Es ist nur ein kleines Leck. Da das Visier kaputt ist, versorgt der EVA-Anzug jetzt im Grunde die ganze Luftschleuse. Er pumpt Luft hinein, um den sinkenden Druck auszugleichen. Früher oder später geht ihm der Vorrat aus.
Ich muss das Leck finden. Dem Geräusch nach muss es in der Nähe meiner Füße sein. Da ich den Anzug jetzt abgelegt habe, kann ich mich drehen und es mir ansehen …
Ich sehe rein gar nichts … hören kann ich es, aber … es ist irgendwo da unten, ich weiß nur nicht wo.
Mir fällt nur ein Weg ein, um es zu finden: Feuer machen.
Ja, ich weiß schon. Viele meiner Ideen haben damit zu tun, etwas anzuzünden. Und ja, normalerweise ist es eine grässliche Idee, in einem winzigen geschlossenen Raum ein Feuer zu machen. Aber ich brauche den Rauch. Nur eine kleine Rauchfahne.
Wie üblich arbeite ich mit Dingen, die ausdrücklich dazu gemacht sind, möglichst nicht zu brennen. Aber so sorgfältig die NASA auch plant, einem entschlossenen Brandstifter mit einem Behälter voll reinem Sauerstoff ist auch die NASA nicht gewachsen.
Leider besteht der EVA-Anzug vollständig aus nicht entflammbarem Material. Desgleichen die Luftschleuse. Meine Kleidung ist ebenfalls feuersicher, sogar die einzelnen Fäden.
Ursprünglich hatte ich die Absicht gehabt, die Solarzellen zu überprüfen und die Reparaturen vorzunehmen, die nach dem Sturm der vergangenen Nacht möglicherweise notwendig waren. Deshalb habe ich den Werkzeugkasten dabei. Aber alles, was sich darin befindet, besteht aus Metall oder nicht brennbarem Plastik.
Gerade ist mir eingefallen, dass ich etwas Brennbares bei mir habe: meine eigenen Haare. Das muss reichen. Im Werkzeugkasten ist ein scharfes Messer. Ich rasiere mir ein paar Haare von den Armen ab und schichte sie zu einem kleinen Haufen auf.
Der nächste Schritt: Sauerstoff. Reinen Sauerstoff bekomme ich hier leider nicht. Ich bin darauf beschränkt, die Steuerung des EVA-Anzugs zu verändern, bis er den Sauerstoffgehalt in der ganzen Luftschleuse erhöht. Ich nehme an, dass 40 Prozent reichen.
Jetzt brauche ich nur noch einen Funken.
Der EVA-Anzug steckt voller Elektronik, die jedoch mit sehr niedriger Spannung läuft. Außerdem will ich nicht den Anzug verunstalten. Ich brauche ihn, um von der Luftschleuse zum Rover zu gelangen.
Die Luftschleuse hat eine eigene Elektronik, die jedoch von der Stromversorgung der Wohnkuppel gespeist wurde. Die NASA hat wohl nicht bedacht, was passiert, wenn sie fünfzig Meter weggeschleudert wird. Diese nachlässigen Hunde.
Plastik brennt nicht, aber wer schon mal mit einem Ballon gespielt hat, weiß, wie leicht man damit eine statische Ladung aufbauen kann. Wenn ich dieses Prinzip anwende, müsste ich einen Funken erzeugen können, indem ich einfach nur ein Metallwerkzeug anfasse.
Nebenbei: Auf genau diese Weise ist die Crew von Apollo 1 gestorben. Wünschen Sie mir viel Glück.
Transkription des Audiologs: Sol 119 (4)
Ich stecke in einer Kiste, die nach verbrannten Haaren riecht. Das ist kein angenehmer Geruch.
Beim ersten Versuch entstand zwar eine Flamme, aber der Rauch wehte wild umher. Mein eigener Atem hat ihn gestört. Also hielt ich die Luft an und versuchte es noch einmal.
Beim zweiten Versuch hat der EVA-Anzug gestört. Aus dem Visier kommt ein leichter Luftstrom, weil der Anzug ständig die fehlende Luft ersetzt. Also schaltete ich den Anzug ab, hielt den Atem an und versuchte es noch einmal. Ich musste mich beeilen, weil der Druck rasch fiel.
Beim dritten Versuch brachte ich mit meinen raschen Armbewegungen, als ich das Feuer anzünden wollte, alles durcheinander. Jede Bewegung erzeugt schon so viele Turbulenzen, dass der Rauch in alle Richtungen treibt.
Beim vierten Versuch war der Anzug ausgeschaltet, ich hielt den Atem an und zündete das Feuer mit sehr langsamen Bewegungen an. Dann sah ich zu, wie die kleine Rauchwolke zum Fußboden der Luftschleuse trieb und durch einen winzigen Haarriss verschwand.
Jetzt habe ich dich, du kleines Leck!
Ich schnappte nach Luft und schaltete den EVA-Anzug wieder ein. Während meines kleinen Experiments war der Druck auf 0,9 Atmosphären gefallen. Aber in der Luft war genug Sauerstoff für mich und mein kleines Haarfeuer. Rasch stellte der Anzug wieder normale Verhältnisse her.
Der Riss ist wirklich ziemlich klein. Es wäre kein Problem, ihn mit dem Flickzeug des Anzugs zu verschließen, aber ich glaube, das ist keine gute Idee.
Ich muss ja auch das Visier irgendwie reparieren. Noch weiß ich nicht, wie das gehen soll, aber das Flickzeug und das druckbeständige Harz sind dabei vermutlich wirklich wichtig. Ich kann es auch nicht Stückchen für Stückchen tun. Sobald ich das Siegel des Flickzeugs aufbreche, vermischen sich die beiden Komponenten des Harzes, und mir bleiben sechzig Sekunden, bevor es aushärtet. Ich kann nicht eine kleine Menge davon herausnehmen und die Luftschleuse flicken.
Mit der Zeit würde mir schon etwas für das Visier einfallen, und dann könnte ich einige Sekunden abzweigen, um Harz auf den Riss in der Luftschleuse zu streichen. Aber ich habe keine Zeit.
Der Stickstofftank hat nur noch 40 Prozent Füllung. Ich muss den Riss sofort verschließen, und zwar ohne das Flickzeug.
Erste Idee: Der kleine Holländer. Ich lecke mir über die Handfläche und drücke sie auf den Riss.
Na gut, es ist nicht ganz dicht, die Luft strömt weiter … es wird kalt … ziemlich ungemütlich … na gut. Verdammt, so wird das nichts.
Idee Nummer zwei: Klebeband!
In der Werkzeugkiste ist Klebeband. Ich könnte etwas auf den Riss klatschen und beobachten, ob der Druckverlust geringer wird. Die Frage ist, wie lange es hält, ehe es der Druck zerfetzt. Ich presse es darauf.
Das war es schon … es hält …
Nun überprüfe ich den Anzug. Die Anzeige sagt, der Druck sei stabil. Anscheinend hat das Klebeband das Loch gut verschlossen.
Mal sehen, ob es noch länger hält …
Transkription des Audiologs: Sol 119 (5)
Fünfzehn Minuten sind vergangen, und das Klebeband hält. Anscheinend ist das Problem gelöst.
Eigentlich war das fast banal. Ich hatte schon darüber nachgedacht, das Leck mit Eis zu verschließen. Im Futterautomaten des EVA-Anzugs sind zwei Liter Wasser. Ich hätte die Heizung des Anzugs abschalten und die Luftschleuse bis auf den Gefrierpunkt abkühlen lassen können. Dann hätte ich … was auch immer.
Damit will ich nur sagen, dass Eis durchaus eine Möglichkeit gewesen wäre.
Also gut. Nun zu meinem nächsten Problem: Wie flicke ich den EVA-Anzug? Mit Klebeband kann ich einen Haarriss flicken, aber es hält keine Atmosphäre Überdruck, wenn mein Visier ein großes Loch hat.
Das Flickzeug ist zu klein, aber trotzdem nützlich. Ich kann das Harz rings um das zerstörte Visier verteilen und etwas daraufkleben, um das Loch zu verschließen. Das Problem ist nur, wie verschließe ich das Loch? Ich brauche etwas, das eine Menge Druck aushält.
Wenn ich mich umsehe, ist das Einzige, was eine Atmosphäre Überdruck aushält, der EVA-Anzug selbst. Er hat viel Material, das ich zurechtschneiden kann. Beim Unterteilen der Wohnkuppelplane in Streifen habe ich genau die Schere benutzt, die jetzt im Werkzeugkasten steckt.
Wenn ich aus dem Eva-Anzug einen Flicken schneide, erzeuge ich ein zweites Loch. Allerdings eines, dessen Form und Position ich bestimmen kann.
Ja, da bahnt sich eine Lösung an. Ich schneide mir den Arm ab.
Nein, natürlich nicht meinen Arm, sondern den Arm des EVA-Anzugs. Ich schneide ihn direkt unter dem linken Ellenbogen ab. Dann kann ich das Stück der Länge nach auftrennen und bekomme ein Rechteck. Es ist groß genug, um das Loch im Visier zu verschließen, und das Harz hält das Stück fest.
Material, das dem Überdruck standhält? Vorhanden.
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