[12:15] WATNEY: Seht mal da! Zwei Titten! –› (.Y.)
“Danke, Mr. President”, sagte Teddy ins Telefon. “Vielen Dank für den Anruf, und ich gebe Ihre Glückwünsche an die ganze Organisation weiter.”
Er beendete das Telefonat und legte das Handy parallel zur Kante auf den Schreibtisch.
Mitch klopfte an die offene Bürotür.
“Ist das ein guter Augenblick?”, fragte Mitch.
“Kommen Sie rein, Mitch”, lud Teddy ihn ein. “Setzen Sie sich.”
“Danke.” Mitch ließ sich auf einem teuren Ledersofa nieder, griff nach seinem Ohrhörer und regelte die Lautstärke herunter.
“Wie läuft es in Mission Control?”, fragte Teddy.
“Fantastisch”, berichtete Mitch. “In der Hermes ist alles wohlauf, und weil wir im JPL Fortschritte machen, sind alle guter Dinge. Heute war zur Abwechslung mal ein verdammt guter Tag.”
“Ja, das war es”, stimmte Teddy zu. “Wir sind Watneys Rettung wieder einen Schritt nähergekommen.”
“Ja, darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen”, meinte Mitch. “Wahrscheinlich ahnen Sie schon, warum ich hier bin.”
“Ich kann ja mal raten”, antwortete Teddy. “Sie wollen der Crew mitteilen, dass Watney noch lebt.”
“Ja”, bestätigte Mitch.
“Und Sie bringen es zur Sprache, während Venkat in Pasadena ist, damit er nicht die Gegenposition einnehmen kann.”
“Eigentlich sollte ich weder mit Ihnen noch mit Venkat darüber reden müssen. Ich bin der Flugdirektor, und es hätte von Anfang an meine Entscheidung sein müssen. Leider sind Sie beide eingeschritten und haben mich überstimmt. Davon mal abgesehen waren wir uns einig, dass wir sie einweihen, sobald eine echte Hoffnung besteht. Die gibt es jetzt tatsächlich. Wir haben einen Kommunikationsweg gefunden, wir erarbeiten einen Rettungsplan, und seine Farm verschafft uns genug Zeit, ihm Vorräte zu schicken.”
“Na gut, dann sagen Sie es ihnen”, stimmte Teddy zu.
Mitch zögerte. “Einfach so?”
“Mir war klar, dass Sie früher oder später hier auftauchen würden, daher habe ich schon darüber nachgedacht und die Entscheidung getroffen. Nur zu, sagen Sie es ihnen.”
Mitch stand auf. “Alles klar, danke”, erwiderte er, ehe er das Büro verließ.
Teddy drehte den Stuhl herum, blickte zum Nachthimmel hinaus und dachte über den kleinen roten Punkt zwischen den Sternen nach. “Halten Sie durch, Watney”, sagte er. “Wir holen Sie heim.”
12
WATNEY SCHLIEF FRIEDLICH IN DER KOJE. Er rutschte ein wenig herum, als ein angenehmer Traum ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Am vergangenen Tag hatte er drei EVAs unternommen, die alle mit arbeitsintensiver Wartung der Wohnkuppel zu tun gehabt hatten. Anschließend hatte er so tief und so gut wie schon lange nicht mehr geschlummert.
“Guten Morgen, Leute!”, rief Lewis. “Jetzt beginnt ein neuer Tag! Sol 6! Aufstehen!”
Watney stimmte in das allgemeine Stöhnen ein.
“Kommt schon”, drängte Lewis. “Ziert euch nicht so. Ihr bekommt hier vierzig Minuten mehr Schlaf als auf der Erde.”
Martinez war als Erster auf den Beinen. Er kam von der Air Force und hatte dort mindestens so lange gedient wie Lewis bei der Navy. “Guten Morgen, Commander”, sagte er forsch.
Johannsen richtete sich auf, machte aber keinerlei Anstalten, sich der schnöden Welt jenseits ihrer Bettdecke zu stellen. Sie hatte als Softwareingenieurin Karriere gemacht, und der frühe Morgen war nicht ihre beste Zeit.
Vogel quälte sich aus der Koje und sah auf die Uhr. Wortlos zog er seinen Overall an und strich einige Falten glatt. Innerlich seufzte er, weil er sich schmutzig fühlte und nun schon wieder einen Tag ohne Dusche verbringen musste.
Watney wandte sich ab und zog sich das Kissen über den Kopf. “Haut ab, ihr Störenfriede”, murmelte er.
“Beck!”, rief Martinez, während er den Arzt der Mission schüttelte. “Aufstehen, Junge!”
“Ist ja schon gut”, antwortete Beck müde.
Johannsen fiel aus der Koje und blieb auf dem Boden liegen.
Lewis zog Watney das Kissen weg. “Los jetzt, Watney! Onkel Sam hat hunderttausend Dollar für jede Sekunde bezahlt, die wir hier verbringen.”
“Böse Frau klaut Kissen”, stöhnte Watney, ohne die Augen zu öffnen.
“Auf der Erde habe ich hundert Kilo schwere Männer aus den Kojen gekippt”, erklärte Lewis. “Wollen Sie erleben, was ich bei 0,4 g tun kann?”
“Nein, nicht wirklich.” Watney richtete sich auf.
Nachdem sie ihre Truppe geweckt hatte, setzte Lewis sich an die Commstation, um zu überprüfen, ob in der Nacht Botschaften aus Houston eingegangen waren.
Watney schlurfte zum Proviantschrank und schnappte sich aufs Geratewohl ein Frühstück.
“Reichen Sie mir eins mit Eiern?”, bat Martinez.
“Erkennen Sie wirklich den Unterschied?”, fragte Watney, während er Martinez eine Packung gab.
“Beck, was nehmen Sie?”, fuhr Watney fort.
“Egal”, antwortete Beck. “Was gerade da ist.”
Watney warf ihm eine Packung hinüber.
“Vogel? Würstchen wie gewohnt?”
“Ja, bitte”, antwortete Vogel.
“Wird Ihnen das nicht langweilig?”
“Ich fühle mich ganz wohl damit.” Vogel nahm sein Frühstück in Empfang.
“Hallo, Sonnenschein”, sagte Watney zu Johannsen. “Frühstücken Sie heute?”
“Mrmmpf”, machte Johannsen.
“Das heißt wohl ›nein‹”, überlegte Watney.
Die Crew aß schweigend. Schließlich schleppte sich auch Johannsen zum Proviantschrank und nahm sich ein Päckchen Kaffee. Unbeholfen goss sie heißes Wasser hinein und nippte an dem Gebräu, während sie langsam wach wurde.
“Missionsupdates von Houston”, verkündete Lewis. “Die Satelliten zeigen einen anrückenden Sturm, aber wir können Außeneinsätze durchführen, solange er noch nicht da ist. Vogel, Martinez, Sie kommen mit mir raus. Johannsen, Sie verfolgen die Wetterberichte. Watney, Ihre Experimente mit dem Mutterboden sind auf heute vorgezogen. Beck, lassen Sie die Proben der gestrigen EVAs durch das Spektrometer laufen.”
“Wollen Sie wirklich raus, obwohl ein Sturm aufzieht?”, fragte Beck.
“Houston hat es genehmigt”, erwiderte Lewis.
“Das scheint mir eine unnötige Gefahr heraufzubeschwören.”
“Es war eine unnötige Gefahr, überhaupt zum Mars zu fliegen”, sagte Lewis. “Worauf wollen Sie hinaus?”
Beck zuckte mit den Achseln. “Passen Sie einfach auf sich auf.”
Drei Gestalten blickten nach Osten. In den unförmigen EVA-Anzügen waren sie kaum voneinander zu unterscheiden. Nur die Flagge der Europäischen Union auf Vogels Schulter hob ihn von Lewis und Martinez ab, bei denen das Sternenbanner zu sehen war.
Im Osten flackerte und flimmerte die aufgehende Sonne.
“Der Sturm”, sagte Vogel mit starkem deutschem Akzent. “Er ist näher, als Houston berichtet hat.”
“Wir haben noch genug Zeit”, beruhigte Lewis ihn. “Wir konzentrieren uns auf die anstehende Aufgabe. Diese EVA dient der chemischen Analyse. Vogel, Sie sind der Chemiker, also entscheiden Sie, was wir ausgraben.”
“Ja”, stimmte Vogel zu. “Bitte graben Sie dreißig Zentimeter tief und nehmen Sie Bodenproben. Wenigstens hundert Gramm pro Probe. Es ist sehr wichtig, dass Sie vorher dreißig Zentimeter tief graben.”
“Wird gemacht”, antwortete Lewis. “Wir entfernen uns aber nicht weiter als einhundert Meter von der Wohnkuppel”, fügte sie hinzu.
“Mm”, stimmte Vogel zu.
“Ja, Madam”, antwortete Martinez.
Sie teilten sich auf. Die Anzüge der Ares-Mission waren gegenüber den Vorläufern, die bei den Apollo-Missionen Verwendung gefunden hatten, wesentlich verbessert worden und erlaubten eine erheblich größere Bewegungsfreiheit. Graben, sich bücken und Proben eintüten waren einfache Aufgaben.
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