Sie standen alle auf und folgten ihm hinaus ins Freie, zu einem kleinen Bauwerk, das aussah wie ein kleiner Aussichtsturm aus Marmor.
Obwohl es äußerlich zu der neogriechischen und -römischen Architektur paßte, war, als sie es erreichten, erkennbar, daß es sich um eine Art Schnellaufzug handelte.
Trelig trat an eine glatte, nackte Stelle und preßte die Handfläche darauf. Seine Finger trommelten eine Sequenz, und plötzlich verblaßte die Wand und gab den Blick auf das Innere einer großen Schnellkabine frei, die acht Sitze mit Kopfstützen und Gurten auf wies.
»Wir werden zwei Fahrten machen müssen«, sagte Trelig.»Wenn die ersten acht von Ihnen sich bitte setzen und anschnallen wollen. Die Fahrt abwärts geht außerordentlich schnell und unbehaglich vor sich, fürchte ich, obwohl ein gewisser Schwerkraftausgleich eingebaut ist. Sobald die erste Gruppe unterwegs ist, können wir anderen die kleinere Wartungskabine nehmen. Keine Sorge — an der Unterseite gibt es einen Ausgang in zwei Etagen.«
Mavra gehörte zur ersten Gruppe. Sie ließ sich auf einen der Sitze nieder und schnallte sich an. Die Tür, in Wahrheit eine Art Kraftfeld mit einer Wandprojektion darüber, verfestigte sich wieder, und sie spürten, daß sie rasend schnell hinabstürzten.
Die Fahrt war tatsächlich unbehaglich; für die zwei oder drei Personen, die sie brauchten, waren kleine Plastiktüten verfügbar.
Es dauerte über zehn Minuten, das andere Ende zu erreichen, obwohl sie mit ungeheurer Geschwindigkeit dahinrasten. Schließlich wurde die Kabine langsamer und kam zum Stillstand. Sie warteten drei oder vier Minuten, dann hörten sie über sich ein Geräusch, eine Minute danach löste sich das Kraftfeld vor ihnen auf, und Trelig stand lächelnd vor ihnen.
Sie lösten die Gurte, standen auf, reckten sich und traten in einen schmalen Korridor. Der Stahlplattenweg endete auf einer großen genieteten Plattform mit einem Geländer ringsherum. Vor ihnen befand sich ein Schacht von immenser Größe, der ohne Boden zu sein schien. Rings um den Schacht gab es Schalttafeln, zahllose Moduln mit gleichmäßigen Lücken dazwischen.
Eine lange Brücke führte von der Plattform aus über den Schacht. Sie war breit und aus Metall, aber besaß 150 Zentimeter hohe Seitenwände aus Kunststoff. Sie begriffen, daß sie sich irgendwo im Inneren einer gigantischen Maschine befinden mußten.
Trelig blieb mitten auf der Brücke stehen, und die Gruppe versammelte sich um ihn. Überall summte und klickte es, und Trelig mußte seine Stimme verstärken.
»Der Schacht reicht von einer Stelle ungefähr auf halbem Weg zwischen dem theoretischen Äquator und dem Südpol von Neu-Pompeii auf der ungeschützten Felsoberfläche fast bis zum Kern des Planeten«, sagte er laut.»Er wird indirekt durch das Solar- und Plasmanetz mit Fusionsenergie versorgt. Auf fast zwanzig Kilometer im Umkreis befindet sich der — selbstverständlich mit Eigenbewußtsein ausgestattete — Computer, den Dr. Zinder Obie nennt. In ihn haben wir alle Daten, die uns zur Verfügung standen, eingebracht. Kommen Sie.«Er ging auf der Brücke weiter, vorbei an einer schimmernden, kupferfarbenen Stange, die in der Mitte des Schachtes verlief und in beiden Richtungen zu verschwinden schien. Er erreichte eine Plattform, die genauso aussah wie die erste. Auf der linken Seite öffnete sich ein Fenster in einen großen Raum, der angefüllt war mit Myriaden anscheinend nicht in Betrieb befindlicher elektronischer Instrumente. Eine Tür wie die einer Luftschleuse versperrte ihnen den Weg. Als sie zischend aufging, schienen Druck und Temperatur sich ein wenig zu verändern. Sie traten ein und fanden sich dem Augenschein nach in einer Miniaturkopie der größeren Maschine. Eine Galerie und mehrere Steuerkonsolen umgaben einen amphitheaterähnlichen Bereich darunter, in dem sich eine kleine, runde, silbrige Scheibe befand. An der Decke war ein zwanzigeckiger Spiegel mit einer kleinen Projektionsvorrichtung in der Mitte an einem beweglichen Arm befestigt, der aus der Wand ragte.
»Der ursprüngliche Obie und die ursprüngliche Anlage«, erklärte Trelig.»Obie ist natürlich an die größere Maschine angeschlossen, die der Vollendung entgegengeht. Kommen Sie, stellen Sie sich hier nebeneinander an das Geländer, damit Sie alle hinunterblicken können.«
Er warf einen Blick auf die andere Seite, und sie sahen einen jungen, gutaussehenden Mann in glänzender Laborkleidung an einer Steueranlage sitzen.
»Bürger, das ist Dr. Ben Yulin, unser Betriebsdirektor«, sagte Trelig.»Wenn Sie hinunterblicken, werden Sie sehen, wie zwei meiner Mitarbeiterinnen eine dritte herausbringen und auf die Scheibe stellen.«
Sie schauten hinunter und entdeckten zwei der Frauen, die Mavra als Aufseherinnen erkannte. Die zwei führten ein Mädchen, das nicht älter als vierzehn oder fünfzehn Jahre war und angstvoll wirkte, zu der Scheibe.
»Das Mädchen, das Sie sehen, ist das Opfer einer Drogensucht, die unter dem Namen Schwamm bekannt ist«, erklärte Trelig.»Die Droge hat ihren Geist bereits so zerrüttet, daß sie nicht mehr ist als eine kindliche Schwachsinnige. Ich habe viele solche unglücklichen Wesen hier; sie werden bald geheilt sein. Beobachten Sie, und verhalten Sie sich ruhig. Dr. Yulin wird jetzt übernehmen.«
Ben Yulin betätigte ein paar Schalter an seiner Konsole. Sie hörten einen Lautsprecher knistern und vernahmen seine ruhige, angenehme Baritonstimme ganz deutlich.
»Guten Morgen, Obie.«
»Guten Morgen, Ben.«Obies Tenorstimme kam nicht mehr aus dem Konsolensprecher, sondern scheinbar ringsum aus der Luft. Es war keine mächtige oder bedrohliche Stimme, aber sie schien alles zu erfüllen, von überall und nirgendwo zu kommen.
»Index Versuchsperson Codenummer 97-349826«, sagte Yulin.»Registrieren auf mein Zeichen — jetzt !«
Der Spiegel wurde über das entsetzte Mädchen hinausgeschwungen, das blaue Licht strömte heraus und hüllte es ein. Sie sahen das Mädchen erstarren, flackern und verschwinden.
Trelig grinste.
»Was halten Sie davon?«fragte er.
»Ich habe schon öfter Holografen-Projektoren gesehen«, meinte ein kleiner Mann skeptisch.
»Entweder das, oder Sie haben sie desintegriert«, warf ein anderer ein.
»Nun, was wird Sie überzeugen?«sagte Trelig achselzuckend. Seine Miene hellte sich auf.»Ich weiß! Nennen Sie mir irgendein weitverbreitetes Wesen. Irgendeines.«
Sie schwiegen alle kurze Zeit, dann rief jemand:»Eine Kuh.«
»Gut, eine Kuh«, sagte Trelig.»Haben Sie gehört, Ben?«
»Sehr wohl, Rat«, sagte Yulin über den Lautsprecher.»Index RY-/65I97-AF, Obie«, fuhr er fort.
»Ich weiß, was eine Kuh ist, Ben«, rügte Obie sanft, und Yulin gluckste.
»Also gut, Obie«, erwiderte er.»Ich überlasse es dir. Aber nichts Gefährliches. Folgsam, ja?«
»In Ordnung, Ben. Ich werde mein Bestes tun«, versicherte der Computer, und der Spiegel fuhr wieder hinaus, das blaue Licht strahlte auf, und in ihm flackerte etwas.
»Zaubertricks«, sagte der rotbärtige Mann wegwerfend.»Frau in Kuh.«
Aber was unten auftauchte, war keine Kuh, es war ein zentauroides Wesen: ein Kuhleib — Hufe, Schwanz und Euter und Oberkörper und Kopf des Mädchens, unverändert bis auf die Ohren, die hochstanden wie die einer Kuh, und zwei kleine, gebogene Hörner, die aus ihren Schläfen herauswuchsen.
»Gehen wir hinunter, und sehen wir sie uns genauer an«, schlug Antor Trelig vor, und sie stiegen hintereinander eine kleine Treppe hinunter.
Die Kuhfrau stand da, starrte ins Leere und beachtete sie kaum.
»Nur zu!«sagte Trelig.»Berühren Sie sie! Untersuchen Sie sie so gründlich, wie Sie wollen!«
Sie taten es, und das Mädchen reagierte kaum, bis jemand ihre Milchzitzen berührte, was zu einem leichten, gereizten Tritt führte, der aber sein Ziel verfehlte.
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