Zuletzt habe ich gehört, dass sie das Gewichtsproblem beim MLM von Ares 4 gelöst haben. Wenn es hier gelandet ist, wirft es den Hitzeschild, die Lebenserhaltung und ein paar leere Treibstofftanks ab. Dann können sie uns sieben (die Ares-4-Crew und mich) nach Schiaparelli mitnehmen. Sie arbeiten schon einen Dienstplan für mich aus, nach dem ich dort eingesetzt werden soll. Ist das nicht cool?
Außerdem lerne ich gerade den Morsecode. Warum? Weil das unser Notfallkommunikationssystem ist. Die NASA meint, eine jahrzehntealte Sonde sei als einziges Kommunikationsmittel nicht sehr zuverlässig.
Falls Pathfinder verreckt, buchstabiere ich Nachrichten mit Felsen, die die NASA mit Satelliten erkennen kann. Antworten können sie nicht, aber so bleibt wenigstens eine Einwegkommunikation. Warum Morsecode? Weil man mit Steinen Punkte und Striche einfacher darstellen kann als Buchstaben.
Das ist eine beschissene Art der Kommunikation. Hoffentlich kommt es nicht so weit.
Sobald die chemischen Reaktionen abgeschlossen waren, wurde die Plane sterilisiert und in einen sauberen Raum verfrachtet. Dort schnitt ein Arbeiter einen Streifen vom Rand ab, teilte ihn in Quadrate auf und unterzog jedes Stück einer Reihe anspruchsvoller Prüfungen.
Nach der Inspektion wurde die Plane zurechtgeschnitten. Die Kanten wurden gefaltet, umgenäht und mit Harz versiegelt. Ein Mann mit einem Klemmbrett nahm eine abschließende Inspektion vor und verglich unabhängig von allen anderen die Maße. Dann gab er das Stück zur Benutzung frei.
Logbuch: Sol 115
Widerwillig haben die botanischen Pfuscher eingeräumt, dass ich meine Sache gut gemacht habe. Sie stimmen mir zu, dass ich genug Proviant bis Sol 900 habe. Vor diesem Hintergrund hat die NASA die Missionsdetails der Versorgungssonde ausgearbeitet.
Zuerst hatten sie sich verzweifelt bemüht, vor Sol 400 eine Sonde zu mir zu schicken, aber ich habe mir mit meiner Kartoffelfarm noch einmal 500 Marstage erkauft, und daher haben sie mehr Zeit, die Sache gründlich zu planen.
Sie werden die Sonde im nächsten Jahr während des Hohmann-Transferfensters starten. Die Sendung wird fast neun Monate brauchen, um mich zu erreichen. Sie müsste um Sol 856 ankommen und reichlich Proviant, einen Reserve-Oxygenator, einen Wasseraufbereiter und ein Commsystem mitbringen. Nein, genau genommen sogar drei Commsysteme. Sie wollen wohl kein Risiko mehr eingehen, da anscheinend öfter mal Funkanlagen zerstört werden, wenn ich in der Nähe bin.
Heute habe ich die erste E-Mail von der Hermes bekommen. Bislang hatte die NASA den direkten Kontakt eingeschränkt. Anscheinend hatten sie Angst, ich könnte etwas sagen wie: “Ihr habt mich auf dem Mars sitzen gelassen, ihr Arschlöcher!” Ich kann mir gut vorstellen, wie überrascht die Crew war, als sie von dem Geist erfuhr, der jetzt auf dem Mars umgeht, aber nun hört mal! Ich wünschte, die NASA wäre nicht immer so fürsorglich. Jedenfalls haben sie endlich eine E-Mail der Kommandantin durchgelassen:
Watney, wir sind natürlich sehr froh, dass Sie überlebt haben. Als Verantwortliche für Ihre Situation wünschte ich, ich könnte mehr tun und Ihnen direkt helfen. Aber es sieht so aus, als hätte die NASA einen guten Rettungsplan entwickelt. Ich bin sicher, Sie werden auch weiterhin so unglaublich entschlossen und klug vorgehen und letzten Endes überleben. Ich freue mich schon darauf, Ihnen auf der Erde ein Bier auszugeben.
– Lewis
Meine Antwort lautete:
Commander, es war reines Pech, dass ich in diese Situation geraten bin, und es ist bestimmt nicht Ihre Schuld. Sie haben sich richtig entschieden und die anderen gerettet. Ich kann mir vorstellen, wie schwer Ihnen die Entscheidung gefallen ist, aber die Analyse dieses Tages wird zeigen, dass Sie richtig gehandelt haben.
Aber auf das Bier komme ich gern zurück.
– Watney
DIE MITARBEITER FALTETEN DIE PLANE sorgfältig zusammen und steckten sie in einen mit Argon gefüllten Transportbehälter. Der Mann mit dem Klemmbrett brachte einen Aufkleber an. “Projekt Ares 3, Plane der Wohnkuppel, Bahn AL102.”
Die Sendung wurde mit einer Chartermaschine zum Luftwaffenstützpunkt Edwards in Kalifornien geschickt. Die Flugbahn war außergewöhnlich hoch und kostete viel Treibstoff, doch dadurch verlief der Flug sehr ruhig.
Nach der Ankunft wurde die Sendung mit einem speziellen Konvoi nach Pasadena gebracht. Dort kam sie in die JPL Spacecraft Assembly Facility. Im Laufe der nächsten fünf Wochen stellten Ingenieure in weißen Overalls die Vorauslieferung 309 zusammen, die AL102 und zwölf weitere Pakete mit Wohnkuppelplanen enthielt.
Logbuch: Sol 116
Es ist beinahe Zeit für die zweite Ernte.
Jippie.
Ich wünschte, ich hätte einen Strohhut und Hosenträger.
Die Neuaussaat der Kartoffeln ist gut verlaufen. Wie sich herausstellt, wachsen Feldfrüchte auf dem Mars hervorragend, was auch der viele Milliarden teuren Ausrüstung zu verdanken ist, die mir zur Verfügung steht. Jetzt habe ich 400 gesunde Kartoffelpflanzen, von denen jede einzelne viele mit Kalorien gefüllte Erdäpfel zu meiner Versorgung produziert. In zehn Tagen sind sie reif!
Dieses Mal pflanze ich sie nicht als Saatgut wieder ein. Dies ist mein Nahrungsmittelvorrat. Lauter natürliche, organisch auf dem Mars angebaute Kartoffeln. So was hört man nicht jeden Tag, was?
Vielleicht fragen Sie sich, wie ich die Ernte lagern will. Ich kann die Kartoffeln nicht einfach stapeln, denn dann verrotten sie, ehe ich sie essen kann. Also mache ich etwas, das auf der Erde nicht funktionieren würde. Ich werfe sie raus.
Das meiste Wasser wird im Beinahe-Vakuum herausgezogen, und was noch drinnen ist, gefriert auf der Stelle. Jede Bakterie, die meine Kartoffeln verwesen lassen will, wird kreischend zugrunde gehen.
Außerdem habe ich eine E-Mail von Venkat Kapoor bekommen:
Mark, hier sind einige Antworten auf Ihre Fragen:
Nein, wir werden unseren Botanikern nicht sagen, dass sie sich selbst ficken sollen. Ich weiß ja, dass Sie schon lange allein sind, aber jetzt stehen wir in Verbindung, und es ist am besten, wenn Sie auf das hören, was wir zu sagen haben.
Die Cubs stehen am Ende der Saison auf dem letzten Platz der Zentralliga.
Die Datenübertragung ist nicht schnell genug für Musikdateien, nicht einmal für komprimierte Daten. Ihre Bitte um “Alles, o Gott, ALLES außer Disco” können wir deshalb nicht erfüllen. Viel Spaß beim Boogie Fever.
Hier noch eine unerfreuliche Randbemerkung … die NASA beruft einen Ausschuss ein, um zu untersuchen, ob es vermeidbare Fehler gab, die dazu führten, dass Sie jetzt dort festsitzen. Das ist nur eine kleine Vorwarnung. Später wird man Ihnen wohl Fragen stellen.
Halten Sie uns über Ihre Aktivitäten auf dem Laufenden.
– Kapoor
Meine Antwort:
Venkat, sagen Sie dem Untersuchungsausschuss, sie sollen die Hexenjagd ohne mich durchführen. Und wenn sie, was ich zwangsläufig kommen sehe, Commander Lewis die Schuld geben, dann kann ich jetzt schon sagen, dass ich dem öffentlich widersprechen werde. Ich bin sicher, die übrigen Crewmitglieder werden das Gleiche tun. Sagen Sie ihnen bitte außerdem, dass ihre Mütter Prostituierte sind.
– Watney
PS: Ihre Schwestern auch.
DIE VORAUSLIEFERUNGEN FÜR ARES 3 wurden während des Hohmann-Transferfensters an 14 aufeinanderfolgenden Tagen gestartet. Vorauslieferung 309 war die dritte Sendung. Die 251 Tage dauernde Reise zum Mars verlief ohne besondere Vorkommnisse, lediglich zwei geringfügige Kurskorrekturen waren nötig.
Nach den Manövern mit der Luftbremse, um die Geschwindigkeit zu verringern, begann der endgültige Sinkflug nach Acidalia Planitia. Zuerst kam der Eintritt in die Atmosphäre, den ein Hitzeschild abfing. Später entfaltete die Sonde einen Fallschirm und warf den überflüssigen Schild ab.
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