Also drang ich wieder in die Wohnkuppel ein. Dieses Mal hatte ich keine Eile und konnte einen Pfosten als Hebel einsetzen, um Martinez’ Anzug zu befreien. Ich zerrte ihn heraus und schleppte ihn zum Rover.
Nach einem Selbsttest, nur um ganz sicherzugehen, hatte ich endlich wieder einen funktionierenden EVA-Anzug. Ich hatte zwei Ausflüge gebraucht, um ihn zu beschaffen, aber ich habe ihn jetzt.
Morgen repariere ich die Wohnkuppel.
Logbuch: Sol 122
Als Erstes habe ich heute neben dem Rover Steine aufgeschichtet, um “Bin okay” zu buchstabieren. Das sollte die NASA glücklich machen.
Anschließend bin ich wieder in die Wohnkuppel eingedrungen, um den Schaden zu begutachten. Als Erstes muss ich das Gebäude stabilisieren und den Druck aufbauen. Dann kann ich alles reparieren, was kaputt ist.
Normalerweise wird die Wohnkuppel von biegsamen Stützen gehalten, die das Gewölbe stabilisieren, und einem harten Boden, damit wir auf ebenem Untergrund laufen. Der innere Druck trägt entscheidend zur Stabilität der Konstruktion bei. Ohne diesen Druck bricht das ganze Ding zusammen. Ich untersuchte die Stützpfeiler und stellte fest, dass keiner von ihnen gebrochen ist. Sie liegen einfach nur flach auf dem Boden. Ein paar von ihnen muss ich neu ausrichten, aber das ist kein Problem.
Das Loch, wo die Luftschleuse 1 war, ist riesig, aber beherrschbar. Ich habe Dichtungsstreifen und Plane in Reserve. Das ist eine Menge Arbeit, aber ich kann die Wohnkuppel wieder aufbauen. Dann richte ich die Stromversorgung ein und fahre Pathfinder wieder hoch. Anschließend kann die NASA mir erklären, wie ich die Dinge reparieren kann, mit denen ich mich nicht auskenne.
Darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich habe ein viel größeres Problem.
Die Farm ist tot.
Durch den kompletten Druckverlust ist der größte Teil des Wassers verkocht. Außerdem liegt die Temperatur weit unter dem Gefrierpunkt. Nicht einmal die Bakterien in der Erde können so eine Katastrophe überleben. Einige Pflanzen standen in den Wurfzelten neben der Wohnkuppel, doch auch sie sind tot, weil ich sie über Schläuche direkt mit der Kuppel verbunden habe, um sie mit Luft und Wärme zu versorgen. Als die Wohnkuppel zusammenbrach, haben auch die Aufblaszelte den Druck verloren. Und selbst wenn nicht, die schreckliche Kälte hätte die Pflanzen sowieso umgebracht.
Auf dem Mars ist die Kartoffel jetzt ausgerottet.
Ebenso die Bakterien im Mutterboden. Solange ich hier bin, werde ich nie wieder Pflanzen anbauen.
Wir hatten es so schön geplant. Meine Farm sollte mich bis Sol 900 ernähren, und eine Versorgungssonde sollte an Sol 856 eintreffen, also lange, bevor mir der Proviant ausging. Da die Farm tot ist, können wir auch diesen Plan vergessen.
Den Proviantpäckchen hat die Explosion nicht geschadet, und die Kartoffeln, die schon gewachsen waren, sind vielleicht tot, aber immer noch genießbar. Ich wollte sowieso gerade ernten, also war dies im Grunde noch ein günstiger Zeitpunkt.
Mit den Proviantpaketen komme ich bis Sol 400 aus. Wie lange die Kartoffeln reichen, sehe ich erst, wenn ich weiß, wie viele ich habe. Aber ich kann schätzen. Ich hatte 400 Pflanzen mit jeweils schätzungsweise 5 Kartoffeln. Das macht 2000 Erdäpfel zu jeweils 150 Kalorien. Pro Tag muss ich zehn Stück essen, um zu überleben. Das bedeutet, dass sie mich 200 Marstage lang ernähren. Kurz und gut: Ich habe genug Essen, um bis Sol 600 zu überleben.
An Sol 865 bin ich schon lange tot.
15
[08:12] WATNEY: Test.
[08:25] JPL: Empfangen! Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Danke für die Nachricht “Bin okay”. Unsere Analyse der Satellitenbilder zeigt, dass sich Luftschleuse 1 vollständig gelöst hat. Ist das richtig? Wie ist Ihr Status?
[08:39] WATNEY: Wenn Sie mit “gelöst” meinen, dass mich das Ding herausgeschossen hat wie eine Kanonenkugel, dann trifft es zu. Kleine Schnittwunde auf der Stirn. Hatte Probleme mit meinem EVA-Anzug (erkläre ich später). Habe die Wohnkuppel geflickt und den Druck wieder aufgebaut. Hauptlufttanks waren in Ordnung. Habe gerade den Strom angeschlossen. Die Farm ist tot. Ich habe so viele Kartoffeln wie möglich geborgen und draußen gelagert. Ich zähle 1841. Damit komme ich 184 Tage aus. Einschließlich des noch vorhandenen Missionsproviants beginne ich ab Sol 584 zu verhungern.
[08:52] JPL: Ja, das dachten wir uns schon. Wir arbeiten an einer Lösung des Proviantproblems. Wie ist der Status der Wohnkuppelsysteme?
[09:05] WATNEY: Primäre Luft- und Wassertanks unbeschädigt. Der Rover, Solarzellen und Pathfinder waren außerhalb des Explosionsradius. Ich lasse Selbsttests der Systeme laufen, während ich auf Ihre nächste Antwort warte. Übrigens, mit wem rede ich eigentlich?
[09:18] JPL: Venkat Kapoor in Houston. Pasadena übermittelt meine Nachrichten. Von jetzt an kümmere ich mich persönlich um die direkte Kommunikation mit Ihnen. Überprüfen Sie zuerst den Oxygenator und den Wasseraufbereiter. Sie sind am wichtigsten.
[09:31] WATNEY: Pech. Oxygenator funktioniert einwandfrei. Wasseraufbereiter ist komplett außer Betrieb. Ich vermute, im Inneren ist Wasser gefroren, und die Leitungen sind geplatzt. Ich bin sicher, dass ich ihn reparieren kann. Der Hauptcomputer der Wohnkuppel funktioniert ebenfalls ohne Probleme. Haben Sie eine Ahnung, warum die Wohnkuppel in die Luft geflogen ist?
[09:44] JPL: Wir vermuten eine Materialermüdung der Plane neben Luftschleuse 1. Die Betätigung der Schleuse hat das Material belastet, bis es riss. Nutzen Sie ab jetzt abwechselnd Luftschleusen 2 und 3 für die EVAs. Wir schicken Ihnen eine Checkliste und eine Anleitung für eine vollständige Untersuchung der Plane.
[09:57] WATNEY: Wie schön, ich darf mehrere Stunden die Wände anstarren. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie einen Weg gefunden haben, wie ich nicht verhungern muss.
[10:11] JPL: Selbstverständlich.
“JETZT IST SOL 122”, ERKLÄRTE BRUCE. “Wir haben bis Sol 584 Zeit, um eine Sonde auf den Mars zu schicken. Das sind vierhundertzweiundsechzig Marstage oder vierhundertfünfundsiebzig irdische Tage.”
Die versammelten Abteilungsleiter des JPL runzelten die Stirn und rieben sich die Augen.
Er stand auf. “Die Positionen von Erde und Mars sind nicht günstig. Der Flug dauert vierhundertvierzehn Tage. Die Sonde auf der Trägerrakete zu montieren und die Inspektionen durchzuführen dauert dreizehn Tage. Damit haben wir nur achtundvierzig Tage, um die Sonde zu konstruieren.”
Verzweifeltes Seufzen war im Raum zu hören. “Jesus”, sagte jemand.
“Die Situation hat sich grundlegend verändert”, fuhr Bruce fort. “Wir konzentrieren uns jetzt auf den Proviant. Alles andere ist Luxus. Wir habe keine Zeit, ein Landemanöver unter Schub einzuplanen. Es wird also ein Abwurf mit Fallschirmen, und deshalb können wir nichts Empfindliches mitschicken. Verabschieden Sie sich von dem anderen Mist, den wir eigentlich senden wollten.”
“Woher kommt die Trägerrakete?”, fragte Norm Toshi, der für die Wiedereintrittsprozedur zuständig war.
“Von der EagleEye-3-Saturnsonde”, erklärte Bruce. “Sie sollte im nächsten Monat starten. Die NASA hat das Projekt auf Eis gelegt, damit wir die Trägerrakete bekommen.”
“Ich möchte wetten, das EagleEye-Team war ziemlich sauer”, meinte Norm.
“Auf jeden Fall”, bestätigte Bruce, “aber das ist die einzige Trägerrakete, die groß genug ist. Das bringt mich zum nächsten Punkt. Wir haben nur einen einzigen Versuch. Wenn wir einen Fehler machen, stirbt Mark Watney.”
Er sah sich in dem Raum um und wartete, bis sie es verdaut hatten.
“Einige andere Dinge wirken sich zu unseren Gunsten aus”, fuhr er schließlich fort. “Wir verwenden Teile, die wir für die Vorauslieferungen von Ares 4 gebaut haben. Dort können wir uns bedienen, was uns etwas Zeit erspart. Außerdem schicken wir Lebensmittel, die ziemlich robust sind. Selbst wenn es beim Wiedereintritt ein Problem gibt und die Sonde ungewöhnlich hart aufschlägt, wird der Proviant nicht zerstört. Außerdem müssen wir keine Präzisionslandung durchführen. Watney kann Hunderte von Kilometern fahren, wenn es nötig ist. Wir müssen nur so nahe bei ihm landen, dass er die Sendung erreichen kann. Also führen wir eine normale Vorauslieferung mit Fallschirmen durch. Wichtig ist jetzt nur, dass wir uns beeilen. Also fangen wir an.”
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