Acht Sekunden später zuckte ein anderes Bild im Lichtstrahl und verfestigte sich. Das blaue Licht erlosch. Der Parabolspiegel entfernte sich.
Die Frauen rissen die Augen auf. Ben Yulin war immer ein gutaussehender, etwas exotisch wirkender Mann gewesen; jetzt sah er mit schwellenden, spielenden Muskeln wie eine Kombination von Adonis und David aus.
Aber er bewegte sich, lächelte und prüfte seine Fingernägel. Er trat herunter, ging auf Nikki Zinder zu und preßte einen Fingernagel auf ihre Haut. Eine winzige Nadel spritzte eine klare Flüssigkeit in ihren Körper. Sie erstarrte und schien einzuschlafen. Ein zweiter Fingernagel versetzte auch ihre Tochter in Schlaf.
Er löste ihre Fesseln und befahl ihnen aufzustehen. Nikki Zinder trat als erste auf die Plattform; ihre Tochter stand starr davor. Er kehrte an die Konsole zurück und drückte Tasten.
»Neue Bewegung, Obie«, sagte er strahlend.
»Nur zu, Ben«, erwiderte der Computer. »Mann, da habe ich aber etwas Feines gemacht!«
Yulin lachte.
»Allerdings«, sagte er. »Jetzt etwas Ähnliches. Die Person ist Nikki Zinder. Neue Modifizierungen.«
»Sie wissen, daß Dr. Zinder Sperren eingebaut hat, um zu verhindern, daß ich bestimmte Dinge mit ihr anstelle.«
»Nicht starke genug. Bei weitem nicht starke genug. Und einen Teil kann ich übergehen. Okay, die neue Person soll 160 Zentimeter groß sein, weiblich, Alter siebzehn Standardjahre, folgende Dimensionen.«
Langsam und bedächtig beschrieb er seine Venus. Er gab ihr alle Modifikationen der Sinne und die Immunitäten, die er hatte, auch Kraft, große Kraft. Und einiges mehr.
»Geistig soll die Person alle Erinnerungen behalten, sich aber als meine Sklavin und meinen Besitz betrachten und das für richtig, gerecht und angemessen halten. Sie wird sich allen meinen Wünschen fügen, mir und meinen Bedürfnissen und Forderungen unter Ausschluß alles anderen völlig unterworfen sein. Verstanden?«
»Sicher, Ben. Sie wollen eine menschliche Dasheen-Kuh haben. Leider liegt das im Bereich meiner Möglichkeiten. Ist das alles?«
»Zunächst ja«, sagte er. »Programm ab.«
Auch hier dauerte es etwa acht Sekunden. Er starrte erwartungsvoll hinunter und wurde nicht enttäuscht. Sie war unzweifelhaft die schönste Frau, die er je gesehen hatte.
Aus ihrer Tochter machte er eine Zwillingsschwester der neuen Nikki Zinder, nur ersetzte er Nikkis lange, schwarze Haare durch kastanienbraune, um die beiden von weitem unterscheiden zu können.
Er rief sie zu sich, und sie kamen freudig, warfen sich ihm vor Anbetung fast an den Hals.
»Schon gut, Mädels«, sagte er lachend. »Ich glaube, wir erkunden zuerst einmal unsere neuen Körper. Dann übernehmt ihr ein paar Aufträge für mich, während ich mit Obie daran arbeite, uns dorthin zurückzubringen, wo wir hingehören.«
»O ja, Ben«, seufzten sie beide voll Erwartung.
* * *
Einige Stunden später war er bereit; es waren unendlich lustvolle Stunden gewesen, durchaus keine Zeitvergeudung, aber nun kam er zur Sache.
»Obie?«
»Ja, Ben?«
»Sind deine Außensensoren im Hauptschacht noch aktiv?«
Der Computer war zwar an der Oberfläche blind, konnte die Unterseite aber rund um den Schacht überblicken, der zur großen, auf den Schacht der Seelen gerichteten Schüssel führte.
»Aktiv, Ben.«
»Gut. Irgendwelche Lebensformen an der Unterseite?«
»Keine, die ich feststellen kann, Ben — allerdings vermag ich den Yugash nicht sehr deutlich wahrzunehmen, wenn er nicht im Sichtbereich ist. Meine Sensoren sind nicht für Energiewesen ausgelegt.«
»Aber wir sind alle immun gegen eine Übernahme, ja?«
Der Computer bestätigte es.
»Gut«, sagte Yulin und wandte sich den beiden Frauen zu. »Mädels, ihr wißt, was ihr zu tun habt.«
Sie nickten. Er wandte sich wieder an Obie. »Abwehr-Status abschalten, Obie. Bei ihrer Rückkehr erneut automatische Abschaltung, es sei denn, sie stünden unter Zwang. Rückkehr zum Abwehrstatus, sobald sie das Kontrollzentrum wieder betreten. Klar?«
»Klar, Ben.«
»Und nicht vergessen, Obie. Kein Wort davon zu irgend jemandem.«
»Sie wissen, daß ich da gesperrt bin«, antwortete der Computer murrend. »Abwehr-Status abgeschaltet.«
Die beiden Frauen gingen zur Tür. Sie öffnete sich, sie traten hinaus, und die Tür ging wieder zu.
»Du hast die ganze Zeit über mit Gil Zinder gesprochen, nicht wahr?«beschuldigte Yulin den Computer.
»Ja, Ben, ich kann nicht lügen. Ich dachte, Sie wollten früher oder später mit ihm sprechen.«
»Vielleicht auch nicht. Obie, habt ihr beide daran gearbeitet, dich vom Schacht-Computer der Sechseck-Welt zu befreien?«
»Ja, Ben.«
»Und das Verfahren?«
Als Obie es ihm erklärte, ging ihm die Logik auf, und er verfluchte sich, weil er das nicht selbst gesehen hatte. Die Lösung war so einfach, daß sie jahrzehntelang hätte übersehen werden können. Er hatte ein Gefühl der Macht in sich, das alles überstieg, was er für möglich gehalten hatte, und die Überzeugung, daß er nicht nur alles tun konnte, was er wollte, sondern daß er es auch tun würde.
Er gedachte keine Fehler zu machen. Alles mußte genau überlegt werden.
Aber er hatte schon einen gemacht und wußte es nicht.
Auf der Oberfläche von Neu-Pompeii
Die Gruppe war enttäuscht und verdüstert.
»Wir könnten immer noch nach Hause fliegen«, sagte Renard.
Sie sahen ihn betroffen an.
»Ich meine ja nur«, murmelte er.
»Nein, das ist keine Möglichkeit«, widersprach Wooly. »Wir wissen, was sich hier im Inneren befindet. Eine große Maschine. Wir können sogar mit ihr sprechen. Eine Maschine, die mit dem Schacht reden und ihm sagen kann, was er tun soll. Wenn Yulin will, kann er mit dem Schacht machen, was ihm paßt.«
»Vielleicht sucht er das Weite«, sagte der Bozog.
»Das wäre noch schlimmer«, erklärte Vistaru seufzend. »Für Sie und den Ghiskind vielleicht nicht so sehr, aber Yulin wird nicht zu irgendeinem fremden System oder einer fremden Rasse fliegen. Er wird nach Hause wollen — dorthin, wo er herkommt. Und er hat die große Anlage, um mit ganzen Planeten und ihren Bewohnern zu tun, was ihm beliebt. Renard, Mavra, Wooly und ich kommen von dort her. Wir können nicht zulassen, daß er Zivilisationen umstülpt, wenn wir es zu verhindern vermögen. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, damit es nicht dazu kommt.«
»Gar nicht davon zu reden, daß Yulin ein Dasheen ist«, sagte Mavra. »Man kann sich denken, wie Frauen in seiner neuen Welt behandelt werden würden. Wir müssen entschlossen sein. Ich spüre das bei Wooly und Vistaru. Bozog, wenn Sie das Schiff benützen und zurückkehren wollen, gebe ich Ihnen alle Programmierungsanweisungen, die Sie brauchen.«
Der Bozog bewegte sich unruhig.
»Sie wissen, daß das nicht geht«, gab er zurück. »Wir wußten es auch, als wir abflogen. Mit dem Schiff können wir nicht zurückkehren. Keiner von uns ist zu einer neuerlichen Landung ohne Schub imstande, nicht einmal Mavra, selbst wenn sie Arme hätte. Es war schon ein Wunder, daß es beim erstenmal kein Unglück gab. Die Chancen sind jetzt noch viel geringer. Nein, wir können auf der Sechseck-Welt abstürzen, aber nicht landen.«
Das überraschte sie. Keiner hatte daran gedacht, obwohl es nahelag.
»Warum sind Sie dann mitgekommen?«fragte Wooly.
»Was mich angeht, weil es möglich war«, sagte der Bozog. »Weil es eine Tat und ein Erlebnis ohne Beispiel ist. Hier zu stehen, auf einer anderen Welt! Die Sechseck-Welt aus der Ferne zu sehen! Das allein ist ein Dutzend Leben wert!«
Renard zuckte die Achseln.
»Und Sie, Ghiskind? Sie könnten einen Absturz überleben, nehme ich an.«
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