Langsam verklang das Tiefe Brummen. Die Gravitation kehrte zurück. Die Körper bekamen ihr normales Gewicht und sanken zum Boden herab. Die Menschen brachten sich wieder in die normale aufrechte Lage, atmeten tief auf und lächelten einander zu.
Dann ging jeder wieder seiner gewohnten Arbeit nach, als wäre nichts geschehen.
Filitra rappelte sich unter dem Sessel hervor. So ist das also, wenn das Raumschiff plötzlich einem Meteoriten begegnet, dachte das Mädchen. Bevor man einen klaren Gedanken fassen kann, ist schon alles vorbei.
Henry Lorcester machte sich, durch den Zwischenfall gewarnt, sofort an seine Aufgabe. Sorgfältig suchte er die Nachbarschaft des Raumschiffes nach diesen Außenseitern ab. Er entdeckte aber nur einige wenige Einzelgänger. Sie blieben der Rakete ungefährlich, denn sie flogen abseits der Bahn des Raumjägers. Dennoch ging Lorcester stets zum Helicon, zielte, und schon war der Meteorit verdampft.
Je mehr das Raumschiff den Schwarm einholte, um so größer wurde die Dichte der Mikrometeoriten. Sie richteten jedoch keinen Schaden an, da sie sich beim Aufprall auf das Schiff stark erhitzten und von allein verdampften.
„Partikel von 27 auf 43 gestiegen“, meldete Franken dem Kommandanten. Die Meßinstrumente registrierten also jetzt dreiundvierzig Zusammenstöße des Raumschiffes je Minute mit den mikroskopisch kleinen Staubteilchen des Kosmos. Gegen 15.00 Uhr hatte der Raumjäger den Meteoritenschwarm eingeholt. Nun begann die Ermittlungsarbeit, von der es abhing, in welcher Weise die kosmische Gefahrenquelle beseitigt werden mußte.
Zuerst startete der Pilot Kioto Yokohata, um Beobachtungen von der Aufklärungsrakete aus durchzuführen. Wenig später wurden dann die beiden von Salamah El Durham vorbereiteten Testgeschosse in den Schwarm abgefeuert. Die Geschosse erreichten die Meteoriten sehr schnell und drangen in den Schwarm ein. Sie waren mit verschiedenen Meßinstrumenten ausgestattet, die ununterbrochen Angaben sammelten und die Meßwerte zum Raumschiff zurückfunkten. Die Testgeschosse waren so klein, daß sie in den seltensten Fällen innerhalb des Schwarmes kollidierten; denn in einem Meteoritenfeld waren die einzelnen Meteoriten für irdische Begriffe weit voneinander entfernt.
Als die Testtorpedos das Feld durchflogen hatten und sich anschickten, ihm vorauszueilen, wurden die Bremsladungen durch ein Funksignal ferngezündet. Die verbrennenden Gase strömten gegen die Flugrichtung des Geschosses aus. Die Torpedos verloren einen Teil ihrer Geschwindigkeit, und die Meteoriten holten sie wieder ein. Auf diese Weise durchmaßen die Instrumententorpedos das Meteoritenfeld ein zweites Mal. Die Vorstellungen, die sich die Astronauten von der Struktur des Schwarmes gemacht hatten, wurden dadurch vollständiger. Schließlich blieben die Testgeschosse wieder hinter dem Schwarm zurück. Das Raumschiff fing sie ein und nahm sie an Bord. El Durham konnte die Plutoniumladung entfernen. Die automatischen Kundschafter waren glücklicherweise nicht außer Kontrolle geraten, so daß es nicht notwendig geworden war, sie zu zerstören.
Die Testgeschosse hatten ermittelt, daß es nur wenige große Meteoriten im Feld gab. Sie waren etwa so groß wie Taubeneier. Zwanzig Prozent des Schwarmes, das waren einige hundert Stück, waren kieselgroße Steinchen. Achtzig Prozent dagegen waren nicht größer als Sandkörner. Daneben gab es viel kosmischen Staub. Im Durchschnitt kamen auf einen Kubikkilometer nicht mehr als zwölf Gramm Masse. Für kosmische Verhältnisse war das allerdings sehr dicht.
Zusammen mit den Ermittlungen der Erkundungsrakete Kioto Yokohatas ergab sich ein ziemlich genaues Bild des Meteoritenfeldes. Der ganze Schwarm war eine annähernd kugelförmige Anhäufung von Kleinstmeteoriten mit einer durchschnittlichen Ausdehnung von 190 Kilometer. Nachdem diese und andere Einzelheiten bekannt waren, begannen die Asteroidenjäger mit der Bekämpfung des Schwarmes. Paro Bacos erschien gut ausgeruht im Steuerraum. Er nahm am Helicon Platz. Vor ihm lag eine große Tabelle, von Oulu Nikeria am Elektronenhirn errechnet. Sie enthielt die Richtwerte zur Einstellung und Bedienung des Strahlenwerfers für die Bekämpfung der einzelnen Abschnitte des Meteoritenfeldes.
Das Raumschiff flog mit einem Abstand von rund 320 Kilometern hinter dem Schwarm her. Man hatte dadurch einen guten Überblick über das ganze Feld.
Kerulen gab an die Gravitationsstation den Befehl, die Maschinensätze für die nächsten Stunden stillzulegen. Die Energie des Gravitationsreaktors sowie die Kraft aller anderen Energieerzeugungsanlagen einschließlich der Triebwerksreaktoren wurden für den Helicon benötigt.
„Achtung! Achtung! — Mitteilung an die gesamte Besatzung. Wir beginnen mit der Bekämpfung des Meteoritenschwarmes MRGC 763 (F 12). Das Gravitationsfeld des Raumschiffes schwindet. Bitte sofort Haftschuhe mit Magnetsohlen anlegen. — Ich wiederhole: Das Gravitationsfeld schwindet. Haftschuhe anlegen. — Ende.“
Im zentralen Steuerraum schnallte sich ein jeder auf seinem Platz vor der jeweiligen Kommandostelle mit Gurten fest. Paro Bacos begann mit der Arbeit. Er schaltete den Strahlenwerfer ein. Zuerst zog er mit dem unsichtbaren Strahlenbündel weit außerhalb des Feldes einen Kreis um den Schwarm, allmählich enger und enger werdend. Als er die äußeren Grenzen des Schwarmes erreicht hatte, begann sich ein matter Ring dunkelrot leuchtender Gase um den Meteoritenschwarm zu bilden. Er entstand aus den getroffenen und vernichteten Meteoriten und Partikeln. Nach und nach wurde der Kreis dieser leuchtenden Gase enger. Die Leuchtkraft des dunkelroten Scheines nahm beständig zu.
Am Elektronenhirn arbeitete Oulu. Er berechnete ständig neue Werte für den Helicon. Alle zehn Minuten reichte er zu Paro Bacos eine neue Zielkarte hinüber. Mirsanow überwachte die Arbeit der Reaktoren. Franken stand ständig über Funk mit der Aufklärungsrakete in Verbindung, und Kerulen kontrollierte den Flug des Raumschiffes, das immer genau hinter dem Schwarm bleiben mußte.
Sobald das Strahlenbündel des Helicons mit seiner geballten Kraft die sandkorn- oder kieselgroßen Meteoriten traf, verdampften sie unter dem Einfluß der hohen Temperaturen, die die Strahlung des Helicons beim Auftreffen auf die Meteoriten verursachte. Ab und zu glühte in dem dunkelroten Ring ein heller Funke auf. Dann war jedesmal einer der taubeneigroßen Steine getroffen worden. Je enger der Kreis wurde, den der Strahlenwerfer um den Meteoritenschwarm zog, desto öfter glühten getroffene Steine auf. Nach und nach entfesselte der Helicon ein funkensprühendes Feuerwerk.
Während der ganzen Zeit, in der das künstliche Gravitationsfeld abgeschaltet war und Schwerelosigkeit im Raumschiff herrschte, machte Sagitta Rundgänge. Das Laufen mit den Haftschuhen, an denen Magnetsohlen befestigt waren, war sehr anstrengend. Es war Aufgabe der Ärztin, jetzt ständig über den Gesundheitszustand der Besatzung zu wachen. Bei längerandauernder Schwerelosigkeit konnte es vorkommen, daß bei dem einen oder anderen Menschen funktionelle Störungen eintraten und ärztliche Hilfe notwendig wurde. Wenn Sagitta bei ihren Rundgängen durch das Raumschiff in den zentralen Steuerraum kam, verweilte sie etwas und ruhte sich aus. Zuerst überzeugte sie sich aber davon, daß noch alle im Zentralposten anwesenden Kosmonauten wohlauf waren. Erst danach gönnte sie sich etwas Zeit. Dabei verfolgte sie den Ablauf der Vernichtung des Meteoritenschwarmes.
Auf einen solchen stillen Betrachter, wie es die Ärztin war, wirkte der Anblick des Fernsehbildes des immer enger und enger werdenden Ringes der dunkelrot glühenden Gase so, als rase das Raumschiff Stunde um Stunde durch einen immer kleiner und schmaler werdenden, nie endenden Tunnel, dessen Wände kirschrot wie erhitztes Eisen glühten.
Nach etwa vier Stunden, als sich der Flammenkranz bis zu einem Durchmesser von 70 Kilometern verengt hatte, ergab sich durch die Radarkontrolle, daß der Helicon den dichter werdenden Vorhang der Meteoriten nicht mehr bis zur Spitze des Schwarmes zu durchdringen vermochte. Kerulen steuerte den Raumjäger näher an den Schwarm heran.
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