Nach meinen langweiligen Berechnungen braucht der Rover 200 Wattstunden für einen Kilometer, also könnte ich mit den vollen 18 Kilowattstunden (abzüglich einer geringen Menge für Computer, Lebenserhaltung usw.) 90 Kilometer weit reisen. Na bitte.
Aus einer einzigen Ladung hole ich natürlich keinesfalls 90 Kilometer heraus. Ich muss über Hügel, unebenes Gelände, Sand und so weiter fahren. Aber es ist ein Anhaltspunkt. Ich brauche mindestens 35 Tage, um Ares 4 zu erreichen. Wahrscheinlich eher 50, aber das ist wenigstens ein plausibler Wert.
Wenn der Rover mit seiner atemberaubenden Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern fährt, ist die Batterie nach dreieinhalb Stunden erschöpft. Ich kann in der Dämmerung fahren und den sonnigen Abschnitt des Tages zum Aufladen benutzen. In dieser Jahreszeit gibt es etwa dreizehn Stunden Sonnenlicht. Wie viele Solarzellen muss ich in der Anlage der Wohnkuppel plündern?
Dank der amerikanischen Steuerzahler habe ich mehr als zweihundert Quadratmeter der teuersten Solarzellen, die jemals hergestellt wurden. Sie sind mit 10,2 Prozent erstaunlich effizient. Das ist gut, weil der Mars nicht so viel Sonnenlicht bekommt wie die Erde. Es sind nur 500 bis 700 Watt pro Quadratmeter (im Gegensatz zu 1400 Watt auf der Erde).
Kurz und gut: Ich muss 28 Quadratmeter Solarzellen mitnehmen. Das sind 14 Module.
Auf dem Dach kann ich zwei Stapel von je sieben Stück unterbringen. Sie ragen über die Seiten hinaus, aber solange sie gut gesichert sind, habe ich keine Probleme damit. Jeden Tag, nachdem ich gefahren bin, baue ich sie auf und … warte auf den nächsten Tag. Mann, das wird langweilig.
Aber es ist ein Anfang. Aufgabe für morgen: Ich baue die Batterie von Rover 1 in Rover 2 ein.
Logbuch: Sol 64
Manchmal sind die Dinge einfach, manchmal sind sie es nicht. Die Batterie aus Rover 1 auszubauen war leicht. Ich musste nur zwei Klammern am Untergestell entfernen, und sie ist einfach herausgefallen. Die Kabel zu lösen war einfach, es waren nur zwei komplizierte Stecker.
Die Befestigung am Rover 2 ist ein ganz anderes Kapitel. Ich weiß nicht, wohin damit!
Das Ding ist riesig. Ich konnte es kaum schleppen. Und das in der niedrigen Marsschwerkraft.
Die Batterie ist einfach zu groß. Im Untergestell ist kein Platz für eine zweite Batterie. Auf dem Dach auch nicht, denn dort sollen die Solarzellen liegen. In der Kabine ist ebenfalls kein Platz, und das Ding würde sowieso nicht durch die Luftschleuse passen.
Aber keine Sorge, ich habe eine Lösung gefunden.
Für Notfälle, die mit meinen Problemen absolut nichts zu tun haben, hat die NASA sechs Quadratmeter Wohnkuppelplane und ein wirklich beeindruckendes Harz mitgeschickt. Es ist genau das Harz, das mir an Sol 6 das Leben gerettet hat. Ich habe damit das Loch in meinem Anzug geflickt.
Falls die Wohnkuppel beschädigt wird, sollten alle in die Luftschleusen laufen. Wir sollten lieber die Wohnkuppel zusammenbrechen lassen, als bei dem Versuch sterben, es zu verhindern. Dann sollten wir die Raumanzüge anlegen und den Schaden begutachten. Sobald wir das Leck gefunden hatten, sollten wir es mit der Reserveplane und dem Harz versiegeln. Anschließend wird die Wohnkuppel wieder aufgepumpt und ist so gut wie neu.
Die sechs Quadratmeter Reserveplane waren erfreulicherweise als Bahn von einem Meter Breite und sechs Metern Länge verpackt. Ich schnitt zehn Zentimeter breite Streifen ab und benutzte sie, um eine Art Geschirr zu basteln.
Mit dem Harz und den Streifen fertigte ich zwei zehn Meter lange Schlingen an. An jedes Ende kam ein größeres Stück Plane. Damit hatte ich eine Art primitive Satteltasche für den Rover gebastelt.
Das sieht hier mehr und mehr nach Wagon Train aus.
Das Harz verfestigt sich fast sofort. Es klebt aber besser, wenn man danach noch eine Stunde wartet, was ich tat. Dann zog ich den Raumanzug an und ging zum Rover.
Ich schleppte die Batterie neben das Fahrzeug und schlang einen Teil des Geschirrs darum herum. Das andere Ende warf ich über das Dach. Auf der anderen Seite füllte ich Steine ein. Sobald die Gewichte annähernd gleich waren, konnte ich die Steine herunterziehen und die Batterie anheben.
Juhu!
Dann klemmte ich die Batterie von Rover 2 ab und verband die Kabel mit der Batterie aus Rover 1. Anschließend ging ich durch die Luftschleuse hinein und überprüfte alle Systeme des Rovers. Alles war völlig in Ordnung.
Ich fuhr ein wenig umher, um mich zu vergewissern, ob das Geschirr hielt, und holperte auch über ein paar größere Steine, damit alles ordentlich durchgeschüttelt wurde. Das Geschirr hielt. Sehr schön.
Eine Weile überlegte ich, wie ich die Batterie aus Rover 1 fest anschließen konnte, aber dann dachte ich: “Zum Teufel damit.”
Ich brauche gar keine ständige Stromversorgung. Wenn Batterie 1 leer ist, kann ich aussteigen, sie abklemmen und Batterie 2 anklemmen. Warum denn nicht? Das ist einmal pro Tag eine EVA von zehn Minuten. Beim Aufladen muss ich die Batterien wieder wechseln, aber noch einmal, was soll’s?
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, die Solarmodule abzuwischen. Bald werde ich sie plündern.
Logbuch: Sol 65
Die Solarzellen waren erheblich einfacher zu handhaben als die Batterie.
Sie sind dünn, leicht und liegen einfach so auf dem Boden. Außerdem hatte ich noch einen weiteren Vorteil: Ich selbst hatte sie am Anfang aufgebaut.
Na gut, ich habe es nicht ganz allein gemacht. Vogel und ich haben dabei zusammengearbeitet. Junge, was haben wir dafür geübt. Fast eine ganze Woche haben wir den Aufbau der Solaranlage trainiert. Wenn wir etwas Freizeit hatten, haben wir das Training aufgefrischt. Die Solaranlage war entscheidend für die Mission. Wenn wir die Solarzellen zerbrachen oder beschädigten, bekam die Wohnkuppel keinen Strom, und die Mission wäre sofort beendet gewesen.
Vielleicht fragen Sie sich, was der Rest der Crew getan hat, als wir mit der Solaranlage beschäftigt waren. Sie haben die Wohnkuppel aufgebaut. Vergessen Sie nicht, dass alles in meinem ruhmreichen Königreich in Kisten geliefert wurde. Wir mussten die Wohnkuppel an Sol 1 und Sol 2 aufbauen.
Die Solarzellen ruhen auf leichten Gittern und sind im Winkel von 14 Grad geneigt. Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, warum es gerade 14 Grad sind. Es hat mit der Maximierung der Solarenergie zu tun. Jedenfalls war es leicht, die Solarzellen abzubauen, und die Wohnkuppel kann sie entbehren. Da es nicht mehr sechs, sondern nur noch einen Menschen zu versorgen gilt, ist die Verringerung der Energieproduktion um 14 Prozent kein Problem.
Dann war die Zeit gekommen, sie auf dem Rover zu stapeln.
Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, den Behälter für die gesammelten Steine zu entfernen. Das Ding ist einfach nur ein großer Sack auf dem Dach und viel zu klein, um die Solarzellen aufzunehmen. Nach einigem Überlegen beließ ich ihn dort, weil er ein gutes Polster abgab.
Die Solarzellen ließen sich gut stapeln (schließlich waren sie ja auch eigens für den Transport zum Mars konstruiert worden), und die beiden Stapel passten ohne Weiteres auf das Dach. Links und rechts standen sie über, aber da ich nicht durch Tunnel fahren werde, ist mir das egal.
Anschließend missbrauchte ich einen weiteren Teil der Notvorräte und stellte Riemen her, um die Solarmodule zu verzurren. Der Rover hat vorne und hinten Handgriffe, die als Stütze dienen sollen, wenn man Felsbrocken auf das Dach packt. Sie sind perfekte Ankerpunkte für die Riemen.
Endlich konnte ich zurücktreten und mein Werk bewundern. Das hatte ich mir redlich verdient. Noch nicht einmal Mittag, und ich war fertig.
Ich kehrte in die Wohnkuppel zurück, nahm das Mittagessen ein und arbeitete den Rest des Marstages über auf meinem Acker. Neununddreißig Sol (was etwa 40 Erdtagen entspricht) zuvor hatte ich die Kartoffeln gepflanzt. Es war an der Zeit, die Ernte einzubringen und neu auszusäen.
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