Harz, um bei diesem Überdruck ein Loch zu versiegeln? Vorhanden.
Und was ist mit dem klaffenden Loch in meinem Armstummel? Im Gegensatz zum Visier ist das Material geschmeidig. Ich presse es zusammen und klebe es mit Harz zu. Im Anzug muss ich dann den linken Arm an die Seite pressen, aber da drin ist genug Platz.
Das Harz verstreiche ich ziemlich dünn, aber es ist das stärkste Klebemittel, das der Menschheit bekannt ist. Und es muss nicht einmal ein perfekter Verschluss sein. Gerade genug, damit ich mich in Sicherheit bringen kann.
Wo finde ich diese Sicherheit eigentlich? Ich habe keine Ahnung.
Wie auch immer, eins nach dem anderen. Jetzt bringe ich erst einmal den EVA-Anzug in Ordnung.
Transkription des Audiologs: Sol 119 (6)
Es war leicht, den Arm des Anzugs abzuschneiden, und es war kein Problem, ihn aufzutrennen und einen rechteckigen Flicken zu erhalten. Die Schere ist teuflisch stark.
Die Splitter vom Visier abzuwischen dauerte jedoch länger als erwartet. Höchstwahrscheinlich hätten sie das Material des EVA-Anzugs nicht zerstört, aber ich will kein Risiko eingehen. Außerdem will ich kein Glas ins Gesicht bekommen, wenn ich den Anzug anlege.
Dann kam der schwierige Teil. Sobald das Siegel des Flickzeugs gebrochen war, blieben mir nur 60 Sekunden, bis das Harz aushärtete. Ich klaubte es mit den Fingern aus dem Flickzeug und verteilte es rasch um den Rand des Visiers. Dann nahm ich den Rest und verschloss das Loch im Ärmel.
Mit beiden Händen presste ich das rechteckige Stück Anzugmaterial auf den Helm und stemmte gleichzeitig das Knie auf die Naht im Arm des Anzugs.
So verharrte ich, bis ich 120 Sekunden abgezählt hatte. Ich wollte ganz sichergehen.
Anscheinend hat es funktioniert. Der Flicken hielt, und das Harz war bombenfest. Leider hatte ich meine Hand an den Helm geklebt.
Hören Sie auf zu lachen.
Im Rückblick war die Idee, das Harz mit den Fingern zu verteilen, doch nicht so gut. Glücklicherweise war meine linke Hand noch frei. Nach etwas Grunzen und einigen Flüchen konnte ich in die Werkzeugkiste greifen. Sobald ich einen Schraubenzieher gefunden hatte, konnte ich ihn wie einen Meißel einsetzen und mich befreien. Dabei kam ich mir ziemlich dumm vor. Ich musste sehr aufpassen, weil ich mir nicht die Haut von den Fingern abreißen wollte, wenn ich den Schraubenzieher zwischen Helm und Harz stieß. Endlich war die Hand frei, und ich hatte mir nicht einmal eine blutende Wunde zugezogen. Nennen wir es einen Sieg. Allerdings wird noch einige Tage lang ausgehärtetes Harz an meinen Fingern pappen wie bei einem Kind, das mit Klebstoff gespielt hat.
Über den Armcomputer wies ich den Anzug an, einen Überdruck von 1,2 Atmosphären herzustellen. Der Flicken auf dem Visier wölbte sich nach außen, doch er hielt. Der Ärmel blähte sich auf, als wollte die neue Naht reißen, doch auch er hielt dem Druck stand.
Dann betrachtete ich die Anzeigen und überprüfte, wie luftdicht der Anzug war.
Die Antwort: nicht besonders.
Er pinkelte die Luft förmlich hinaus. Binnen sechzig Sekunden verlor er so viel Druck, dass er die ganze Luftschleuse auf 1,2 Atmosphären aufpumpte.
Der Anzug soll acht Stunden lang benutzbar sein. Das bedeutet, dass er 250 Milliliter Flüssigsauerstoff mitführen muss. Um sicherzugehen, fasst der Tank einen ganzen Liter O2. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Der Rest der Luft besteht aus Stickstoff, der einfach nur die Aufgabe hat, den nötigen Druck zu erzeugen. Wenn der Anzug ein Leck hat, füllt er Stickstoff nach. Der Anzug speichert zwei Liter flüssiges N2.
Nehmen wir mal an, die Luftschleuse hat ein Volumen von zwei Kubikmetern. Der aufgeblasene Anzug beansprucht etwa die Hälfte davon. Es dauerte fünf Minuten, um in einem Kubikmeter den Druck um 0,2 Atmosphären zu erhöhen. Das sind 285 Gramm Luft (vertrauen Sie mir, die Berechnung stimmt). Die Luft in den Druckflaschen wiegt etwa 1 Gramm pro Kubikzentimeter, also habe ich gerade 285 Milliliter verloren.
In den drei Tanks befinden sich zusammen 3000 Milliliter. Eine Menge davon wurde verbraucht, um den Druck zu erhalten, als die Luftschleuse noch ein Leck hatte. Außerdem hat meine Atmung einen Teil des Sauerstoffs in Kohlendioxid verwandelt, das die CO2-Filter des Anzugs aufgefangen haben.
Auf den Anzeigen sehe ich, dass ich noch 410 Milliliter Sauerstoff und 738 Milliliter Stickstoff habe. Zusammen sind das fast 1150 Milliliter. Geteilt durch 285 Milliliter, die ich pro Minute verloren habe …
Sobald ich die Luftschleuse verlasse, hält dieser EVA-Anzug noch vier Minuten lang die Luft.
Verdammt.
Transkription des Audiologs: Sol 119 (7)
Also gut, ich habe noch etwas nachgedacht.
Was nützt es mir, zum Rover zu gehen? Dann wäre ich nur dort drinnen gefangen. Es wäre schön, etwas mehr Platz zu haben, aber sterben würde ich dort trotzdem. Kein Wasseraufbereiter, kein Oxygenator, keine Nahrung. Suchen Sie sich etwas aus – jedes dieser Probleme ist für sich genommen tödlich.
Ich muss die Wohnkuppel reparieren. Ich weiß, was ich tun muss; wir haben dies trainiert. Aber das dauert ziemlich lange. Ich muss unter der zusammengebrochenen Plane herumwühlen, um das Material für die Flicken zu finden. Dann muss ich das Loch suchen und einen Flicken aufsetzen.
Das dauert Stunden, und mein EVA-Anzug ist nutzlos.
Ich brauche einen anderen EVA-Anzug. Martinez’ Anzug war im Rover. Den ganzen Weg bis zum Pathfinder habe ich ihn mitgeschleppt, falls ich einen Ersatzanzug brauchte. Nach meiner Rückkehr habe ich ihn allerdings wieder in der Wohnkuppel verstaut.
Verdammt!
Also muss ich mir einen anderen Anzug besorgen, ehe ich zum Rover gehe. Welchen? Johannsens Anzug ist für mich zu klein (unsere Johannsen ist ein sehr zierliches Mädchen). Lewis’ Anzug ist voller Wasser. Nein, inzwischen ist er voller langsam sublimierendem Eis. Der ramponierte und zugeklebte Anzug, den ich jetzt bei mir habe, ist mein eigener. Also bleiben nur die Anzüge von Martinez, Vogel und Beck.
Martinez’ Anzug habe ich für den Fall, dass ich schnell einen Ersatzanzug brauche, in der Nähe meiner Koje abgelegt. Nach der plötzlichen Dekompression könnte er wer weiß wo sein. Immerhin, das ist eine Stelle, an der ich beginnen könnte.
Das nächste Problem: Ich bin gut 50 Meter von der Wohnkuppel entfernt. Es ist gar nicht so einfach, bei 0,4 g mit einem klobigen EVA-Anzug zu rennen. Im günstigsten Fall trotte ich mit zwei Metern pro Sekunde dahin. Das sind kostbare 25 Sekunden, also fast ein Achtel meiner vier Minuten. Ich muss diese Spanne verkürzen.
Aber wie?
Transkription des Audiologs: Sol 119 (8)
Ich rolle die verdammte Luftschleuse herum.
Im Grunde ähnelt sie einer auf der Seite liegenden Telefonzelle. Ich habe etwas experimentiert.
Wenn ich sie rollen will, muss ich mich so fest wie möglich gegen die Seitenwand werfen, und dabei muss ich mich in der Luft befinden. Ich kann mich nicht an einem anderen Teil der Luftschleuse abstoßen, weil sich die Kräfte gegenseitig aufheben würden, und dann würde ich mich überhaupt nicht bewegen.
Zuerst habe ich versucht, mich von einer Wand abzustoßen und gegen die andere zu prallen. Die Luftschleuse ist etwas gerutscht, aber das war es auch schon.
Als Nächstes habe ich mich mit einem mächtigen Liegestütz (0,4 g, juhu!) in die Luft geworfen und mit beiden Füßen gegen die Wand getreten. Abermals ist sie nur gerutscht.
Beim dritten Mal habe ich es richtig gemacht. Der Trick besteht darin, die Füße nahe an der Wand auf den Boden zu setzen, mich gegen das obere Ende der anderen Wand zu werfen und sie mit dem Rücken voran zu treffen. Schon beim ersten Versuch hatte ich genug Schwung, um die Luftschleuse zu kippen und eine Seitenfläche weiter zur Wohnkuppel zu rollen.
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