. Nach zwanzig Metern wich das weiche Pulver festerem Sand, und der Rover blieb bebend liegen.
Er lag auf der Seite. Die Ventile, an denen die abgerissenen Schläuche gehangen hatten, waren geschlossen, weil sie den plötzlichen Druckabfall registriert hatten. Die Druckkabine war intakt geblieben.
Im Moment war der Reisende noch am Leben.
24
DIE ABTEILUNGSLEITER STARRTEN DAS Satellitenfoto auf dem Projektionsbildschirm an.
“Jesus”, stöhnte Mitch. “Was, zum Teufel, ist da passiert?”
“Der Rover ist umgekippt.” Mindy deutete auf den Bildschirm. “Der Anhänger liegt auf dem Dach. Die überall verstreuten Rechtecke sind die Solarmodule.”
Venkat massierte sich das Kinn. “Haben wir Informationen über den Zustand der Druckkabine des Rovers?”
“Nichts Offensichtliches”, antwortete Mindy.
“Gibt es Anzeichen, dass Watney nach dem Unfall etwas unternommen hat? Eine EVA vielleicht?”
“Keine EVA”, berichtete Mindy. “Das Wetter ist gut. Wenn er herausgekommen wäre, dann hätte es sichtbare Fußabdrücke gegeben.”
“Ist dies der gesamte Schauplatz des Unfalls?”, fragte Bruce Ng.
“Ich glaube schon”, antwortete Mindy. “Weiter oben auf dem Foto, dort ist Norden, sind normale Reifenspuren. Genau hier”, sie deutete auf einen großen Bereich, wo die Erde aufgewühlt war, “ist meiner Ansicht nach etwas passiert. Nach diesem Graben zu urteilen, ist der Rover umgekippt und gerutscht. Sie sehen die Schleifspur, die er hinterließ. Der Anhänger hat sich nach vorn überschlagen und ist auf dem Dach gelandet.”
“Ich will nicht sagen, dass alles in Ordnung ist”, meinte Bruce, “aber ich glaube nicht, dass es so schlimm ist, wie es aussieht.”
“Fahren Sie fort”, sagte Venkat.
“Der Rover ist so gebaut, dass er einen Überschlag aushält”, erklärte Bruce. “Hätte es einen Druckverlust gegeben, dann hätten wir ein strahlenförmiges Muster im Sand. Ich sehe nichts dergleichen.”
“Trotzdem könnte Watney im Inneren verletzt worden sein”, wandte Mitch ein. “Möglicherweise hat er sich den Kopf gestoßen oder einen Arm gebrochen oder so.”
“Sicher”, stimmte Bruce zu. “Ich wollte lediglich sagen, dass der Rover wahrscheinlich noch intakt ist.”
“Wann wurden die Bilder aufgenommen?”
Mindy sah auf die Uhr. “Sie sind vor siebzehn Minuten eingetroffen. In neun Minuten empfangen wir ein weiteres Foto, wenn MGS4 auf seiner Umlaufbahn in Reichweite kommt.”
“Als Erstes wird er eine EVA unternehmen, um den Schaden einzuschätzen”, überlegte Venkat. “Mindy, halten Sie uns auf dem Laufenden.”
Logbuch: Sol 498
Hm.
Ja.
Die Fahrt hinunter in das Schiaparelli-Becken ist nicht gut verlaufen. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben, wie unschön sie geendet hat: Ich muss nach oben greifen, um dies hier zu tippen. Der Computer ist neben dem Steuerpult montiert, und der Rover liegt auf der Seite.
Ich wurde ziemlich heftig herumgeworfen, aber in Krisenzeiten bin ich eine gut geölte Maschine. Sobald der Rover umgekippt ist, habe ich mich zusammengerollt und den Kopf eingezogen. So eine Art Actionheld bin ich.
Es hat funktioniert, denn ich bin nicht verletzt.
Die Druckkabine ist intakt, was mir natürlich sehr gelegen kommt. Die Ventile, die mit den Schläuchen des Anhängers verbunden waren, sind geschlossen. Wahrscheinlich bedeutet dies, dass die Schläuche abgerissen sind, und dies wiederum bedeutet, dass die Kupplung des Anhängers abgerissen ist. Wie schön.
Ein prüfender Blick auf das Innere zeigt mir, dass nichts kaputt ist. Die Wassertanks sind dicht, und die Luftbehälter haben keine erkennbaren Lecks. Der Schlafraum hat sich in der Kabine entfaltet und weit ausgebreitet, aber das ist nur eine Plane, die mich nicht verletzen konnte.
Die Fahrsteuerung ist in Ordnung, und der Navigationscomputer sagt mir, der Rover sei “gefährlich geneigt”. Danke, Navi!
Also habe ich mich überschlagen. Das ist kein Weltuntergang. Ich lebe noch, und der Rover ist intakt. Größere Sorgen mache ich mir wegen der Solarzellen, über die ich vermutlich gerollt bin. Da der Anhänger losgerissen ist, besteht durchaus die Möglichkeit, dass er beschädigt ist. Das Ballondach ist nicht sehr stabil. Wenn es geplatzt ist, dann ist der Inhalt in alle Richtungen davongeflogen, und ich muss ihn zusammensuchen. Das betrifft auch die kritischen Komponenten meiner Lebenserhaltung.
Da wir gerade bei der Lebenserhaltung sind – der Rover hat auf die eigenen Vorräte umgeschaltet, sobald sich die Ventile geschlossen hatten. Gut gemacht, Rover! Hier ist ein Keks für dich.
Ich habe noch zwanzig Liter Sauerstoff. Das reicht aus, um vierzig Tage zu atmen, aber ohne den Regler, der sich im Anhänger befindet, muss ich das CO2 auf chemischem Wege entsorgen. Mir bleiben noch genügend Filter für 312 Stunden und noch einmal 171 Stunden in dem EVA-Anzug. Insgesamt sind das 483 Stunden oder beinahe 20 Marstage. Also habe ich genug Zeit, alles zu reparieren.
Ich bin dem MRM jetzt wirklich schon sehr nahe. Es sind etwa 220 Kilometer. Etwas wie dies hier kann mich nicht davon abhalten, es zu erreichen, und jetzt muss auch nicht mehr jedes Gerät in Höchstform sein. Der Rover muss noch 220 Kilometer durchhalten, und die Lebenserhaltung muss 51 Marstage überstehen. Das ist alles.
Dann ziehe ich mir mal den Anzug an und sehe nach dem Anhänger.
Logbuch: Sol 498 (2)
Читать дальше