Es funktionierte großartig! Die Luft perlte durch das Wasser, wie ich es gehofft hatte. Noch besser, die Blasen versetzten das Wasser in Bewegung, sodass die Wärme gleichmäßig verteilt wurde.
Ich ließ den Apparat eine Stunde laufen, bis es in der Wohnkuppel kalt wurde. Die Wärme des RTG kann den Verlust durch die riesige Oberfläche der Wohnkuppel nicht ausgleichen. Das ist kein Problem. Ich habe ja schon festgestellt, dass er ausreicht, um den Rover warm zu halten.
Dann verband ich die Rückleitung wieder mit dem Regler, und alles war im Normalzustand.
Logbuch: Sol 381
Ich habe über die Gesetzgebung auf dem Mars nachgedacht.
Ja, ich weiß, das ist ein dummer Gedanke, aber ich habe viel Freizeit.
Es gibt internationale Verträge, aus denen hervorgeht, dass kein Land etwas beanspruchen kann, das sich nicht auf der Erde befindet. Ein anderer Vertrag besagt, dass das Seerecht gilt, wenn man sich nicht auf dem Territorium eines Landes befindet.
Daher gilt der Mars als internationales Gewässer.
Die NASA ist eine nichtmilitärische amerikanische Organisation, und ihr gehört die Wohnkuppel. Während ich in der Wohnkuppel bin, gelten amerikanische Gesetze. Sobald ich draußen stehe, bin ich in internationalen Gewässern. Wenn ich im Rover sitze, gilt wieder amerikanisches Recht.
Jetzt kommt der schöne Teil: Eines Tages werde ich nach Schiaparelli fahren und das Kommando über die Landeeinheit von Ares 4 übernehmen. Niemand hat mir ausdrücklich die Erlaubnis dazu erteilt, und das können sie auch nicht tun, solange ich nicht auf Ares 4 das Kommunikationssystem in Betrieb nehme. Nachdem ich an Bord von Ares 4 gegangen bin und bevor ich mit der NASA spreche, übernehme ich in internationalen Gewässern ohne Erlaubnis die Kontrolle über ein Fahrzeug.
Damit bin ich ein Pirat!
Ein Raumpirat!
Logbuch: Sol 383
Vielleicht fragen Sie sich, was ich sonst mit meiner Freizeit anfange. Einen großen Teil verbringe ich damit, faul herumzusitzen und fernzusehen. Aber das tun Sie ja auch, also urteilen Sie nicht zu streng über mich.
Außerdem plane ich meine Reise.
Der Weg zum Pathfinder war ein Kinderspiel. Die ganze Zeit bin ich durch flaches, ebenes Gelände gefahren. Das einzige Problem war die Navigation. Auf dem Weg nach Schiaparelli muss ich erhebliche Höhenunterschiede überwinden.
Ich besitze eine große Satellitenkarte des ganzen Planeten. Sehr detailliert ist sie nicht, aber ich bin froh, dass ich sie überhaupt habe. Die NASA konnte ja nicht damit rechnen, dass ich mich 3200 Kilometer von der Wohnkuppel entfernen muss.
Acidalia Planitia (wo ich gerade bin) ist ebenso wie Schiaparelli ziemlich tief gelegen. Dazwischen geht es aber zehn Kilometer hinauf und wieder hinab. Das ist eine gefährliche Fahrstrecke.
Solange ich noch in Acidalia bin, wird es glatt verlaufen, aber das betrifft nur die ersten 650 Kilometer. Dahinter beginnt das mit Kratern durchsetzte Gelände von Arabia Terra.
Eines wirkt sich allerdings zu meinem Vorteil aus, und ich könnte schwören, dass es ein Geschenk Gottes ist. Aus irgendeinem Grund gibt es ein Marstal namens Mawrth Vallis, das absolut perfekt liegt.
Vor Millionen Jahren war es einmal ein Fluss. Jetzt ist es ein Tal, das in das schreckliche Gelände von Arabia Terra fast direkt in Richtung Schiaparelli eine Schneise schlägt. Es ist ein viel angenehmerer Untergrund als Arabia Terra, und am fernen Ende scheint es eine glatte Rampe aus dem Tal heraus zu geben.
Zusammen mit Acidalia und Mawrth Vallis komme ich auf 1350 Kilometer mit relativ leicht zu bewältigendem Gelände.
Die übrigen 1850 Kilometer … nun ja, die werden nicht ganz so nett. Besonders der Abstieg nach Schiaparelli. Uff.
Wie auch immer, das Mawrth Vallis ist wundervoll.
Logbuch: Sol 385
Das Schlimmste an der Fahrt zum Pathfinder war es, im Rover eingesperrt zu sein. Ich musste in einem beengten Raum voller Gerümpel leben, wo es nach einem ungewaschenen Körper stank. Genau wie damals auf dem College.
Schöne Erinnerungen!
Nein, im Ernst, es war widerlich. Zweiundzwanzig Marstage voller Elend.
Hundert Tage vor meiner geplanten Rettung (oder meinem Tod) will ich nach Schiaparelli aufbrechen, und ich schwöre bei Gott, dass ich mir selbst das Gesicht zerfleischen werde, wenn ich so lange im Rover leben muss.
Ich brauche Platz, um mich ab und zu mal aufzurichten und ein paar Schritte zu gehen, ohne gegen irgendetwas zu prallen. Und nein, es zählt nicht, im verdammten EVA-Anzug draußen herumzulaufen. Ich brauche persönlichen Freiraum ohne 50 Kilogramm Schutzkleidung am Leib.
Deshalb habe ich heute begonnen, mir ein Zelt zu bauen. Einen Ort, wo ich mich entspannen kann, während die Batterien nachladen. Einen Ort, wo ich mich hinlegen und bequem schlafen kann.
Eines der beiden Wurfzelte habe ich für den Anhängerballon geopfert, das andere ist in perfekter Verfassung. Noch besser, es besitzt sogar einen Stutzen, der auf die Luftschleuse des Rovers passt. Ehe ich das Zelt als Kartoffelacker benutzte, hat es als Rettungsboot für den Rover gedient.
Das Wurfzelt könnte ich an jedes der beiden Fahrzeuge anschließen. Ich habe mich für den Rover und nicht für den Anhänger entschieden, denn im Rover befinden sich der Computer und die Steuerung. Wenn ich den Status irgendwelcher Geräte ablesen will (etwa die Lebenserhaltung oder wie gut die Batterien laden), muss ich Zugang zur Steuerung haben. Auf diese Weise kann ich ohne EVA einfach hineinspazieren.
Außerdem bleibt das Zelt während der Fahrt zusammengefaltet im Rover, damit ich es im Notfall schnell erreichen kann.
Das Wurfzelt bildet die Grundlage meines Schlafraums, aber das ist noch nicht alles. Er ist nicht sehr groß und bietet nicht viel mehr Platz als der Rover. Immerhin hat er eine Verbindung zur Luftschleuse, und das ist schon mal ein schöner Anfang. Grundfläche und Höhe will ich verdoppeln. Dann habe ich viel Platz, um mich zu entspannen.
Als Grundfläche nehme ich die ursprünglichen Böden beider Zelte. Würde ich das nicht tun, dann käme ein riesiges Hamsterrad heraus, denn die Plane ist biegsam. Wenn man sie unter Druck setzt, möchte sie sich in eine Kugel verwandeln. Das ist keine Form, die mir nützt.
Um dies zu verhindern, bestehen die Böden der Wohnkuppel und der Wurfzelte aus einem speziellen Material. Es entfaltet sich in Form kleiner Platten, die sich nicht nach oben biegen lassen. Daher bleibt es flach auf dem Boden liegen.
Die Grundfläche des Wurfzelts entspricht einem Sechseck. Aus dem Anhängerballon habe ich einen zweiten Boden von der gleichen Form herausgeschnitten. Wenn ich fertig bin, wird mein Schlafraum aus zwei benachbarten Sechsecken mit Wänden und einem primitiven Dach bestehen.
Ich werde eine Menge Klebstoff brauchen, um das zu bauen.
Logbuch: Sol 387
Das Wurfzelt ist 1,2 Meter hoch. Es soll nicht bequem sein. Es soll einem Astronauten lediglich als Unterschlupf dienen, bis ihn die Kameraden retten. Ich will jedoch eine Höhe von zwei Metern erreichen, damit ich aufrecht stehen kann. Das ist doch nicht zu viel verlangt.
Auf dem Papier sieht es gar nicht so schwierig aus. Ich muss nur eine Plane in passende Stücke schneiden, die Teile zusammenkleben und das Ganze mit der vorhandenen Plane und dem Boden verbinden.
Aber dazu brauche ich eine Menge Plane. Begonnen hat die Mission mit sechs Quadratmetern Reservematerial. Den größten Teil davon habe ich verbraucht – vor allem, um das Leck abzudichten, das bei der Explosion der Wohnkuppel entstanden ist.
Die verdammte Luftschleuse 1.
Wie auch immer, für meinen Schlafraum brauche ich 30 Quadratmeter Plane. Erheblich mehr, als ich noch besitze. Glücklicherweise habe ich aber noch eine andere Quelle für die Plane: die Wohnkuppel.
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