Das CO2 ist kein Problem. Ich habe das große Abenteuer mit 1500 Stunden CO2-Filtern begonnen, dazu kommen 720 als Reserve für Notfälle. Alle Systeme benutzen standardisierte Filter (wir haben aus Apollo 13 eine wichtige Lektion gelernt). Bisher habe ich 131 bei verschiedenen EVAs verbraucht. 2089 sind noch da. Das sind 87 Tage. Mehr als genug.
Der Sauerstoff ist etwas schwieriger. Der Rover ist darauf eingerichtet, drei Menschen für zwei Tage zu versorgen, aus Sicherheitsgründen gibt es einige Reserven. Also enthalten die Sauerstofftanks genug O2, damit ich sieben Tage überlebe. Das reicht nicht.
Der Mars hat praktisch keinen atmosphärischen Druck. Im Inneren des Rovers herrscht ein Druck von einer Atmosphäre. Deshalb befinden sich die Sauerstofftanks im Inneren (eine geringere Druckdifferenz, die man berücksichtigen muss). Warum das eine Rolle spielt? Es bedeutet, dass ich weitere Sauerstoffbehälter mitnehmen und an die Versorgung des Rovers anschließen kann, ohne eine EVA machen zu müssen.
Heute habe ich einen der beiden 25-Liter-Behälter mit Flüssigsauerstoff aus der Wohnkuppel ausgebaut und zum Rover gebracht. Laut NASA braucht ein Mensch 588 Liter Sauerstoff am Tag zum Leben. Komprimierter Flüssigsauerstoff ist tausendmal so dicht wie gasförmiger Sauerstoff in einer erträglichen Atmosphäre. Kurz gesagt: Mit dem Behälter aus der Wohnkuppel habe ich genug Sauerstoff für 49 Tage. Das reicht auf jeden Fall.
Sirius 4 wird ein Ausflug von 20 Tagen.
Das scheint lange zu sein, aber ich habe ein bestimmtes Ziel vor Augen. Außerdem wird meine Reise nach Ares 4 mindestens 40 Tage dauern. Zwanzig Tage sind dafür ein guter Test.
Während ich fort bin, kann die Wohnkuppel auf sich selbst aufpassen, nur die Kartoffeln sind ein Problem. Ich werde den größten Teil des Wassers, das ich noch habe, auf dem Boden verteilen und den Atmosphäreregler abschalten, damit er das Wasser nicht aus der Luft entfernt. Dadurch wird es furchtbar schwül werden, und das Wasser wird auf jeder Oberfläche kondensieren. Das hält die Kartoffeln schön feucht, während ich fort bin.
Ein größeres Problem ist das CO2. Die Kartoffeln müssen atmen. Ich weiß schon, was Sie jetzt sagen: “Mark, alter Kumpel, du produzierst das Kohlendioxid! Das ist alles ein Teil des wundervollen natürlichen Kreislaufs!”
Das Problem ist nur: Wo bringe ich es unter? Gewiss, ich atme ständig CO2 aus, aber ich kann es nicht speichern. Ich könnte den Oxygenator und den Atmosphäreregler abschalten und die Wohnkuppel mit der Zeit durch meinen Atem mit CO2 anreichern. Allerdings ist das Gas für mich tödlich. Daher muss ich eine große Menge auf einmal freisetzen und dann weglaufen.
Erinnern Sie sich an die Treibstofferzeugung des MRM? Sie sammelt CO2 aus der Marsatmosphäre. Ein Zehnlitertank komprimiertes flüssiges CO2, in der Wohnkuppel verteilt, reicht für die Pflanzen aus. Die Menge zu erzeugen dauert nicht einmal einen Tag.
Das wäre es dann. Sobald ich das CO2 in der Wohnkuppel freigesetzt habe, schalte ich den Atmosphäreregler und den Oxygenator ab, kippe eine Menge Wasser auf die Pflanzen und verschwinde.
Sirius 4. Ein großer Fortschritt in meiner Rover-Forschung. Morgen geht es los.
8
“HALLO. ICH FREUE MICH, DASS SIE uns zuschauen”, sagte Cathy Warner in die Kamera. “Heute im Mark Watney Report von CNN: Mehrere EVAs während der letzten Tage. Was haben sie zu bedeuten? Welche Fortschritte machen die Rettungsaktionen der NASA? Wie wirkt sich dies auf die Vorbereitungen für Ares 4 aus? Im Studio ist heute Dr. Venkat Kapoor, der Direktor der Marsoperationen bei der NASA. Dr. Kapoor, vielen Dank, dass Sie kommen konnten.”
“Es ist mir ein Vergnügen, Cathy”, antwortete Venkat.
“Dr. Kapoor”, fuhr die Reporterin fort, “würden Sie nicht auch sagen, dass Mark Watney momentan im ganzen Sonnensystem der Mensch ist, der am meisten Aufmerksamkeit bekommt?”
Venkat nickte. “Auf jeden Fall ist er derjenige, den die NASA am aufmerksamsten beobachtet. Alle zwölf Marssatelliten machen Aufnahmen, sobald sein Standort sichtbar ist. Die Europäische Weltraumorganisation führt mit ihren Satelliten die gleichen Beobachtungen durch.”
“Wie oft bekommen Sie neue Bilder?”
“Alle paar Minuten. Manchmal gibt es Lücken, die auf die Umlaufbahnen der Satelliten zurückzuführen sind. Aber es reicht aus, um alle seine Außenbordeinsätze zu verfolgen.”
“Erzählen Sie uns etwas über die letzten EVAs.”
“Nun”, antwortete Venkat, “es sieht so aus, als bereitete er Rover 2 für eine längere Fahrt vor. An Sol 64 hat er aus dem anderen Rover die Batterie ausgebaut und mit einer selbst gebauten Schlinge an Rover 2 gehängt. Am folgenden Tag hat er vierzehn Solarzellen demontiert und auf dem Dach des Rovers verstaut.”
“Und dann ist er eine Weile herumgefahren, nicht wahr?”, drängte Cathy ihn weiter.
“In der Tat. Anscheinend fuhr er eine Stunde ziellos hin und her, dann kehrte er in die Wohnkuppel zurück. Das nächste Mal haben wir ihn zwei Tage später beobachtet. Er hat sich vier Kilometer entfernt und ist dann zurückgekehrt. Auch das halten wir für einen Test. In den letzten zwei Tagen hat er Vorräte in den Rover gebracht.”
“Hm”, machte Cathy. “Die meisten Analytiker glauben, Marks einzige Hoffnung auf Rettung sei es, zum Landeplatz von Ares 4 zu gelangen. Denken Sie, er ist zu dem gleichen Schluss gekommen?”
“Wahrscheinlich”, erwiderte Venkat. “Er weiß nicht, dass wir ihn beobachten. Aus seiner Sicht ist Ares 4 seine einzige Hoffnung.”
“Will er wirklich schon so bald aufbrechen? Anscheinend bereitet er sich auf die Reise vor.”
“Das hoffe ich nicht”, antwortete Venkat. “Am Landeplatz gibt es nichts außer dem MRM. Die anderen Vorräte, die vorab geschickt werden, sind noch nicht da. Es wäre eine sehr lange, gefährliche Reise, und er müsste die sichere Wohnkuppel aufgeben.”
“Was könnte ihn veranlassen, so etwas zu riskieren?”
“Kommunikation”, entgegnete Venkat. “Sobald er das MRM erreicht, kann er mit uns Verbindung aufnehmen.”
“Das wäre doch sehr gut, oder nicht?”
“Es wäre hervorragend, wenn wir mit ihm reden könnten. Aber es ist ungeheuer gefährlich, dreitausendzweihundert Kilometer bis Ares 4 zu fahren. Uns wäre es lieber, er bliebe dort, wo er ist. Wenn wir mit ihm reden könnten, würden wir ihm genau das sagen.”
“Er kann doch nicht ewig dort bleiben, oder? Früher oder später muss er zum MRM fahren.”
“Nicht unbedingt”, widersprach Venkat. “Das JPL experimentiert gerade mit Veränderungen am MLM, damit es nach der Landung noch einmal über den Mars fliegen kann.”
“Ich habe gehört, diese Idee sei als zu gefährlich verworfen worden”, sagte Cathy.
“Auf den ersten Vorschlag traf dies zu. Inzwischen werden ungefährlichere Vorgehensweisen erarbeitet.”
“Bleibt überhaupt genügend Zeit, am MLM Veränderungen vorzunehmen und es zu testen, da bis zum Start von Ares 4 nur noch dreieinhalb Jahre Zeit sind?”
“Das kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Aber vergessen Sie nicht, dass wir aus dem Nichts binnen sieben Jahren ein Mondlandemodul gebaut haben.”
“Ausgezeichneter Einwand.” Cathy lächelte. “Wie stehen seine Aussichten im Moment?”
“Keine Ahnung”, gab Venkat zu. “Aber wir tun alles, was wir können, um ihn lebendig nach Hause zu bringen.”
Mindy sah sich nervös im Konferenzraum um und kam sich so unbedeutend vor wie noch nie im Leben. Dr. Venkat Kapoor, der in der Hierarchie weit über ihr stand, hatte links neben ihr Platz genommen.
Neben ihm saß Bruce Ng, der Direktor des JPL. Er war eigens für dieses Treffen von Pasadena nach Houston herübergeflogen. Er war kein Mann, der wertvolle Zeit verschwendete, und tippte wie wild etwas in sein Notebook ein. Als Mindy die dunklen Ringe unter seinen Augen sah, wurde ihr klar, wie überarbeitet er sein musste.
Читать дальше