„Was ist?“ sagte schließlich Trurl, den dieses unverschämte Beäugen, das sich in aller Stille abspielte, wütend machte. „Was willst du, gräßliche Fratze? Ich bin der Konstrukteur Trurl, der allgemeine Omnipotentiator, und dies ist mein Freund Klapauzius, ebenfalls eine Berühmtheit und eine große Leuchte, und wir sind mit unserem Raumschiff rein touristisch geflogen, also bitte ich darum, daß das Gesicht sofort verschwindet und wir aus diesem finsteren Ort, der sicherlich voll Unrat ist, hinausgeführt werden, damit wir wieder in ein anständiges reines Vakuum gelangen, widrigenfalls sehen wir uns genötigt, eine Beschwerde einzureichen, und dann wird man dich, den Mülltonnenwühler, in deine Bestandteile zerlegen — hörst du, was ich sage?!“
Jener erwiderte nichts — linste weiter umher und schien etwas zu berechnen. Stellte er Kalkulationen an — oder wie?
„Hör mal, du aufgeblähte Mißgeburt“, rief Trurl, der jetzt auf nichts mehr Rücksicht nahm, obwohl Klapauzius ihn zur Mäßigung in die Rippen knuffte, „wir haben weder Gold noch Silber und auch keine Juwelen, laß uns also gleich von hier fort, nimm vor allem aber dein großes Maul weg, denn es ist unsäglich abstoßend. Und du“, hier wandte er sich an Klapauzius, „du hör auf, mich zu knuffen, damit ich mich mäßige, ich habe meinen eigenen Verstand und weiß, wie mit wem zu reden ist!“ „Ich verlange nicht nur Gold und Silber“, versetzte plötzlich das Maul und wandte tausend feurige Augen auf Trurl, „und zu reden hat man mit mir zartfühlend und mit Hochachtung, denn ich bin ein Räuber mit Diplom, bin gebildet und nervös von Natur. Ich hatte schon andere bei mir als euch und habe nachgeprüft, soviel ich wollte — und wenn ich alles bei euch zusammenschweiße, dann sickert auch aus euch Süßigkeit. Ich heiße Mäuler, messe dreißig Arschin in jede Richtung und raube tatsächlich Kostbarkeiten, aber in einer wissenschaftlich modernen Weise, das heißt: Ich entwende wertvolle Geheimnisse, Schätze der Wissenschaft, authentische Wahrheiten, überhaupt jede Information von Wert. Aber nun her damit, los, sonst pfeife ich! Ich zähle bis fünf — eins, zwei, drei…“
Er zählte bis fünf, und da sie ihm nichts gaben, pfiff er tatsächlich, daß ihnen beinahe die Ohren abgefallen wären. Klapauzius aber begriff, daß dieses „Diploj“, von dem die Eingeborenen mit Angst erzählt hatten, eben jenes Diplom war, das der Räuber offenbar an einer Akademie für Räuberwesen erworben hatte. Trurl mußte sich mit den Händen an den Kopf fassen, denn Mäuler besaß eine Stimme, die seinem Wuchs angemessen war.
„Gar nichts bekommst du von uns!“ rief er, indes Klapauzius nach Watte rannte. „Und du nimmst auf der Stelle das Maul weg!“
„Wenn ich das Maul wegnehme, stecke ich die Hand 'rein“, erwiderte Mäuler. „Und die ist klaftergroß, zangenartig und schwer, daß Gott behüte! Achtung — ich beginne!“ In der Tat: Die Watte, die Klapauzius brachte, erwies sich als unnötig, denn das Maul verschwand, und eine knorrige, stählerne, dreckige, schaufelfingrige Pranke erschien; gleich fing sie an zu wühlen, zerbrach Tische und Schränke und Hindernisse, daß die Bleche nur so kreischten. Trurl und Klapauzius flohen vor der Pranke in die Atomsäule, und sobald sich nur ein Finger näherte, bekam er von oben eins verpaßt: bauz! Schließlich ärgerte sich der diplomierte Räuber, steckte erneut das Maul durch die Luke und versetzte: „Ich rate euch im guten, einigt euch mit mir, denn sonst lege ich euch für später beiseite, in die Tiefe meiner Vorratsgrube, schütte euch mit Schmutz zu und drücke euch mit Steinen fest, daß ihr euch nicht rühren könnt und euch der Rost vollends auffrißt; ich bin schon mit anderen fertig geworden; ihr könnt wählen!“
Trurl verwarf jeden Gedanken an Verhandlungen, aber Klapauzius war anderen Sinnes und fragte, was sich der Diplomand denn eigentlich wünsche.
„Die Rede höre ich gern“, versetzte dieser hierauf. „Ich sammle Schätze des Wissens, denn dies ist das Hobby meines Lebens, das sich aus der Hochschulbildung und der praktischen Einsicht in das Wesen der Dinge ergibt, zumal es hier für gewöhnlich Schätze, nach denen einfältige Räuber gieren, nicht zu kaufen gibt; Wissen hingegen sättigt den Hunger nach Erkenntnis, außerdem ist bekannt, daß alles Existierende Information ist; ich sammle sie also seit Jahrhunderten und werde es auch weiterhin tun; natürlich habe ich auch nichts dagegen, Gold oder Juwelen zu kassieren, denn das ist schön, erfreut das Auge und kann aufgehängt werden, aber ich tue es nur nebenbei, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich Prügelstrafe für falsche Wahrheiten anwende, ebenso für falsche Metalle, denn ich bin ein Schöngeist und lechze nach Authentizität!“
„Und was wäre das für eine authentische und wertvolle Information, nach der es dich verlangt?“ fragte Klapauzius.
„Jede, vorausgesetzt, daß sie wahr ist!“ erwiderte jener.
„Jede kann in einer Lebenslage von Nutzen sein. Meine Keller und Verliese sind ziemlich voll, aber es geht noch einmal soviel hinein. Erzählt, was ihr wißt und was ihr könnt, ich schreibe es mir auf. Aber schnell!“
„Da haben wir uns eine schöne Sache eingebrockt“, flüsterte Klapauzius Trurl ins Ohr, „der kann uns ein ganzes Jahrhundert hier festhalten, ehe wir ihm alles gesagt haben, was wir wissen, unsere Weisheit ist ungeheuer!“
„Warte“, versetzte hierauf Trurl, „laß mich mit ihm verhandeln.“ Und laut sagte er: „Hör zu, du diplomierter Räuber. Was das Gold anbelangt, so besitzen wir Informationen, die mehr als alle anderen wert sind, es besteht eine Methode, wie man Gold aus Atomen gewinnt; sagen wir es gleich: aus Wasserstoffatomen, denn ihrer gibt es im Kosmos ohne Zahl — willst du dieses Rezept, dann sind wir uns einig, hinterher läßt du uns frei.“
„Ich habe schon eine ganze Kiste mit solchen Rezepten“, erwiderte das Maul und glotzte zornig aus seinen Augen. „Alle taugen sie nichts. Ich lasse mich nicht mehr betrügen — erst muß die Gebrauchsanweisung ausprobiert werden.“
„Warum nicht? Das ist möglich. Hast du einen Topf?“
„Nein.“
„Macht nichts, es wird auch ohne Topf gehen, Hauptsache, es dauert nicht lange“, entgegnete Trurl. „Das Rezept ist einfach: so viele Atome Wasserstoff, wie ein Atom Gold wiegt, also siebenundachtzig; dann die Wasserstoffatome von den Elektronen säubern, dann die Protonen rühren, den Kernteig durchkneten, bis Mesonen auftauchen, und rings um alles hübsch mit Elektronen besetzen. Dann hast du reines Gold. Sieh her!“
Trurl begann Atome zu fangen, schälte die Elektronen heraus, mischte die Protonen, daß man seine Finger in der Eile gar nicht sah, knetete den Protonenteig, zog Elektronenkreise ringsherum, dann verfuhr er ebenso mit dem nächsten Atom; kaum waren fünf Minuten vergangen, da hielt er bereits einen Klumpen echten Goldes in den Händen, reichte ihn dem Maul, dieses biß an, nickte und sagte: „Na schön, Gold ist das ja, aber ich schaffe es nicht, den Atomen so schnell hinterherzulaufen. Ich bin zu groß.“
„Macht nichts, du bekommst dafür einen geeigneten kleinen Apparat!“ lockte Trurl. „Denk nur, auf diese Weise läß sich alles in Gold umwandeln, nicht nur der Wasserstoff, wir geben dir auch noch Rezepte für andere Atome; der ganze Kosmos läßt sich in Gold umwandeln, wenn man sich bloß ein bißchen anstrengt!“
„Wäre er ganz aus Gold, so verlöre er jeden Wert“, versetzte hierauf der praktische Mäuler. „Nein, eure Vorschrift nützt mir nichts: das heißt, gewiß, aufgeschrieben habe ich sie, aber das genügt nicht! Ich lechze nach Schätzen der Wissenschaft!“
„Was willst du dann, Teufel noch mal?“
„Alles!“
Trurl sah Klapauzius an, Klapauzius den Trurl, und dieser sprach wie folgt: „Wenn du einen großen Schwur tust und schwörst, daß du uns dann gleich freiläßt, geben wir dir die Information über die Allinformation, das heißt, wir bauen dir eigenhändig einen Dämon Zweiter Ordnung, welcher magisch, thermodynamisch, unsklavisch und statistisch ist und dir aus einem alten Faß oder auch nur aus einem Niesen Informationen über alles extrahieren und sammeln wird, was war, was ist, was sein kann und was sein wird. Es gibt keinen Dämon über diesen Dämon, denn er ist Zweiter Ordnung, wenn du ihn also willst, dann rede gleich!“
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