“Also bekommen Sie den Pathfinder dazu, mit dem Rover zu reden, aber der Rover hört nicht zu und antwortet nicht”, fasste Venkat zusammen.
“Genau. Im Idealfall sollte unser Text auf dem Bildschirm des Rovers erscheinen, und was Watney dort eintippt, sollte zu uns zurückgesendet werden. Das erfordert aber eine Veränderung in der Software des Rovers.”
Venkat seufzte. “Was soll diese Diskussion, wenn wir die Software des Rovers nicht aktualisieren können?”
Jack fuhr grinsend fort: “Wir können sie nicht verändern, aber Watson kann das tun. Wir könnten ihm die Daten schicken, und dann gibt er im Rover das Update selbst ein.”
“Über welche Datenmenge reden wir jetzt?”
“Ich lasse bereits ein paar Leute an der Rover-Software arbeiten. Die neue Version hat mindestens zwanzig Megabyte. Wir können etwa alle vier Sekunden ein Byte an Watney senden. Mit unserer Rotationsbuchstabiermaschine müssten wir drei Jahre ununterbrochen senden, um die Korrektur zu übermitteln. Das ist offensichtlich keine gute Idee.”
“Aber da Sie mich jetzt ansprechen, haben Sie offenbar eine Lösung gefunden, oder?”
“Natürlich!”, strahlte Jack. “Softwareingenieure sind gerissene Hunde, wenn es um das Datenmanagement geht.”
“Erleuchten Sie mich”, bat Venkat ihn.
“Jetzt kommt der raffinierte Teil”, sagte Jack mit Verschwörermiene. “Der Rover zerlegt jedes Signal in einzelne Bytes und identifiziert die Sequenz, die die Wohnkuppel sendet. Deshalb können natürliche Strahlungsquellen das Peilsignal nicht stören. Wenn die Bytes nicht stimmen, ignoriert der Rover die Sendung.”
“Na gut, und weiter?”
“Dies bedeutet, dass es im Code eine Stelle gibt, wo die zerlegten Bytes zwischengespeichert werden. Wir können dort ein winziges Stück Code einbauen, es sind nur etwa zwanzig Instruktionen, damit die zerlegten Bytes in eine Logdatei geschrieben werden, ehe die Gültigkeit überprüft wird.”
“Das klingt interessant …”, überlegte Venkat.
“Das ist es auch!”, sagte Jack aufgeregt. “Zuerst aktualisieren wir den Pathfinder, damit er weiß, wie er mit dem Rover reden muss. Dann sagen wir Watney, wie er die Rover-Software verändern muss, um die zwanzig Anweisungen einzufügen. Anschließend lassen wir Pathfinder die neue Software zum Rover senden. Der Rover speichert die Bytes in einer Datei. Dann startet Watney die Datei als ausführbares Programm, und der Rover aktualisiert sich selbst!”
Venkat runzelte die Stirn, weil er mehr Informationen bekommen hatte, als sein übernächtigtes Gehirn verarbeiten wollte.
“Ähm”, machte Jack. “Sie jubeln und tanzen gar nicht.”
“Also müssen wir Watney lediglich diese zwanzig Instruktionen senden?”, fragte Watney.
“Genau das, und er muss wissen, wie er die Dateien verändern und wo er die Anweisungen einfügen muss.”
“Einfach so?”
“Einfach so!”
Venkat schwieg einen Moment. “Jack, ich schenke Ihrem ganzen Team handsignierte Star-Trek-Andenken.”
“Mir wäre Star Wars lieber.” Er war schon zur Tür unterwegs. “Die Originaltrilogie natürlich.”
“Natürlich”, antwortete Venkat.
Als Jack sich entfernte, trat eine Frau an Venkats Tisch.
“Ja, bitte?”, sagte er.
“Ich kann keine Diätcola finden. Ist sie alle?”
“Ja”, bestätigte Venkat. “Ich weiß nicht, wann die Hausverwaltung den Automaten auffüllt.”
“Danke”, sagte sie.
Als er sich wieder an die Arbeit machen wollte, klingelte sein Handy. Er stöhnte laut die Decke an und nahm das Telefon in die Hand.
“Hallo?”, sagte er so fröhlich wie möglich.
“Ich brauche ein Bild von Watney.”
“Hallo, Annie. Freut mich auch, dass wir mal wieder voneinander hören. Wie sieht es in Houston aus?”
“Sparen Sie sich den Scheiß, Venkat. Ich brauche ein Foto.”
“So einfach ist das nicht”, erklärte Venkat.
“Sie reden mithilfe einer verdammten Kamera mit ihm. Was soll daran schwierig sein?”
“Wir buchstabieren unsere Botschaft, warten zwanzig Minuten und nehmen anschließend ein Foto auf. Zu diesem Zeitpunkt ist Watney schon wieder in der Wohnkuppel.”
“Dann sagen Sie ihm, er soll da sein, wenn Sie das nächste Mal ein Foto aufnehmen”, verlangte Annie.
“Pro Stunde können wir nur eine Botschaft schicken, und das auch nur, wenn Acidalia Planitia Sichtverbindung zur Erde hat”, sagte Venkat. “Wir wollen keine Botschaft darauf verschwenden, ihm zu sagen, dass er für ein Foto posieren soll. Außerdem steckt er in seinem EVA-Anzug. Sie könnten nicht einmal sein Gesicht erkennen.”
“Venkat, ich brauche irgendetwas”, beharrte Annie. “Sie haben seit vierundzwanzig Stunden Kontakt mit ihm, und die Pressefritzen drehen durch. Sie brauchen ein Foto für ihre Geschichten. Es wird in allen Medien auf der ganzen Welt verbreitet werden.”
“Sie haben die Fotos seiner Notizen. Machen Sie was daraus.”
“Das reicht nicht”, widersprach Annie. “Die Presse kriecht mir vor Gier in die Kehle. Und in den Arsch. Beides gleichzeitig. Venkat! Sie werden sich in der Mitte treffen!”
“Das muss noch ein paar Tage warten. Wir versuchen gerade, Pathfinder mit dem Computer des Rovers zu verbinden …”
“Ein paar Tage?”, keuchte Annie. “Es ist egal, was Sie gerade tun. Auf dieses Foto wartet die ganze Welt. Das ist die größte Geschichte seit Apollo 13. Besorgen Sie mir ein Bild, verdammt!”
Venkat seufzte. “Ich versuche, es morgen zu bekommen.”
“Schön!”, antwortete sie. “Ich freue mich schon darauf.”
Logbuch: Sol 98
Ich muss die Kamera beim Buchstabieren beobachten. Jedes Mal ist es nur ein halbes Byte. Deshalb warte ich zwei Codes ab und schlage sie in der ASCII-Tabelle, die ich mir angefertigt habe, nach. Zwei Codes ergeben jeweils einen Buchstaben.
Da ich keinen Buchstaben übersehen will, kratze ich sie mit einem Stab in den Boden. Es dauert ein paar Sekunden, den Code nachzuschlagen und in den Sand zu kratzen. Manchmal habe ich ein Symbol verpasst, wenn ich den Blick wieder auf die Kamera richte. Das meiste kann ich aus dem Kontext erschließen, aber manchmal fehlt mir einfach ein Stück.
Heute bin ich einige Stunden früher aufgestanden als nötig. Es war wie Weihnachten! Ich konnte es kaum erwarten, bis es 8:00 Uhr war. Nach dem Frühstück führte ich einige überflüssige Überprüfungen der Systeme in der Wohnkuppel durch und las etwas Poirot. Endlich war die Zeit gekommen!
KNRVRHCKN D AM TMT PATHF DRS PRCH TAUFL NG NACHRCHT VORBRTN
Ach so. Ich hatte eine ganze Minute gebraucht, um es zu entziffern: “Können Rover hacken, damit er mit Pathfinder spricht, auf lange Nachricht vorbereiten.”
Es hatte ein wenig Gehirngymnastik erfordert, es herauszubekommen, aber das war eine schöne Neuigkeit. Wenn wir das einrichten konnten, dann würden uns nur noch die Zeitfenster für die Sendezeit einschränken. Ich schrieb eine knappe Antwort: Roger.
Ich war nicht sicher, was sie mit der langen Nachricht meinten, überlegte mir aber, dass es sicher besser war, wenn ich mich gründlich vorbereitete. Deshalb ging ich schon fünfzehn Minuten vor der vollen Stunde hinaus und glättete ein großes Stück Sand. Dann suchte ich mir das längste Antennenstück, das ich hatte, damit ich den glatten Bereich beschreiben konnte, ohne ihn zu betreten.
Schließlich stand ich da und wartete.
Genau zur vollen Stunde begann die Nachricht.
STRT hexedit INRVR CMP, OEFFNE DATEI- / usr / lib / habcomm.so- SCROLL BIS INDX LNKS: 2AAE5, ÜBERSCHR 141 BYTS MTDATEN IN NÄCHST NACHR, BLEIB IM BILD WG FOTO 20 MIN NACH DIESER ENDE
Jesus … na schön.
Ich sollte “hexedit” im Computer des Rovers starten, die Datei/usr/lib/habcomm.so öffnen, bis zum Index 2AAE5 auf der linken Bildschirmseite scrollen und die folgenden 141 Bytes mit einer Bytefolge überschreiben, die mir die NASA in der nächsten Botschaft schicken wollte. Alles klar.
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