»Aber wir sprechen alle Englisch«, sagte Mary Owen unvermittelt. »Zumindest beherrschen wir alle diese Sprache. Wie viele Sprachen haben Sie gelernt, Sandra?« »Vierzehn«, antwortete die Dichterin. »Aber ich spreche sie nicht alle gleich gut.«
»Mr. Lansing hat einen ersten Hinweis darauf gegeben, was mit uns geschehen sein könnte«, stellte der General fest. »Ich möchte Ihnen zu Ihrem scharfen Wahrnehmungsvermögen gratulieren, Sir. Vielleicht verhält es sich nicht ganz so, wie Sie sagen, aber ich glaube schon, daß Sie mit Ihrer Vermutung der Wahrheit recht nahe kommen. Was nun die Tatsache angeht, daß wir alle Englisch sprechen können, da möchte ich ein wenig spekulieren: Wir sind eine kleine Schar, die Englisch spricht. Wäre es nicht möglich, daß es noch weitere Gruppen gibt - französische, lateinische, griechische, spanische. Menschen, die deswegen zusammengekommen sind, weil sie eine gemeinsame Sprache sprechen.«
Der Pastor unterbrach ihn empört: »Das ist reine Spekulation! Die Theorien, die Sie gemeinsam aufstellen, sind blanker Wahnsinn. Sie verstoßen gegen alle irdischen und himmlischen Lehrsätze!«
»Was wir über Himmel und Erde wissen«, versetzte der General, »ist doch nur ein leiser Hauch, gemessen an der ganzen Wahrheit. Wir sind nun einmal hier, das müssen wir zugeben, und die Tatsache, daß wir hier sind, und die Art, wie wir hierhergekommen sind, verstoßen bereits gegen alles Wissen, über das wir heute verfügen.«
»Ich denke, was Mr. Lansing zu uns gesagt hat.« begann Mary. »Ach, Mr. Lansing, wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen, ich mag nicht dauernd Mr. Lansing zu Ihnen sagen.« »Ich heiße Edward.«
»Danke sehr. Ich meine, Edwards Vermutungen könnten ein wenig zu phantasievoll sein. Aber wenn wir herausbekommen wollen, wo wir sind und warum wir hierhergekommen sind, dann müssen wir in unserem Denken neue Wege einschlagen. Ich bin Ingenieur, und ich stamme aus einer hochtechnisierten Gesellschaft. Jede Denkweise, die nicht auf einer soliden theoretischen Grundlage fußt, bereitet mir Unbehagen. Doch alle Untersuchungsmethoden, mit denen ich vertraut bin, liefern für diese Situation keine Erklärungen. Vielleicht gibt es jemanden unter uns, der eine bessere Methode kennt. Wie ist es mit Ihnen, Jürgens?«
»Auch ich stamme aus einem technologischen Umfeld«, erwiderte Jürgens, »und auch ich kann mit keiner Erklärung aufwarten.«
»Warum haben Sie ihn überhaupt gefragt?« wetterte der Pastor. »Sie bezeichnen ihn als Roboter, das ist ein Wort, das einem leicht von der Zunge geht. Wenn man ihn jedoch genau betrachtet, dann ist er weiter nichts als eine Maschine, eine mechanische Spielerei.«
»Das geht zu weit!« schnarrte der General. »Zufällig stamme ich aus einer Welt, in der diese >mechanischen Spielereien< sich in einem viele Jahre dauernden Krieg bewährt haben. Sie haben hervorragend gekämpft, intelligenter und ideenreicher, als viele Menschen es vermocht hätten.«
»Wie schrecklich«, murmelte die Dichterin. »Sie wollen damit sagen, daß Sie den Krieg schrecklich finden, vermute ich?« fragte der General.
»Ja, ist er das denn nicht?« entgegnete sie. »Der Krieg ist ein gewöhnlicher Faktor im Menschenleben«, erklärte der General. »Es gibt einen natürlichen Aggressionstrieb in der menschlichen Rasse, der zwangsläufig zu Konflikten führt. Wenn dem nicht so wäre, hätte es nicht so viele Kriege gegeben.« »Aber all das Leid, der Schrecken, die gescheiterten Hoffnungen!«
»Heutzutage ist der Krieg zu einem Spiel geworden«, erzählte der General, »so wie er es in der Frühzeit war. Die Indianerstämme auf dem westlichen Kontinent haben den Krieg als Spiel betrachtet. Ein junger Kämpfer wurde erst dann zu einem Mann, wenn er an seinem ersten Feldzug teilgenommen hatte. Alles Mannhafte und Edle hat seinen Ursprung im Krieg.
Es mag Zeiten gegeben haben, wo der Krieg - so wie Sie es behauptet haben - Leid über die Menschen brachte. Heute wird nur noch wenig Blut vergossen. Wir führen den Krieg, so wie man Schach spielt.«
»Mit Robotern?« fragte Jürgens.
»Wir bezeichnen sie nicht als Roboter.«
»Vermutlich nicht. Vielleicht als Mechaniks? Als Maschinen, die denken können und über eine Identität verfügen?« »So ist es. Sie sind hervorragend konstruiert und perfekt ausgebildet. Sie kämpfen nicht nur für uns, sondern sie helfen uns auch bei der Strategie. In meinem Stab sind die Mechaniks gut vertreten. Oftmals erfassen sie die Lage besser als ich.« »Und die Schlachtfelder sind mit diesen Mechaniks übersät?« »Ja, schon. Aber wir versuchen, die Verluste so niedrig wie möglich zu halten.«
»Sie sammeln die Teile ein, setzen sie wieder zusammen und schicken sie erneut in den Kampf?«
»Na klar«, antwortete der General. »Wir müssen mit unseren Mitteln sparsam haushalten.«
»Herr General«, stellte Jürgens fest, »ich glaube nicht, daß es mir gefallen würde, in Ihrer Welt zu leben.« »Wie sieht es denn in Ihrer Welt aus? Wenn Sie nicht in meiner Welt leben wollen, dann erzählen Sie mir doch bitte, wie Ihre Welt beschaffen ist.«
»Eine friedliche, eine freundliche Welt. Wir sind unseren Menschen sehr zugetan.«
»Das klingt ja abscheulich«, stöhnte der General. »Unseren Menschen sehr zugetan. Was heißt überhaupt >unseren Menschen?«
»In unserer Welt gibt es nur noch sehr wenige Menschen. Wir kümmern uns um sie.«
»So sehr ich mich dagegen gesträubt habe, allmählich scheint es mir, daß Edward Lansing recht haben könnte«, sagte der Pastor. »Wenn ich Ihnen so zuhöre, wird mir klar, daß wir tatsächlich aus verschiedenen Welten kommen. Eine Welt ist zynisch, auf ihr wird der Krieg als Kinderspiel betrachtet.« »Doch nicht als Kinderspiel!« fuhr ihm der General ins Wort. »Es handelt sich um eine sehr komplexe Aufgabe.« »Eine zynische Welt«, fuhr der Pastor fort, »die den Krieg als komplexes Spiel betrachtet, eine Welt der Dichter und Musikanten, eine Welt, in der sich Roboter auf eine freundliche Art der Menschen annehmen. Und Ihre Welt, gnädige Frau, in der eine Frau Ingenieur werden kann.« »Und was ist daran nicht in Ordnung?« fragte Mary. »Frauen sollten niemals Ingenieure sein, das ist nicht in Ordnung! Treusorgende Ehefrauen sollen sie sein, fähige Hüterinnen des Hauses, liebevolle Erzieherinnen der Kinder. Das sind die natürlichen Aufgaben der Frau.«
»In meiner Welt gibt es nicht nur weibliche Ingenieure«, entgegnete Mary. »Die Frauen arbeiten als Physiker, Psychologen, Chemiker, Philosophen, Geologen, sie sitzen in den Verwaltungsräten, sind Präsidentinnen großer Gesellschaften, Richterinnen und Anwältinnen. Auch in den Exekutivorganen kann man sie finden. Ich könnte die Liste beliebig verlängern.« Mine, der Wirt, watschelte heran.
»Platz!« rief er. »Machen Sie Platz für das Abendessen! Ich hoffe, es wird Ihnen schmecken.«
7
Das schmackhafte Mahl war bald verzehrt. Man hatte den Tisch zurückgeschoben und saß nun wieder vor dem lodernden Kaminfeuer. In der Ecke des Raumes hockten noch immer die vier Spieler über ihren Karten.
Lansing zeigte mit dem Daumen in ihre Richtung. »Was ist eigentlich mit diesen Leuten los?« fragte er. »Wieso haben sie nicht mit uns gegessen?«
Der Wirt winkte ab. »Sie wollen ihr Spiel nicht unterbrechen. Wir haben ihnen ein paar Sandwiches hingestellt; sie haben weitergespielt. Erst in den frühen Morgenstunden werden sie aufhören. Sie schlafen ein Weilchen und stehen bald wieder auf. Nach dem Morgengebet und dem Frühstück setzen sie sich wieder an den Kartentisch.«
»Zu wem beten sie?« fragte Mary. »Zu den Göttern des glücklichen Zufalls vielleicht?«
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe ihnen nie dabei zugehört.«
»Sie scheinen überhaupt kein sehr neugieriger Mensch zu sein«, stellte der Pastor fest. »Über allgemeine Dinge wissen Sie weniger als irgendein Mensch, dem ich je begegnet bin: Sie wissen nicht, in welchem Land wir uns befinden. Sie wissen nicht, warum wir hier sind und was wir hier tun sollen.« »Ich habe die Wahrheit gesagt«, versicherte Mine. »Ich weiß von all diesen Dingen nichts, und ich habe nie danach gefragt.« »Liegt das vielleicht daran, daß es niemanden gibt, den Sie fragen könnten, den wir fragen könnten?«
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